Bei der ganzheitlichen Planung von Energiesystemen, die Photovoltaik und Wärmepumpen kombinieren, tauchen viele Fragen auf: Wie beeinflussen Dachart, Dachneigung und -ausrichtung den Ertrag, die Autarkie und den Eigenverbrauch? Wie hoch kann der Eigenverbrauch sein und welche Faktoren sind dafür entscheidend? Antworten gibt im Einzelfall eine simulationsgestützte Auslegung – hier beispielhaft für typische Situationen im Gebäudebestand.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Die Wirtschaftlichkeit eines Photovoltaik-Projekts hängt grundlegend von den nutzungs- und standortspezifischen Möglichkeiten sowie dem Anteil des lokal verbrauchten Stroms ab.
■ Simulationssoftware ermöglicht es, diese Faktoren zu berücksichtigen und die Photovoltaik-Anlage im Zusammenspiel mit Wärmepumpen und Elektromobilität optimal zu planen.
■ Über die Simulation können Planungs- und Ingenieurbüros konkrete Projekte mit unterschiedlichen Systemen schnell und transparent für eine kosteneffiziente und zukunftssichere Umsetzung optimieren.
Die optimale Nutzung von Dachflächen zur Nutzung erneuerbarer Energien und insbesondere zur dezentralen Stromerzeugung mit gebäudenahen Photovoltaik-Anlagen ist entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Und mit der Umsetzung des Nullemissionsgebäudes als neuen Standard der EU-Gebäuderichtlinie in nationales Recht dürfte die Solarisierung von Dachflächen zumindest indirekt verpflichtend werden.
Um das gesetzliche Ziel von zusätzlichen mindestens 215 GW (Mio. kW) installierter Photovoltaikleistung in Deutschland bis 2030 zu erreichen, ist ein durchschnittlicher Zubau von 19 GW pro Jahr erforderlich. Dachflächen sind hierbei von besonderer Bedeutung, da sie im Vergleich zu Freiflächen weniger in Konkurrenz zu anderen Nutzungen stehen und daher eine attraktive Option bieten. Insgesamt waren in Deutschland Ende August 2024 rund 4,5 Mio. Solarstromanlagen mit einer Peak-Leistung von etwa 93 GW in Betrieb. 2025 sollen 18 GW und ab 2026 jährlich 22 GW Solarstromleistung neu installiert werden. Der Zubau soll sich etwa zur Hälfte aus Freiflächen und zur anderen Hälfte aus Dachanlagen ergeben. In Deutschland gibt es rund 19,5 Mio. Wohn- und etwa 2 Mio. Nichtwohngebäude.
Dachflächen für die Energiewende
Bei der ganzheitlichen Planung von Energiesystemen, die Photovoltaik (PV) und Wärmepumpen (WP) kombinieren, tauchen viele Fragen auf: Wie beeinflussen Dachart, Dachneigung und -ausrichtung den Ertrag, die Autarkie und den Eigenverbrauch? Wie hoch kann der Eigenverbrauch sein und welche Faktoren sind dafür entscheidend? Mit einer Simulationssoftware lassen sich verschiedene Szenarien durchspielen, um das optimale Ergebnis für den jeweiligen Fall zu finden.
Zu den wichtigsten Faktoren, die in der Simulationssoftware berücksichtigt werden, gehören unter anderem:
● Standort
● verfügbare Flächen und ihre Verschattung
● Dachform, Ausrichtung und Neigung
● Vertriebsmodell des PV-Stroms, z. B. Mieterstrom
● Modulwirkungsgrad
Vor allem die für die Photovoltaik zur Verfügung stehende Fläche und ihre Ausrichtung und Neigung haben einen wesentlichen Einfluss. So bestimmt die Art des Daches, in welchem Umfang eine Belegung mit Photovoltaik möglich und sinnvoll ist. Per Simulationssoftware kann dann unter Berücksichtigung weiterer Parameter individuell die optimale Auslegung ermittelt werden.
Fallbeispiel: Ost-West- oder Südanlage?
Kennwerte aus Fallbeispielen können für mehr Klarheit sorgen. Da die Einflussfaktoren je nach Standort variieren, kann die Simulation konkrete Fragen beantworten. Das folgende Beispiel verdeutlicht, wie spezifische Fragestellungen für ein bestimmtes Projekt geklärt werden können.
Ost-West- oder Südausrichtung? Analysiert wurde ein vermietetes Mehrfamilienhaus in Berlin mit einer Flachdachfläche von 380 m2 und einer Gebäudeausrichtung von 23,5° Ost. Weitere Parameter sind:
● Nutzungsart: Wohngebäude mit 16 Wohneinheiten
● Dämmstandard: Neubau nach KfW 55
● Nutzfläche: 1440 m2 verteilt auf vier Stockwerke
● Haushaltstromverbrauch jährlich: 40 000 kWh, bzw. 2500 kWh pro Wohneinheit
● Allgemeinstrom jährlich: 4000 kWh, bzw. 250 kWh pro Wohneinheit
● Warmwasserverbrauch pro Tag: 3000 l mit 60 °C
● Pufferspeichergröße Warmwasser: 4000 l
● Pufferspeichergröße Heizung: 8000 l
● Nenn-Heizleistung der Wärmepumpe: 36 kW
Die Simulation ermittelt den jährlichen Stromverbrauch der Wärmepumpe basierend auf Standort, Gebäudedaten und Warmwasserverbrauch. In diesem Beispiel beträgt der Stromverbrauch 27 845 kWh. Mit der Planungssoftware lässt sich über ein 3D-Gebäudemodell die Anzahl der möglichen PV-Module je nach Aufständerungstyp bestimmen. Bei Ost-West-Ausrichtung passen 110 Module mit einer Gesamtleistung von 44 kWp auf die Dachfläche, bei Süd-Ausrichtung sind es 76 Module mit einer Leistung von 30,4 kWp.
Die Simulationsergebnisse zeigen, dass das Süd-System mit einem PV-Ertrag von 28,7 MWh einen solaren Deckungsgrad von 17,4 % erzielt. Im Vergleich dazu erreicht das Ost-West-System bei einem PV-Ertrag von 39,8 MWh einen solaren Deckungsgrad von 21,7 %.
Der Einfluss des Betriebsmodus auf den Eigenverbrauch
Im Beispielfall hängt der Eigenverbrauch neben dem Aufständerungssystem maßgeblich von der Betriebsweise der PV-Anlage ab. Grundsätzlich sind drei Betriebsmodi möglich:
1. Mieterstrommodel
2. PV-Strombezug von Wärmepumpe und Allgemeinstrom
3. PV-Strom wird vollumfänglich in das Netz eingespeist
Alle drei Betriebsweisen können durch Simulation abgebildet und hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit verglichen werden. Somit schafft Simulation die notwendige Transparenz zur Analyse. Im Betriebsmodus 3 mit Volleinspeisung, ist der Eigenverbrauch definitionsgemäß null, der Fall jedoch für die Kombination mit einer Wärmepumpe ais wirtschaftlicher Sich interessant.
Betriebsmodus 1 – Mieterstrommodell
Im Rahmen des Mieterstrommodells können sowohl die Wärmepumpe, der Allgemeinstrom als auch die Haushaltprofile für den Eigenverbrauch in Betracht gezogen werden. Die Wirtschaftlichkeit des Modells ist jedoch von den teilnehmenden Parteien in einem Mehrfamilienhaus abhängig. Denn je mehr Parteien den in der Regel auch für sie günstigeren Photovoltaikstrom vom Betreiber abnehmen, desto lukrativer wird es.
Der Hintergrund ist, dass Anlagenbetreiber den selbst erzeugten Strom zu einem höheren Preis an die Mieter verkaufen können, als sie ihn bei einer Einspeisung ins öffentliche Netz erhalten würden. Das Mieterstrommodell ist darum besonders attraktiv und wirtschaftlich vorteilhaft, da der direkt genutzte Strom einen höheren Ertrag generiert. Das Eigenverbrauchsverhältnis ist mit 50,3 % im Ost-West-System und 60,6 % im (kleineren) Südsystem am höchsten.
Betriebsmodus 2 – PV-Strombezug von Wärmepumpe und Allgemeinstrom
Die Wärmepumpe und der Allgemeinstrom kommen für den Eigenverbrauch infrage. Da die Photovoltaik in den Sommermonaten den meisten Ertrag abwirft und die Heizung vor allem in den Wintermonaten und der Übergangszeit Strom bezieht, beträgt das Eigenverbrauchsverhältnis lediglich 19,1 % mit dem Ost-West-System und 22,1 % bei der Süd-Aufständerung.
Simulationen als Basis für Wirtschaftlichkeitsberechnungen
Mithilfe der Simulation können die relevanten Daten für die Wirtschaftlichkeitsberechnungen ermittelt werden, insbesondere in Bezug auf den Eigenverbrauch. Unter den Annahmen von 1000 Euro/kWp Investitionskosten, einem Kalkulationszinssatz von 4 %, einer Einspeisevergütung von 8 Ct/kWh und einem Direktverbrauchspreis von 30 Ct/kWh erreichte das (größere) Ost-West-System im Mieterstrommodell den höchsten Nettobarwert.
Optimierungsmöglichkeiten: Laden, speichern, Wärme erzeugen
Wie die bisherigen Beispiele zeigen, bietet die Simulation bereits bei einfachen Anwendungsfällen transparente Einblicke in Ertragschancen und in die Wirtschaftlichkeit. Darüber hinaus können weitere Optimierungsmöglichkeiten untersucht werden, wie die Einbindung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, die Erhöhung des Eigenverbrauchs durch Batteriespeicher und die gezielte Nutzung von PV-Überschüssen in Wärmepumpensystemen.
Integration von Ladestationen für Elektrofahrzeuge: Über Simulationen kann ermittelt werden, wie Ladestationen effektiv in ein bestehendes Energiesystem eingebunden werden können, um den Eigenverbrauch von selbst erzeugtem Strom zu maximieren.
Erhöhung des Eigenverbrauchs durch Batteriespeicher: Der Einsatz von Stromspeichern kann den solaren Deckungsgrad und den Eigenverbrauch erhöhen. Überschüssiger Strom wird gespeichert und bei Bedarf genutzt. Simulationen ermitteln die optimale Speichergröße und Einsatzstrategie.
Nutzung von PV-Überschüssen in Wärmepumpen: Durch die gezielte Nutzung von PV-Überschüssen durch die Wärmepumpe kann ihr Netzbezug optimiert werden. Simulationen analysieren dazu die optimalen Betriebszeiten, um den Photovoltaikertrag möglichst voll auszuschöpfen.
Erhöhung des solaren Deckungsgrades
Anhand des Praxisbeispiels lassen sich Optimierungsmöglichkeiten identifizieren, die eine sinnvolle Nutzung von PV-Überschüssen in der Wärmepumpe ermöglichen. Für die Optimierung gibt es verschiedene Strategien, wie Prof. Dr. David Zogg anhand von Simulationen und praktischen Erfahrungen aufzeigt [1].
Eine effektive Methode ist es, die Temperaturen im Vorlauf, im Gebäude und im Trinkwasserspeicher in den Nachmittagsstunden pauschal anzuheben. PV-Überschussstrommengen können so auf einfache Weise genutzt werden, indem die Wärmespeicherfähigkeit des Gebäudes, des Pufferspeichers und des Trinkwasserspeichers ausgenutzt wird. Nachts wird die gespeicherte Wärme genutzt und die Wärmepumpe muss entsprechend weniger Leistung erbringen. Bei Luft/Wasser-Wärmepumpen wird der effizienzmindernde Effekt der höheren Senkentemperatur teilweise durch die höhere Quellentemperatur gegenüber der „Ausspeicherphase“ kompensiert. Die Simulation zeigt hier im Einzelfall, welcher Zeitraum für die Pauschalanhebung ideal ist und wie sich dies auf den Eigenverbrauch auswirkt.
Auch lassen sich mit der Simulation komplexe Energiemanagementsysteme abbilden. Eine weitere Optimierung kann durch die drehzahlgeregelte Ansteuerung der Wärmepumpe und die gezielte Umwandlung von PV-Überschüssen in Wärme erreicht werden. Auch in diesem Fall wird die Wärmespeicherfähigkeit des Gebäudes, des Pufferspeichers und des Trinkwasserspeichers genutzt. Raumtemperatur(sollwert), Heizkurve und Temperatur des Frischwasserspeichers werden bei PV-Überschuss angehoben. Die Wärmepumpe wird in diesem Fall so geregelt, dass sie im Teillastbereich arbeitet und möglichst nur den PV-Überschuss verbraucht.
Die Simulationsergebnisse zeigen, dass mit der pauschalen Erhöhung der Temperaturen der Stromverbrauch vergleichbar bleibt und der Autarkiegrad auf 41,6 % im Ost-West-System bzw. 33,4 % im Südsystem gesteigert werden kann. Darüber hinaus kann durch den Einsatz einer drehzahlgeregelten Wärmepumpe mit gezielter PV-Überschussnutzung der Netzstromverbrauch gesenkt und der Autarkiegrad auf 45,7 % im Ost-West-System bzw. 37,6 % im Südsystem gesteigert werden.
Simulationsergebnisse zeigen die beachtlichen finanzielle Vorteile
Angenommen, der Betrieb der Wärmepumpe und der Ost-West PV-Anlage erfolgt aus einer Hand und der Betreiber erhält für den PV-Ertrag eine Einspeisevergütung von 8 Ct/kWh und bezieht den fehlenden Strom für 35 Ct/kWh aus dem Netz. Jährlich kann er so bei der Wärmebereitstellung im Beispiel mit der pauschalen Erhöhung 2211 Euro und mit der drehzahlgeregelten Wärmepumpe 3538 Euro einsparen.
Maßgeblich ist die Differenz zwischen dem Strompreis für den Netzbezug und der Einspeisevergütung von hier 27 Ct/kWh. Zurzeit ist sie bei Neuverträgen je nach Anschlussart (als steuerbare Verbrauchseinrichtung nach Modul 1 oder Modul 2) deutlich geringer, mittelfristig wird sie aber steigen.
Bei neu installierten Photovoltaik-Installationen wird sie sich durch die planmäßig sinkende Einspeisevergütung und potenziell steigende Kosten für den Netzbezug erhöhen. Wird künftig auch kleinere Photovoltaik-Anlagen die Ausspeisung bei Erzeugungsspitzen limitiert, kann dies die Differenz im Jahresmittel erhöhen.
Auf einen Blick: Was sollte eine Simulationssoftware können?
Eine Simulationssoftware muss die Optimierungspotenziale im Zusammenspiel von Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen identifizieren. Zu den wichtigsten Funktionen gehören:
● Kopplung von thermischen und elektrischen Systemen: Das Tool sollte die gleichzeitige Berechnung und Analyse elektrischer und thermischer Systeme ermöglichen, um eine umfassende Übersicht über das gesamte Energiesystem zu bieten.
● Simulierung intelligenter Steuerungen: Es sollte möglich sein, intelligente Steuerungsmechanismen für Wärmeerzeuger, Batteriespeicher und Elektrofahrzeug-Ladestationen zu simulieren. Dadurch können die Vorteile von Energiemanagementsystemen und Optimierungsstrategien bereits in der Planungsphase bewertet werden.
● Prognose und Szenarioanalyse: Die Möglichkeit, verschiedene Szenarien und Annahmen zu simulieren, ist entscheidend, um die beste Lösung für spezifische Projektbedingungen zu finden.
Vorteile durch Planung mit Simulation
Der Einsatz von Simulations-Tools ermöglicht eine passgenaue Dimensionierung von Komponenten, sodass auch hier Investitionskosten eingespart werden. Damit unterstützen sie Planungs- und Ingenieurbüros bei der Beratung von Bauherren, Investitionsentscheidungen fundiert zu treffen. Zudem tragen sie zur Entwicklung der bestmöglichen Betriebsstrategie für die Steuerung der Wärmepumpe bei – für eine kosteneffiziente und zukunftssichere Umsetzung des Projekts. Gleichzeitig liefern Simulationen Kennwerte, mit den sich die realen Betriebsergebnissen überprüfen lassen sowie Abweichungen eingeordnet und Einstellungen bei Bedarf oder eingetretenen Änderungen optimiert werden können.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Wärmepumpe
Literatur
[1] Zogg, David: Anleitung zu den Polysun-Vorlagen „Wärmepumpen mit Photovoltaik-Optimierung“. Untersiggenthal: Smart Energy Engineering, August 2022, PDF-Download auf smart-energy-engineering.ch