Formal kann das im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) festgeschriebene Ziel, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise bis 2030 um mindestens 55 % zu senken, nicht verfehlt werden. Dazu definiert es, wieviel CO2-Äquivalent (CO2e) jeder Sektor bis 2030 in jedem Jahr noch ausstoßen darf. Erfüllt ein Sektor die gesetzlich vorgegebenen Ziele nicht, muss das zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen... Das KSG schützt das Klima also, indem es vor der Untätigkeit der politisch Verantwortlichen schützt.
Allerdings muss sich der Gebäudebereich darauf einstellen, dass schon sehr bald weitere Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Gebäudebestands und wohl auch des Gebäudezubaus auf die Tagesordnung kommen. Denn die bisherigen Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 reichen laut nach vorliegenden Abschätzungen (Studie Treibhausgasminderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030 des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie des Umweltbundesamts) nicht für das Erreichen des sektorspezifischen Klimaziels für das Jahr 2030 aus.
Ausgleichsregelung ist kaum realistisch
Über alle Sektoren existiert gegenüber dem Ziel des KSG eine Lücke von rund 70 Mio. t/a CO2e. Der Gebäudebereich, für den eine Zielverfehlung um 17 Mio. t/a CO2e im Jahr 2030 abgeschätzt wird, kann also nicht mit einer Ausgleichsregelung rechnen. Um die erwartete Zielverfehlung besser einschätzen zu können: Der Gebäudebereich soll seine Treibhausgasemissionen von 2020 bis 2030 um 48 Mio. t/a CO2e mindern und würde nur bei 31 Mio. t/a CO2e landen – wobei nur die Verbrennung von Brennstoffen in Handel, Behörden und Haushalten erfasst werden, der absehbar steigende Stromverbrauch zum Heizen und Fernwärme werden im Sektor Energiewirtschaft verbucht.
Die Öko-Institut-Studie schätzt ab, dass im Jahr 2030 statt der angestrebten 543 noch 614 Mio. t CO2e in die Atmosphäre abgegeben werden. Das entspricht einer Minderung von 51 statt 55 % der Emissionen gegenüber dem Jahr 1990. In der Studie hat das Öko-Institut mit seinen Partnern am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) und am Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) dafür berechnet, wie viel Treibhausgase durch die Maßnahmen des im Oktober 2019 beschlossenen Klimaschutzprogramms 2030 gemindert werden.
Steiler Anstieg beim CO2-Preis
Der Verkehr ist laut der Öko-Institut-Studie der Sektor mit der größten Lücke zur Zielerreichung: Statt der angestrebten Zielmarke von 95 Mio. t CO2e werden im Verkehrssektor in Deutschland ohne zusätzliche Maßnahmen im Jahr 2030 noch 128 Mio. t CO2e ausgestoßen. Zu den Modellannahmen gehört, dass der CO2-Preis für Kraft- und Brennstoffe nach der Festpreisphase im Jahr 2026 auf 65 Euro/tCO2 und danach jährlich um 15 Euro/t CO2 steigt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ohne andere wirksame Maßnahmen der CO2-Preis deutlich höher liegen müsste. Würde man ab 2027 die CO2-Zertifikate ohne Preiskorridor aber mit Mengenbegrenzung versteigern, würde angesichts der sich abzeichnenden Zielverfehlung der Preis rasant steigen.
Das parallel zu der Öko-Institut-Studie von Prognos für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angefertigte Gutachten Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050 bewertet die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 etwas erfolgreicher. Danach wird Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 52 % gegenüber 1990 mindern. Im Verkehr wird eine Zielverfehlung um 30 Mio. t CO2e (Öko-Institut: 33 Mio. t CO2e) prognostiziert, im Gebäudebereich sind es 8 Mio. t CO2e (Öko-Institut: 17 Mio. t CO2e). Prognos hat für den CO2-Preis eine steilere Annahme berücksichtigt, ab 2027 wurde eine Steigerung des nominalen Preises um 30 Euro/tCO2/a und im Jahr 2030 um 25 Euro/tCO2/a angenommen. Zudem wurde unterstellt, dass diese Preisentwicklung bereits 2023 kommuniziert wird. ■