„Für mich steht fest, dass erst über die Nutzung unserer Gasinfrastruktur und neuer Gastechnologien die regenerativen Energien nachhaltig in unsere Energiesysteme integriert werden können“, betonte Dr. Jürgen Lenz, DVGW-Vizepräsident Gas, anlässlich der 49. gat, der Gasfachlichen Aussprachetagung, am 30. November 2010 in Stuttgart. Aus Sicht von Lenz bietet Gas dabei drei vielversprechende Ansatzpunkte:
- Seine Flexibilität und hohe Energiedichte ergänzen ideal die hochvolatile Windenergie und Photovoltaik.
- Die bestehende Gas-Technologievielfalt kann für die Verwendung erneuerbarer Energien fit gemacht werden (Gas-Plus-Technologie).
- Zudem kann Gas im Rahmen einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung für die Stromproduktion genutzt werden.
Erneuerbare Energie gasförmig speichern
Die sowohl von der EU als auch im Energiekonzept der Bundesregierung gewünschte Zunahme der regenerativen Stromerzeugung ändert die Versorgungsstrukturen grundlegend: von einer verbrauchs- hin zu einer angebotsgesteuerten Struktur. Entscheidend ist daher der Aufbau von Speichertechnologien für die erfolgreiche Integration der erneuerbaren Energien. Das deutsche Gasnetz transportiert mit ca. 1000 Mrd. kWh/a Energie etwa die doppelte Energiemenge des Stromnetzes (rund 540 Mrd. kWh).
Lenz: „Unser Ansatz ist es, aus überschüssigem regenerativ erzeugten Strom mittels Elektrolyse Wasserstoff zu produzieren und diesen direkt in das Gasnetz einzuspeisen. Das ist übrigens nichts grundsätzlich Neues; im Stadtgas, immerhin bis in die 1990er-Jahre bei uns im Einsatz, lag der Wasserstoffgehalt bei rd. 50 %. „Mit einem solchen Konzept kann aus meiner Sicht auch eine wirtschaftliche Lösung realisiert werden. Denn der Netz- und Speicherausbau auf der Stromseite dürfte bei Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur deutlich geringer ausfallen. Auf der Anwendungsseite erfolgt die Rückumwandlung in Strom dann idealerweise über eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung, aber in stromgeführter Fahrweise. Diese Anlagen sind Teil eines Smart Grid und wirken so stabilisierend auf das Stromnetz.“
Alternative / Ergänzung zur Gebäudemodernisierung
Eine Erhöhung der Effizienz soll durch die Nutzung der Abwärme bei der Stromerzeugung realisiert werden. Dazu sollen Wärmesenken identifiziert und auch neue Ideen entwickelt werden, nach Ansicht von Lenz gegebenenfalls auch durch die Substitution von Stromwärme. Diese Wärmegutschriften könnten sich zusätzlich dämpfend auf den baulichen Dämmaufwand auswirken. Insofern ergebe sich hieraus eine echte Alternative bzw. sinnvolle Ergänzung für die energetische Sanierung des Gebäudebestandes unter Klimagesichtspunkten auf Basis des Energieträgers Gas.
DVGW-Innovationsoffensive
Mit den „Gas-Plus-Technologien“ – Brennwert und Solar sowie Gaswärmepumpe – sieht Lenz die Branche aktuell und in der nahen Zukunft gut aufgestellt. Dezentrale KWK mit hohen Stromwirkungsgraden und in stromgeführter Form mit entkoppelter Wärmenutzung würden jedoch eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Auch Biogas ist in diesem Konzept fest verankert. Als mittlerweile elementarer Bestandteil des Gasversorgungssystems sorge es für eine weitere Reduktion der CO 2 -Emissionen. Zudem ist Bio-Erdgas in allen Erdgas-Technologien einsetzbar. Die Ansätze werden im Rahmen der DVGW-Innovationsoffensive in verschiedenen Forschungsclustern untersucht; erste Ergebnisse wurden auf der gat 2010 in Stuttgart vorgestellt.
Mit der Innovationsoffensive setzt der DVGW auf die Erkenntnis, dass sich Gas nicht mehr nur auf den Wärmemarkt orientieren kann, sondern sich völlig neu positionieren muss. „Gas wird sich als wichtiger Teil eines Energie-Gesamtkonzeptes verstehen müssen und damit eine höhere Wertschöpfung erzielen, als nur Wärme zu produzieren“, ist der DVGW-Vizepräsident Gas überzeugt, und nur so können die langfristigen politischen Ziele zu Klimaschutz und CO 2 -Reduzierung erreicht werden.“
Kommentar der TGA-Redaktion
Eine Neupositionierung der Gasbranche ist zu begrüßen. Auch wenn die Botschaft der Branche aus verständlichen Gründen eine andere ist, ist das Zeitfenster für Brennwert und Solar sowie die Gaswärmepumpe in der Breitenanwendung ziemlich begrenzt. Zudem fehlt eine offensive Integration der Elektro-Wärmepumpe in das Gesamtkonzept, denn vor Ort wird sich Erdgas in den nächsten Jahren an ihr messen müssen. Ansätze beide Technologien in einem Gesamtkontext zu vereinen, sind technisch und wirtschaftlich vorhanden.
Fast schon tragisch ist, dass die Branche mit ihren Ideen dem Energiekonzept der Bundesregierung hinterherlaufen muss, denn Erdgas hat dort keine tragende Rolle enthalten, obwohl dem Energieträger in mehreren Studien genau diese zuerkannt wird. So zeigt beispielsweise eine von Greenpeace beim Wuppertal Institut beauftragte Studie, dass der Umbau des deutschen Energiesystems allein durch einen verstärkten Einsatz von Erdgas bei der Stromerzeugung funktioniert. Der dafür erforderliche Mehrbedarf des Brennstoffs soll über Effizienzmaßnahmen im Wärmesektor gewonnen werden, um gleichzeitig die Emissionen zu reduzieren. Eine phantastische Synergie: Die deutsche Stromerzeugung wäre abhängig vom Fortschritt der Gebäude- und Heizungsmodernisierung. Eine wirkungsvollere Triebfeder kann man sich kaum vorstellen. Jochen Vorländer