Kompakt informieren
- Die VDI-Richtlinie 4700 Blatt 1 soll bei der künftigen Bearbeitung des TGA-Regelwerks für eine zweifelsfreie Verwendung von Fachbegriffen sorgen.
- Das Beispiel „Klimaanlage“ zeigt jedoch, dass dieser Anspruch nicht allein durch das Zusammentragen von „anerkannten“ Begriffsdefinitionen aus dem vorhandenen Regelwerk gelingen kann.
Der Entwurf der VDI-Richtlinie 4700 Blatt 1 „Begriffe der Bau- und Gebäudetechnik“ [1] gilt für die Bearbeitung von Regelwerken der Technischen Gebäudeausrüstung. Mit 210 Seiten ist er sehr umfangreich und enthält im Anhang ein Kompendium der jeweils gültigen Regeln der Technik, auf die bei den Begriffen Bezug genommen wurde.
Die Richtlinie soll bewirken, dass bei der Ausarbeitung von technischen Regeln für das jeweilige Gewerk gleichlautende Benennungen (Begriffe) verwendet werden, um eine einheitliche Aussage zu erzielen. Sie soll außerdem als Informationsquelle dienen, damit gleiche Begrifflichkeiten bei der Planung, der Begutachtung und dem Betrieb von TGA-Anlagen sowie bei wissenschaftlichen Auseinandersetzungen verwendet werden; zudem soll sie Juristen das Verständnis für die Textinhalte der Regelwerke erleichtern.
Erstes umfassendes Kompendium
Den beteiligten Autoren und an der Entstehung der Richtlinie Beteiligten ist dafür zu danken, dass es gelungen ist, aus dem umfangreichen Fachgebiet der TGA das erste umfassende Kompendium von Begriffsdefinitionen zu erstellen, wobei sie sich (auch) auf das bestehende Regelwerk stützen konnten: „In der Richtlinie sind in Regelwerken anerkannte Begriffe […] aufgeführt“. An mehreren Stellen entsteht jedoch gerade aus dieser Vorgehensweise Korrekturbedarf, die Begründung liefert die Einleitung zu VDI 4700-1 selbst:
„Für die Planung, die Bauausführung, die Ausstattung und das Betreiben von Gebäuden gelten die unterschiedlichsten Vorschriften, Normen und Richtlinien. Diese werden von einer Vielzahl von Ausschüssen und Arbeitskreisen nach deren Kompetenz und Verständnis verfasst. In ihrer Gänze gehören sie zu den ‚allgemein anerkannten Regeln der Technik‘ und müssen bzw. sollen beachtet und angewendet werden. Ein nicht zu unterschätzendes Problem besteht dabei darin, dass in den Regelwerken häufig unterschiedliche Benennungen (Synonyme) für sinnverwandte Begriffe verwendet werden und gleichlautende Benennungen (Homonyme) in unterschiedlichen Bereichen jeweils andere Bedeutungen (Begriffe) haben können. Daher sind Missverständnisse und falsche Handlungen nicht auszuschließen. Insbesondere unter der Betrachtung, dass zunehmend Juristen über tatsächliche oder vermeintliche Fehlinterpretationen von Ingenieuren entscheiden, ist es erforderlich, dass Benennungen und deren Begriffsdefinitionen in den Regelwerken im richtigen Kontext und einheitlich verwendet werden.“
Negativbeispiel „Klimaanlage“
Durch den Rückgriff auf vorhandene Begriffsdefinitionen kann es somit nicht ausbleiben, dass TGA-Fachleute eine andere Auffassung zu diesen haben – und im Entwurfsstadium von VDI 4700 sollte dies auch für rege Diskussion genutzt werden. Denn damit die gewählten Begriffsdefinitionen wirklich dem eingangs ausgeführten Anspruch genügen können, muss beispielsweise für die Raumlufttechnik bei den Begriffen „Klimaanlage“ und „Raumkühlsystem“ noch nachgebessert werden. Denn hinsichtlich der Begriffe
- Klimaanlage: „Kombination sämtlicher Bauteile, die für eine Form der Luftbehandlung (Klimatisierung) erforderlich sind, bei der die Temperatur möglichst mit der Belüftung, der Feuchte und der Luftreinheit geregelt wird“ (in Anlehnung an DIN EN 15249 [3]) und
- Raumkühlsystem: „Vorrichtung, die in der Lage ist, die Behaglichkeitsbedingungen in einem Raum innerhalb eines definierten Bereichs zu halten“ (in Anlehnung an DIN EN 13779 [4] wobei hier die Anmerkung steht: „Dieser Begriff umfasst Klimaanlagen und flächenorientierte Systeme“)
wurde die Erwartung einer klaren Definition enttäuscht.
„Klimaanlage“ ab 2004 verwässert…
Dabei war der Begriff „Klimaanlage“ in der Lüftungs- und Klimabranche für den deutschsprachigen Raum bis zum Jahr 2004 eindeutig geregelt. Die Definition befand sich in DIN 1946-1: „Klimaanlage: RLT-Anlage mit Lüftungsfunktion und mit vier thermodynamischen Luftbehandlungsfunktionen“.
DIN 1946-1 wurde im Jahr 2004 durch die Europäische Normung von DIN EN 12792 abgelöst. Auch da war die Definition noch in Ordnung; zumindest in der deutschsprachigen Version. Eine Klimaanlage war definiert als „Kombination sämtlicher zur Klimatisierung erforderlicher Bauelemente“ in Verbindung mit „Klimatisierung: Form der Luftbehandlung, bei der Temperatur, Luftfeuchte, Lüftung und Luftreinheit geregelt werden; wenn irgendeine dieser Eigenschaften (mit Ausnahme der Luftförderung) nicht gesteuert/geregelt wird, wird die Anlage als Teilklimaanlage bezeichnet.“. Auch in der Ausgabe Oktober 2003 von DIN EN 13779 wird nur dann von einer Raumklimaanlage gesprochen, wenn alle anlagengeregelten Funktionen (Heizen, Kühlen, Befeuchten, Entfeuchten) enthalten sind.
Das sprachliche Dilemma entstand spätestens mit der Ausgabe September 2007 von DIN EN 13779. Darin gibt es nur noch die Definition eines Raumkühlsystems als eine Vorrichtung, die in der Lage ist, die Behaglichkeitsbedingungen in einem Raum innerhalb eines definierten Bereichs zu halten – jedoch die Anmerkung, dass dieser Begriff Klimaanlagen und flächenorientierte Systeme umfasst. Von Be- und Entfeuchten ist keine Rede mehr, da flächenorientierte Systeme in der Regel nur die Temperatur beeinflussen können.
…mit Folgen bis zum Planungshonorar
Seitdem ziehen sich diese Ungereimtheiten durch viele (alle) Normen. Eine Klimaanlage nach DIN EN 15240 ist nur noch eine Kombination sämtlicher Bauteile, die für eine Form der Luftbehandlung erforderlich sind, bei der die Temperatur möglichst gemeinsam mit der Befeuchtung und der Luftreinhaltung geregelt wird. Diese Definition setzt sich in dem im Mai 2013 erschienenen Entwurf von DIN EN 15603 fort.
Mit DIN SPEC 13779 [5] wurde 2009 versucht, national die ursprüngliche Sprachregelung zu dokumentieren, um auch die Problematik der Inspektion von Klimaanlagen eindeutig zu regeln Abb. 2. Jedoch schon beim Entwurf von DIN SPEC 15240 [6] zur Energetischen Inspektion von Klimaanlagen wurde dies im Jahr 2012 teilweise ignoriert.
Weiterhin gibt es mit der unklaren Definition ein Problem bei der Kostenzuordnung nach DIN 276, wo es die Kostengruppen 431 Lüftungsanlagen, 432 Teilklimaanlagen und 433 Klimaanlagen gibt. Mit Folgen für die Höhe des Planungshonorars beziehungsweise die Vorlage einer korrekten Honorarrechnung.
Fazit
- Mit dem Entwurf für VDI 4700-1 liegt ein umfangreiches Kompendium für Begriffe der Technischen Gebäudeausrüstung vor.
- Die TGA-Branche ist nun aufgerufen, durch Hinweise und konstruktive Änderungsvorschläge zu einer guten Richtlinie beizutragen.
- Im Sinne der Rechtssicherheit sollte es dringend gelingen, die ursprüngliche Definition einer Klimaanlage (aus DIN 1946-1) in den Nationalen Anhang der DIN EN 13779 bzw. in der VDI-Richtlinie 4700 Blatt 1 festzuschreiben. Schon 2004 bestanden offensichtlich Zweifel, noch heute kann man im Einführungsbeitrag von DIN EN 12792 auf <a href="http://www.beuth.de" target="_blank">http://www.beuth.de</a> nachlesen: „Die Erfahrung wird zeigen, ob DIN 1946-1 als sogenannte Restnorm neu aufgelegt werden muss.“
- Ob Restnorm, Nationaler Anhang oder VDI 4700 Blatt 1 – die Branche braucht dringend eindeutige und fachlich richtige Begriffsdefinitionen! Wie wichtig dies ist, zeigt auch die problematische Benutzung des Begriffs Klimaanlage im Ordnungsrecht (EU-Gebäuderichtlinie und Energieeinsparverordnung).
Weitere Fachberichte über Neuerungen im TGA-Regelwerk sowie Hinweise auf neu erschienene Regelwerke enthalten die TGAdossiers Regelwerk und Regelwerk-Update: Webcode 723 bzw. 728
Literatur
[1] VDI 4700 Blatt 1 (Entwurf) Begriffe der Bau- und Gebäudetechnik. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2013; Einspruchsfrist: 31. März 2014, http://www.vdi.de/4700-1
[2] Trogisch, A.: Definition des Begriffs „Klimaanlage“. Heidelberg: Hüthig, KI 11-2013
[3] DIN EN 15240 Lüftung von Gebäuden – Gesamteffizienz von Gebäuden – Leitlinien für die Inspektion von Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag August 2007
[4] DIN EN 13779 Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag, September 2007
[5] DIN SPEC 13779 Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme – Nationaler Anhang zur DIN EN 13779:2007-09. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2009
[6] DIN EN SPEC 15240 (Entwurf) Lüftung von Gebäuden – Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Energetische Inspektion von Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2012, ersetzt durch DIN EN SPEC 15240 (Weißdruck), Oktober 2013
[7] DIN EN 12792 Lüftung von Gebäuden – Symbole, Terminologie und graphische Symbole. Berlin: Beuth Verlag Januar 2004
- Im Dezember 2013 wird der Branche übrigens VDI 4700 Blatt 3 „Begriffe der Bau- und Gebäudetechnik – Formelzeichen (Schwerpunkt Raumlufttechnik)“ vorgelegt. •
Prof. Dr.-Ing. (em.) Achim Trogisch
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fakultät Maschinenbau / Verfahrenstechnik, Lehrgebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89, trogisch@mw.htw-dresden.de, https://www.htw-dresden.de/