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Michael Rader über CentraLineAX

Gehirn für Gebäude

TGA: Herr Rader, was ist die Idee von CentraLineAX?

Rader: In größeren Gebäuden, speziell im Nichtwohnbau, existieren häufig Insellösungen. Zum Beispiel in einen Supermarkt: Hier gibt es nicht nur Anlagen für Heizung/Lüftung, sondern auch Anlagen zur Kälteerzeugung, Kühlhäuser, ­Gefriertruhen und Kühlregale. Eventuell sind die Büros mit Einzelraumregelungen ausgestattet. Die Beleuchtungsteuerung wird von Zeitschaltuhren oder intelligenten Lichtsteuersystemen übernommen. Es sind Zähler installiert, die ­automatisch oder manuell abgelesen werden, und vieles mehr.

Häufig arbeiten diese Systeme aber losgelöst voneinander, teilweise auf Basis unterschiedlichster Kommunikationsprotokolle: Heizung und Lüftung mit BACnet, Einzelraumregelungen mit LON, Kälteerzeugung mit ModBus, Zähler mit M-BUS, um nur einige typische Beispiele zu nennen. Diese unterschiedlichen Protokolle machen eine Kommunikation zwischen den Systemen schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Hier setzt CentraLineAX an. Die Idee von CentraLineAX ist die Integration aller Insellösungen zu einem Gesamtsystem. Dabei agiert die Integrationsplattform Hawk quasi als „multi-lingualer“ Übersetzer, der die verschiedensten Kommunikationsprotokolle ineinander überführen kann. Die Vorteile liegen auf der Hand: Optimierungen können nun systemübergreifend ansetzen, woraus sich ein enormes Einsparpotenzial ergibt.

TGA: Gibt es vergleichbares am Markt bzw. wie werden solche Problemstellungen heute gelöst?

Rader: Es gibt am Markt heute kein System, das mit CentraLineAX verglichen werden könnte. Typischerweise werden Integrationsprobleme heute über Gateways gelöst. Dies ist aber mit erheblichen Nachteilen verbunden: Gatewaylösungen sind komplex in der Installation, Inbetriebnahme und Wartung. Sie agieren als Protokollkonverter und führen ein Protokoll in ein anderes über, wobei Informationen verloren gehen.

Demgegenüber ist CentraLineAX in der Lage, verschiedenste Protokolle zu integrieren, und dies mit einem einzigen Programmierwerkzeug. So kann eine einzige Integrationshardware mehrere Gateways ersetzen und sogar zusätzlich als Speicher agieren, der z.B. Zählerwerte, Trends oder Alarme zwischenspeichert.

TGA: Die einfache Integration unterschiedlicher Systeme mit unterschiedlichen „Sprachen“ – davon träumen nicht nur TGA-Planer schon länger. Wo sind die Grenzen, wie funktioniert es technisch ganz konkret?

Rader: Die CentraLineAX Integrationsplattform Hawk liest Informationen aus Subsystemen über Treiber ein. Die Treiber definieren, welche Information eingelesen wird und wie sie im Hawk dargestellt wird. Für alle Protokolle, die ein sogenanntes „Discovery“ unterstützen, kann eine Identifikation der Objekte (Regler, Datenpunkte im Regler, Zeitprogramme etc.) vom Treiber automatisch erfolgen. Für andere Protokolle muss der Anwender dem Treiber mitteilen, welche Objekte eingelesen werden sollen und wie diese zu adressieren sind. Es wird also ein Treiber benötigt, um ein Protokoll zu unterstützen.

CentraLineAX unterstützt bereits viele Standardprotokolle von Haus aus (LON, BACnet, EIB, ModBus, M-Bus, OPC und viele mehr). Für kundenspezifische Protokolle können eigene Treiber gebaut werden. Hierfür kann der Hawk in Java programmiert werden. Natürlich gibt es Grenzen. Zum Beispiel bezüglich der Anzahl an Datenpunkten, die in Hawk verarbeitet werden können. Diese Grenzen hängen von mehreren Faktoren ab: Speicher und Prozessor im Hawk einerseits, Bandbreite des verwendeten Busprotokolls andererseits. Es gibt verschiedene Varianten des Hawk mit unterschiedlicher Performance. Ein kleines Werkzeug, der „Ressource Estimator“, erleichtert dem Anwender die Entscheidung darüber, welches Gerät er wählen soll. Basierend auf Informationen dar­über, wie viele unterschiedliche Protokolle integriert werden sollen, wie viele Punkte pro Protokoll integriert werden sollen, etc. wird ein entsprechendes Gerät ausgesucht.

Da CentraLineAX eine Integrationsplattform ist, sollten keine komplexen Regelungsstrategien innerhalb des Hawk abgearbeitet werden. Dies ist die Aufgabe der Anlagenregler von CentraLine, die selbstverständlich mit dem Hawk verbunden werden können.

TGA: Wie unterscheidet sich CentraLineAX von den häufig anzutreffenden 1-zu-1-Gateway-Lösungen?

Rader: 1-zu-1-Gateways sind mit erheblichen Nachteilen verbunden. Stellen Sie sich vor, dass in einem Gebäude sechs Subsysteme vorhanden sind, die über sechs unterschiedliche Kommunikationsprotokolle verfügen. Wenn jedes dieser Subsysteme mit jedem anderen kommunizieren soll, sind hierfür 15 Gateways notwendig. Dies ist einerseits sehr komplex, da jedes Gateway für sich programmiert werden muss, mit den unterschiedlichsten Tools und Verfahren. Andererseits ist eine solche Lösung naturgemäß kostenintensiv und fehleranfällig. Außerdem gehen bei jeder Protokollkonvertierung Informationen verloren, vergleichbar mit dem Informationsverlust, wenn „gesprochene Sprache“ z.B. vom Deutschen ins Englische übersetzt wird.

Wird ein BACnet Datenpunkt über ein Gateway in eine LON-Variable konvertiert, verliert sie dabei alle Informationen über die BACnet-Punktattribute. CentraLineAX verfolgt hier einen intelligenteren Ansatz: Die Protokollinformationen der verschiedensten Protokolle werden vollumfänglich in den Hawk eingelesen. Ein BACnet-Punkt existiert im Hawk wirklich als BACnet-Punkt, inklusive seiner Attribute, und ein LON-Punkt existiert als LON-Netzwerkvariable. Im Hawk können diese Punkte dann miteinander verbunden werden, wobei der Benutzer definiert, welche Information wohin übertragen werden soll. Dabei können innerhalb des HAWK gleichzeitig beliebige Datenmanipulationen vorgenommen werden, angefangen von einfachen mathematisch/logischen Funktionen, bis hin zu komplexeren Regelungsfunktionen (z.B. PID). Diese Programmierung kann direkt über einen Browser erfolgen, ohne dafür zusätzliche Software auf dem PC installieren zu müssen. Sie erfolgt für alle Protokolle gleich: Einmal lernen, systemübergreifend anwenden.

TGA: Was sind typische Projekte/Objekte für CentraLineAX bezüglich Einstiegsgröße, Funktionsumfang, Anwendungen, Neubau/Bestand/Erweiterung…?

Rader: Der Anwendungsbereich von CentraLineAX ist sehr breit, und dies spiegelt sich auch in den Projekten wieder, die momentan laufen. Sie finden hier die gesamte Palette:

  • Einfachstanwendungen, bei denen lediglich Zählerdaten über M-Bus eingelesen und verarbeitet, bzw. visualisiert werden. Optional ist hierbei auch die Anbindung an Energiemanagement-Systeme.
  • Einzelraum-Lösungen, bei denen der Hawk als „Master“ für LON-basierte Raumregler dient, und einzelne LON-Inseln miteinander ver­bindet, wodurch das Systemmanagement ­wesentlich vereinfacht wird und LON-Router entfallen können.
  • Komplexere System-Integrationen, bespielsweise bei einer großen Supermarktkette, bei der Kühlgeräte, Lichtsteuerung und HLK-Anwendungen integriert werden.
  • Integration auf Enterprise-Ebene, wobei Informationen aus HLK-Systemen in Back-Office Anwendungen integriert werden. Hier ist beispielsweise die Kopplung von Raumreservierungssystemen an Einzelraumregelungen zu sehen.

Oft wird CentraLineAX auch eingesetzt, um ­Visualisierungen zu erstellen, die den Browser­zugriff auf ein System für Fernüberwachungs­zwecke ermöglichen oder Alarme aus verschiedenen Systemen auf das Handy eines Wartungstechnikers weiterleiten. Haupteinsatz­bereich heute sind Anlagenerweiterungen von Bestandsanlagen. Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad und mit zunehmender Integration von CentraLineAX in andere CentraLine-Lösungen hält das System jedoch auch mehr und mehr Einzug in Neuausschreibungen.

TGA: Was macht das System automatisch, wofür ist Engineering erforderlich?

Rader: Das System liest Informationen von verschiedenen Protokollen automatisch ein, sofern diese Protokolle ein „Discovery“ unterstützen. Engineering ist erforderlich für die Entscheidung, was mit diesen Informationen geschehen soll: Wohin sollen eingelesene Punktwerte übertragen werden? Hierfür reicht ein einfacher Mausklick. Sollen Informationen in Berechnungen einfließen? Hierzu können über eine graphische Programmierung ganz einfach Programme erstellt werden. Welche Information soll wie visualisiert werden? Dafür existiert ein Graphikeditor inklusive einer Symbolbibliothek für typische HLK-Anlagen.

TGA: Sie haben die direkt unterstützten „gängigen Kommunikationsprotokolle“ BACnet, KNX, LonWorks, M-Bus und ModBus aufgezählt. Im Bestand findet man aber auch viele herstellerspezifische Protokolle…

Rader: Systemintegratoren können eigene Treiber für CentraLineAX erstellen. Ein CentraLine-Partner hat beispielsweise während der Projektausführung einen kundenspezifischen Treiber für Gefriergeräte geliefert. Hierzu sind Java-Kenntnisse und natürlich eine Schulung für die Treiberentwicklung erforderlich, die wir anbieten.

TGA: Wie unterstützt das System die benutzerfreundliche Visualisierung? Wie hoch ist der Aufwand hierfür?

Rader: Durch den integrierten Graphikeditor mit vorhandener Symbolbibliothek ist die Erstellung komfortabler Visualisierungen sehr einfach. Daten aus den Subsystemen können an graphische Elemente „gebunden“ werden und damit deren dynamisches Verhalten beeinflussen. Wenn der Datenpunkt zur Ventilatoransteuerung an das Ventilatorsymbol gebunden wird, so zeigt das Symbol einen unterschiedlich schnell rotierenden Ventilator an, je nach Wert des Datenpunktes. Eine simple Klimaanlage kann so in wenigen Minuten visualisiert werden.

TGA: Wenn das Protokoll keine Rolle mehr spielt, kann es dazu führen, dass die Vielfalt der Protokolle wieder/weiter zunimmt?

Rader: Der Markt versucht eine Standardisierung zu erreichen. Allerdings wird aus meiner Sicht kein Protokoll für alle Zeit den Markt dominieren können. Vor einigen Jahren wurde LON als DAS Standardprotokoll gesehen, das alle Interoperabilitätsprobleme lösen sollte. Heute sieht die HLK-Welt eher BACnet in dieser Rolle. Und morgen?

Der technische Fortschritt sorgt für neue Möglichkeiten und damit unter Umständen auch für neue, bessere, Protokolle. Diese neuen Lösungen müssen aber mit dem vorhandenen Anlagenbestand zusammenarbeiten. Und hierfür benötigt man Integration. Darüber hinaus wird es für besondere Aufgaben immer spezialisierte Protokolle geben. Und auch diese Nischenlösungen sollten in ein Gesamtsystem integrierbar sein.

TGA: Integrieren, steuern, kontrollieren, neue bzw. bessere Funktionen schaffen – das bedeutet bidirektional zu arbeiten. Bieten überhaupt alle Systeme diese Möglichkeiten/Schnittstellen?

Rader: Es gibt Systeme, die lediglich unidirektional arbeiten, zum Beispiel Zähler. Trotzdem können auf Basis dieser Zählerdaten Entscheidungen getroffen werden (etwa kurzfristiges Abschalten von Verbrauchern). Hierzu kann der CentraLine Hawk I/O-Module direkt ansteuern. Das Programm läuft im Hawk ab. Somit kann trotzdem Information von einem unidirektional arbeitenden Datenlieferant in einen Regelkreis einfließen.

Frage: Wird es das „Gehirn des Gebäudes“ in der nächsten Zeit nur in Verbindung mit CentraLine geben oder kann die Plattform jeder benutzen?

Rader: Der Hawk als Gehirn des Gebäudes wird über den CentraLine-Vertriebskanal exklusiv an Partner vertrieben. Es kann aber jeder ­CentraLine-Partner werden, wenn er über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt, selbst wenn er momentan ausschließlich die Produkte anderer Hersteller vertreibt. Einfach den CentraLine-Vertrieb im jeweiligen Land, am einfachsten über unsere Webseite http://www.centraline.com kontaktieren.

TGA: Sie haben die direkte Integration in Energiemanagement-Systeme erwähnt. Wird es auch von CentraLine in diesem Bereich neue Produkte geben?

Das CentraLineAX-System verfügt über eine direkte Schnittstelle zum Energiemanagement-System von Hawksbury. Auch andere Energiemanagement-Systeme können einfach angebunden werden. Jedoch gibt es auch für andere CentraLine-Produkte Schnittstellen zu Energiemanagement-Systemen. Momentan noch in Form eines (kostenlosen) Zusatzprogramms für die Bediensoftware Arena, in Zukunft direkt in die Arena integriert.

TGA: Wie schätzen Sie die Steigerung der Gebäude-Energieeffizienz durch Einsatz solcher Integrationsplattformen ein?

Rader: Das Potenzial ist enorm. Energie wird nur noch dann produziert, wenn sie benötigt wird. Stellen sie sich ein Hotel vor: Selbst sehr gut belegte Hotels haben eine Raumbelegung von unter 70 % im Jahr. Wenn das Reservierungs­system mit der Raumregelung gekoppelt wird, kann ein Raum total abgeschaltet werden, wenn kein Kunde gebucht hat. An reservierten Tagen wird der Raum im Standby-Modus betrieben. Checkt der Kunden ein, wird von Standby auf Comfort geschalten, sodass bereits perfekte Raumkonditionen herrschen, wenn der Gast sein Zimmer zum ersten Mal betritt. Dies ist nur ein simples Beispiel, aber hier lassen sich leicht Einsparungen im Bereich von 30 % der Energiekosten erreichen. Bei einem Großhändler haben wir für die Summe aller durchgeführten Optimierungsmaßnahmen ein Einsparpotenzial von 60 % errechnet, wobei hier aber auch die Integration regenerativer Energieerzeugung mit berücksichtigt wurde.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch.

Michael Rader

„Es gibt am Markt heute kein System, das mit CentraLineAX verglichen werden könnte. Integrationsprobleme werden heute meistens über Gateways gelöst. Dies ist aber mit erheblichen Nachteilen verbunden.“

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