Deutschland beherbergt in Bibliotheken und Archiven unersetzliche kulturhistorische Schätze von unvorstellbarem Wert. Sie zu schützen und für künftige Generationen zu bewahren, ist eine wichtige Aufgabe. Umso mehr wurde die Öffentlichkeit am Abend des 2. September 2004 von dem Brand in der Bibliothek Herzogin Anna Amalia in Weimar aufgeschreckt. Bei einem der größten Bibliotheksbrände seit dem 2. Weltkrieg wurde das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Ensemble des Rokokosaals und Bücherturms durch Feuer und Löschwasser beschädigt, das Obergeschoss und die Mansarde gänzlich zerstört. Bei dem Brand wurden viele wertvolle historische Schriften, beispielsweise von Goethe und Schiller, vernichtet oder beschädigt. Die historische Bausubstanz bot dem Feuer ideale Bedingungen für eine schnelle und ungezügelte Ausbreitung. Fast genauso problematisch für das Inventar: das Löschwasser.
Wassernebel statt Wasser
Während sich ein Feuer nie gänzlich ausschließen lassen wird, können seine Ausbreitung und ihre Folgen jedoch mit unterschiedlichen Maßnahmen minimiert werden. So erhielten mit dem Wiederaufbau der Bibliothek der Rokokosaal, der Sonderlesesaal, die Räume der Sonderbuchbestände, die Technikzentrale im Haupthaus sowie der angrenzende Bücherturm eine automatische Hochdruckwassernebel-Löschanlage (HI-FOG, Marioff).
Die Installation anderer Wasserlöschsysteme schied aufgrund der höheren Löschwassermenge sowie dem für die Bausubstanz nicht vertretbaren Installationsaufwand aus. Ausschlaggebend für den Einsatz des HI-FOG-Systems waren der sehr geringe Löschwasserbedarf, der minimale Installationsaufwand unter Verwendung kleinster Rohrdimensionen von nur 12 bis 38 mm Außendurchmesser, die effektive Rauchgasbindung und Rauchgasreinigung sowie eine ohne Fremdenergie arbeitende Hochdruckpumpe mit Druckluftantrieb.
Wassernebel mit vielen Vorteilen
Mit dem HI-FOG-Löschsystem, das unter hohem Druck (über 35 bar) einen feinen Wassernebel mit kleinsten Wassertröpfchen freisetzt, verfügt die Bibliothek über ein effizientes Löschsystem. Seit nahezu zwei Jahrzehnten wird es weltweit eingesetzt, denn es bietet entscheidende Vorzüge: Die gasähnliche Ausdehnung des Hochdruckwassernebels garantiert, dass auch schwer zugängliche Stellen erreicht werden. Bei den vielen Sprühbehinderungen der stark verwinkelten, historischen Innenarchitektur der Bibliothek Herzogin Anna Amalia ein enormer Vorteil. Die Löschwassermenge beträgt dabei nur 10 % der Wassermenge einer vergleichbaren konventionellen Sprinkleranlage.
Darüber hinaus senkt der Hochdruckwassernebel sehr schnell die Brandtemperaturen und absorbiert die Wärmestrahlung. Dadurch wird zum einen die Brandausbreitung gehemmt, zum anderen können die Rettungs- und Löschkräfte sehr dicht am Brandherd arbeiten, ohne die Hitze zu spüren. Zudem werden die entstandenen Rauchgase sowie Rauchpartikel zu einem großen Teil gebunden und aus der Luft ausgewaschen. Die Bindung der Rauchpartikel verhindert eine weitere Ausbreitung und Schädigung des Inventars.
Durchgeführte Löschversuche erbrachten den Nachweis einer minimalen Belastung für Bücher und Druckschriften durch den Wassernebel. Trotzdem werden häufig Vorbehalte wegen Wasserschäden geäußert, oft auch von „Fachleuten“. Angesichts der Wasserschäden im Brandfall bzw. des Totalverlusts ohne entsprechenden Schutz ist das allerdings eine unlogische Argumentation.
Einbau des HI-FOG-Systems
Durch die kleinen Rohrdimensionen und das geringe Gewicht war es in Abstimmung mit den Verantwortlichen des Denkmalschutzes und den Restauratoren möglich, die HI-FOG-Löschanlage in die vorhandene historische Innenarchitektur zu integrieren. So wurde das Edelstahl-Rohrnetz einschließlich der Hochdruck- Sprinkler in den Holzverkleidungen und Bücherregalen installiert, ohne das Gesamtbild der Bibliothek zu beinträchtigen. Letztendlich führte auch die überaus gute Zusammenarbeit aller an der Restauration beteiligten Fachleute und Spezialisten zu einer weit über die Ländergrenzen beachteten Leistung.
Für ein Maximum an Sicherheit wurde das HI-FOG-Löschsystem als vorgesteuerte Trockenanlage konzipiert. Das Rohrnetz selbst ist mit Luft gefüllt und wird über eine automatische Brandmeldeanlage in Zwei-Melder-Abhängigkeit aktiviert. Mit der Aktivierung über die Brandmeldeanlage wird die Löschanlage in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Erst wenn zusätzlich zum detektierten Rauch eine bestimmte Temperatur erreicht wird, kommt es zu einer punktuellen Freisetzung von Wassernebel durch das Schmelzen des Glasfasses des Hochdruck-Sprinklers.
Die voneinander unabhängigen Auslösekriterien für die Löschanlage verhindern eine Fehlauslösung. Die versehentliche oder mutwillige Zerstörung eines Hochdruck-Sprinklers oder eine Fehlauslösung durch die Brandmeldeanlage führen somit nicht zwangsläufig zur Aktivierung der Löschanlage. Thomas Knaak