Gegenüber dem potenziellen Heizen mit Wasserstoff ist das GEG 2024 weit mehr als technologieoffen: Ist die geplante Umstellung eines Gasverteilernetzes innerhalb eines ausgewiesenen Wasserstoffnetzausbaugebiets offiziell genehmigt, wird für daran angeschlossene Erdgas-Heizungen, die auf die Verbrennung von 100 % Wasserstoff umrüstbar sind, die 65-%-EE-Pflicht bis zur Netzumstellung auf Wasserstoff ausgesetzt. Die Hoffnung auf das H2-ready-Privileg dürfte dazu führen, dass ab 2024 neue Gas-Heizungen vermehrt mit der Anforderung 100-%-H2-ready nachgefragt werden.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Das H2-ready-Privileg im GEG 2024 hat das Potenzial, die Nachfrage nach Gas-Heizungen zu verändern. Es könnte sogar Anfang 2024 in diesem Teilsegment einen Modernisierungsstau verursachen.
■ Ob man von dem H2-ready-Privileg profitieren kann, wird sich frühestens mit der offiziellen Vorlage der grundstücksbezogenen Wärmeplanung klären.
■ Das H2-ready-Privileg soll der Wasserstoff-Heizung die Tür offen halten. Es könnte aber auch vermutlich nicht beabsichtigte Probleme schaffen und die Heizungswende ausbremsen.
Wer auch immer beim „Leitplanken“ des Regierungsentwurfs für die GEG-Novelle die „Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung“ in die Beschlussvorlage diktiert hat, hat vermutlich nicht bedacht, dass das „die Tür für die Wasserstoff-Heizung aufhalten“ in der vom Bundestag am 8. September 2023 beschlossenen GEG-Novelle1) bewirken kann, dass sein adressiertes „Schutzziel“ – die bisherige klassische Gas-Heizung – schnell zum Ladenhüter wird.
Obwohl es in dem ab 2024 gültigen Gebäudeenergiegesetz (GEG 2024) den Begriff 100-%-H2-ready-Gas-Heizung gar nicht gibt und ebensolche bisher auch nicht offiziell verkauft werden, könnte die Nachfrage trotzdem sehr schnell steigen. Das hängt mit speziellen Regelungen im GEG 2024 zusammen, die dem Heizen mit Wassersoff trotz umstrittener Perspektive eine Chance geben sollen.
Aushängeschild Technologieoffenheit
In den Änderungen für das GEG 2024 gibt es beim neuen Fokus auf den Einbau von Heizungsanlagen ab dem 1. Januar 2024 eine Rahmensetzung, die unter dem Aushängeschild Technologieoffenheit zwar viele Detailvorgaben macht, aber insbesondere bei bestehenden Gebäuden nur wenig steuert. Im Neubau ist dies kaum noch notwendig, hier ist der Markt unter den aktuellen Randbedingungen der GEG-Novelle vorausgeeilt (Bild 4).
Mit der freien Wahl, wie die vermeintlich eindeutige Anforderung in GEG § 71 Abs. 1 „eine Heizungsanlage darf zum Zweck der Inbetriebnahme in einem Gebäude nur eingebaut oder aufgestellt werden, wenn sie mindestens 65 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt“ erfüllt wird, trägt der Gebäudeeigentümer jedoch auch ein höheres Risiko, dass die Investition in eine neue Heizungsanlage unnötig hohe Kosten verursacht, oder dass die späteren Pflichten nicht realisiert werden können und dann die Heizungsanlage nachgerüstet oder sogar vorzeitig erneuert werden muss.
„Vermeintlich eindeutig“, weil die 65-%-EE-Pflicht sich nicht (nur) nach einer ingenieurtechnischen und physikalischen Berechnung, sondern auch „nach Maßgabe der Absätze 4 bis 6 sowie der §§ 71b bis 71h“ richtet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies bedeuten, dass für ein Gebäude die 65-%-EE-Pflicht nie umzusetzen ist und erst am 1. Januar 2045 – wie bei allen Gebäuden – die 100-%-EE-Pflicht greift. In der Breite wird es zwar nicht so kommen, aber allein das Aufhalten der Tür für Wasserstoff-Heizungen wird Konsequenzen für den Markt haben.
Beratungspflicht statt klarer Vorgaben
Statt klare Signale durch konkrete Vorgaben auszusenden, zieht sich der Staat über die Technologieoffenheit hinaus noch weiter aus der Verantwortung. Nach GEG § 71 Abs. 11 hat vor dem Einbau und der Aufstellung einer mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betriebene Heizungsanlage „eine Beratung zu erfolgen, die auf mögliche Auswirkungen der Wärmeplanung und eine mögliche Unwirtschaftlichkeit, insbesondere aufgrund ansteigender Kohlenstoffdioxid-Bepreisung, hinweist“.
Exkurs: Die nationale CO2-Bepreisung regelt das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) mit einer Festpreisphase bis zum Jahr 2025 und einem Preiskorridor im Jahr 2026. Danach könnte auktioniert werden. Die erste Fassung für die am 1. Januar 2021 gestartete CO2-Bepreisung wurde am 12. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Bund und Länder haben sich dann schon am 18. Dezember 2019 im Vermittlungsausschuss auf Änderungen verständigt, die in der Einführungsphase höhere Preise für die Emissionszertifikate vorsahen. Im Rahmen der Energiekrise wurden die Preise für 2023 bis 2025 gesenkt. Nun sollen sie für 2024 bis 2025 wieder erhöht werden und für 2026 der obere Wert des Preiskorridors von 65 Euro/tCO2 als Festpreis festgelegt werden. Künftig soll es dann eine europäische CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe gegeben, bei der es schon für das Startdatum keine Planungssicherheit gibt. Selbst eine fundierte Beratung kann somit nur eine in die Zukunft extrapolierte Momentaufnahme sein.
Laut GEG müssen das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bis zum 1. Januar 2024 Informationen zur Verfügung stellen, die als Grundlage für die Beratung zu verwenden sind. Wie sie aufgebaut sein werden, ist bisher nicht bekannt geworden.
Fakt ist aber, dass das GEG 2024 Heizungsanlagen zulässt, vor denen dann in einer Pflichtberatung gewarnt werden muss. Aufgrund möglicher Rechtsfolgen, auch wenn das Beratungsgespräch eventuell einen anderen Tenor hatte, wird es eine schriftliche Erklärung geben, die den Berater von möglichen Schadenersatzansprüchen freistellt und dem Gebäudeeigentümer die alleinige Verantwortung zuweist2).
Im Prinzip sind ähnliche Umstände üblich und in vielen Lebensbereichen ähnlich vorzufinden. Ungewöhnlich ist allerdings, dass der Gesetzgeber Heizungssystemen, die die Bundesregierung ganz offiziell aussortiert sehen möchte, besonders viele Vorteile einräumt, sodass sie attraktiv erscheinen. Eine besondere Vorzugsbehandlung bis hin zu Fehlanreizen, gibt es in diesem Kontext für mit fossilem Erdgas betriebene Gas-Heizungen.
Gemengelage bei der Gasversorgung
Aus den Klimazielen und ganz konkret aus dem GEG 2024 geht hervor, dass ab 2045 kein fossiles Erdgas mehr zur Beheizung von Gebäuden und zur Trinkwassererwärmung eingesetzt werden darf. Ähnliche Bestimmungen sind im europarechtlichen Kontext zu erwarten, nach aktuellem Stand allerdings erst ab 2050. Ein Rückblick zeigt jedoch, dass solche Ausstiegsszenarien nachträglich noch deutlich vorgezogen werden können. Und ein fairer Beitrag zum Erreichen des Pariser Übereinkommens legt ein solches Vorziehen nahe. Das chemische Äquivalent Biomethan oder synthetisch aus grünem Wasserstoff erzeugtes Methan wären von dem Bann nicht betroffen, allerdings sind beide über die gesamte Kette ohne zusätzliche Maßnahmen noch nicht klimaneutral.
Andererseits wird fossiles Erdgas ohne massive Markteingriffe noch lange Zeit günstiger als Wasserstoff und Biomethan sein. Neben lokalen Aufschlägen, Umlagen und Steuern gibt es einen internationalen (Über)Angebot-und-Nachfrage-Preismechanismus und parallel dazu sehr langfristige Lieferkontrakte, die in der Lieferkette notwendige Infrastrukturinvestitionen sicherstellen. Solange die Verfügbarkeit von Wasserstoff und Biomethan gering ist, besteht für deren Erzeuger kein Anlass, sie günstiger als fossiles Erdgas anzubieten, da bei den Endkunden die Kosten für die technische Nutzbarkeit gar nicht oder nur geringfügig abweichen. Wären grüne Gase günstiger als fossiles Erdgas, würden alle Kunden wechseln wollen, was nicht mit der Verfügbarkeit im Einklang ist.
Damit die Gaswirtschaft ihr Geschäftsmodell – gasförmige Energieträger über eine Leitungsinfrastruktur direkt zu den Kunden liefern – über 2044 hinaus fortsetzen kann, müssen es zunehmend grüne Gase sein. Bei Wasserstoff ist aus heutiger Sicht keine wesentliche Erhöhung über eine Beimischung von 20 Vol.-% möglich, das entspricht aber nur einer energetischen Substitution von 7,4 %. Der maximal mögliche Beitrag zur Dekarbonisierung ist entsprechend gering. Für eine 20%ige energetische Substitution müsste der Wasserstoffanteil in Methan 43,9 % betragen.
Treibende Kraft für die leitungsgebundene Wasserstoffverteilung sind Prozesse – und hier sind in der Regel große Mengen reiner Wasserstoff und nicht ein Gemisch aus Wasserstoff und Methan gefragt (wobei es auch technische Lösungen zur Trennung am Verwendungsort gibt). Zudem wäre es logistisch nicht möglich, die gesamte Gasinfrastruktur erst kurz vor dem Verwendungsverbot von fossilem Erdgas umzustellen.
Das Dilemma der Gaswirtschaft ist also, einerseits früh mit der Umstellung zu beginnen, andererseits dort auch früh die Gaskunden technisch umstellen und zu einem höheren Gaspreis als bisher beliefern zu müssen. Dann besteht die Gefahr, dass sich bisherige reine Erdgas-zu-Wärme-Kunden neu orientieren und beispielsweise auf eine Wärmepumpe wechseln. Die Ausdünnung in einem Netzgebiet senkt jedoch kaum die Kosten für den Netzbetrieb, sodass die Umlage für die verbleibenden Kunden steigt. Je nach Kundenstruktur und Ausweichmöglichkeiten entsteht ein Teufelskreis. Dass die Ausdünnung ein reales Szenario ist, zeigt der Gesamtkostenvergleich einer Gas-Heizung bei der Verwendung von fossilem Erdgas im Vergleich zu einer über die BEG 2024 geförderten Wärmepumpe.
Allerdings sollte man auch die vom GEG 2024 geförderte Treue bisheriger Gaskunden nicht unterschätzen. Denn auch nach einer neutralen Beratung werden sich nicht alle Gebäudeeigentümer für die rechnerisch günstigste Variante entscheiden, sondern hier auch viele andere Aspekte einfließen lassen. Wer dem Energieträger Gas bewusst treu bleiben will, wird nach einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem GEG 2024 wohl eine 100-%-H2-ready-Gas-Heizung nachfragen.
Mit 100-%-H2-ready das GEG aussitzen
Das GEG 2024 sieht für die nächsten Jahre keine Pflicht vor, beim Einbau einer neuen Gas-Heizung den Standard „100-%-H2-ready“ zu erfüllen. Trotzdem dürfte bei geringen Mehrkosten für 100-%-H2-ready-Geräte relativ schnell eine Nachfrage entstehen und nach den üblichen Marktgesetzen das Produktangebot der Heizungsindustrie anders als geplant entwickeln.
Das GEG 2024 beschreibt in § 71k Abs. 8 eine 100-%-H2-ready-Gas-Heizung so: „Eine Heizungsanlage ist […] auf die Verbrennung von 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar, wenn die Heizungsanlage mit niederschwelligen Maßnahmen nach dem Austausch einzelner Bauteile mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden kann. Der Nachweis der Umrüstbarkeit auf die Verbrennung von 100 Prozent Wasserstoff […] kann durch eine Hersteller- oder Handwerkererklärung erbracht werden.“
Die „Leitplanken der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“ vom 13. Juni 2023 sahen noch vor: „Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, […] dürfen ab dem 1.1.2024 Gasheizungen eingebaut werden, wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Dies gilt auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten. In Neubaugebieten gelten die Regelungen des GEG unmittelbar ab 1.1.2024.“
Im weiteren Verlauf der Überarbeitung des Regierungsentwurfs zur 2. Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG-Novelle) dürfte sich bei der Ampel dann wohl die Erkenntnis eingestellt haben, dass dies aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Geräten zumindest temporär einem Verbot neuer Gas-Heizungen in Neubaugebieten gleichkäme.
Statt der zitierten Leitplanke wurde vom Deutschen Bundestag nur beschlossen, dass in Neubauten die 65-%-EE-Vorgabe auch nach § 71 Abs. 3 Nr. 5 mit einer „Heizungsanlage zur Nutzung von Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate nach Maßgabe der §§ 71f und 71g“ erfüllt werden kann. Es darf also ab 2024 weiterhin eine bis heute übliche „normale“ Gas-Heizung eingebaut werden, wenn der Betreiber sicherstellt, dass das vertraglich gelieferte Gas einen 65-%-EE-Anteil im Sinne des Gesetzes aufweist. Das 65-%-EE-Gas wird aber nicht tatsächlich angeliefert, sondern nach dem Massebilanzsystem an anderer Stelle eingespeist. Bei der Gas-Heizung sind deshalb keine besonderen technischen Voraussetzungen zu erfüllen. 65-%-EE-Gas dürfte aber deutlich teurer als fossiles Erdgas sein.
Es gibt jedoch strategische Gründe, statt einer normalen Gas-Heizung eine 100-%-H2-ready-Gas-Heizung einzubauen, sofern diese nicht deutlich teurer ist. Denn im GEG 2024 gibt es in § 71k Abs. 1 mit dem „H2-ready-Privileg“ eine zeitlich großzügige Übergangsfrist, um Wasserstoff die Tür für den Raumwärmemarkt offen zu halten:
„Bis zum Anschluss an ein Wasserstoffnetz kann eine Heizungsanlage, die Erdgas verbrennen kann und auf die Verbrennung von 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar ist, zum Zweck der Inbetriebnahme eingebaut oder aufgestellt und ohne Einhaltung der Anforderungen nach § 71 Absatz 1 oder Absatz 9 zur Wärmeerzeugung betrieben werden, wenn
1. das Gebäude in einem Gebiet liegt, für das die nach Landesrecht zuständige Stelle unter Berücksichtigung eines Wärmeplans, der auf der Grundlage einer bundesgesetzlichen Regelung zur Wärmeplanung erstellt wurde, eine Entscheidung über die Ausweisung als Wasserstoffnetzausbaugebiet getroffen hat, und das spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 vollständig mit Wasserstoff versorgt werden soll und
2. der Betreiber des Gasverteilernetzes, an dessen Netz die Heizungsanlage angeschlossen ist, und die nach Landesrecht für die Wärmeplanung zuständige Stelle bis zum Ablauf des 30. Juni 2028 einen einvernehmlichen, mit Zwischenzielen versehenen, verbindlichen Fahrplan für die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 zu vollendende Umstellung der Netzinfrastruktur auf die vollständige Versorgung der Anschlussnehmer mit Wasserstoff beschlossen und veröffentlicht haben und darin mindestens festgelegt haben, […]“.
Wichtig: Das „H2-ready-Privileg“ wird erst über die Wärmeplanung und einen fristgerecht veröffentlichten verbindlichen Fahrplan für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf Wasserstoff aktiviert. Der Fahrplan wird erst nach der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur wirksam und alle drei Jahre überprüft.
Zwei Fälle für neue Gas-Heizungen
Im GEG 2024 lassen sich vereinfacht zwei Fälle für neue Gas-Heizungen unterscheiden:
0…60-%-EE-Gas-Heizung: Es wird im Bestand eine neue Gas-Heizung eingebaut, bevor eine „offizielle“ Wärmeplanung vorliegt oder die generellen Fristen für die Wärmeplanung ablaufen. Dann muss diese ab 2029 mindestens 15 %, ab 2035 mindestens 30 % und ab 2040 mindestens 60 % der mit der Anlage bereitgestellten Wärme aus Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate erzeugen.
65-%-EE-Gas-Heizung: Es wird im Bestand oder im Neubau eine Gas-Heizung eingebaut, die 65 % der mit der Anlage bereitgestellten Wärme aus Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate erzeugt.
Für eine 0…60-%- und eine 65-%-EE-Gas-Heizung sind im GEG keine gerätetechnischen Besonderheiten zu beachten. Liegt ihnen jedoch (freiwillig) ein 100-%-H2-ready-Gasgerät zugrunde, kann – sobald sie sich gemäß der Übergangsfrist nach § 71k Abs.1 in einem „offiziellen“ Wasserstoffnetzausbaugebiet mit verbindlichem Fahrplan für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf Wasserstoff befindet – der EE-Gas-Tarif gekündigt und wieder für einige Jahre mutmaßlich deutlich günstigeres Erdgas bezogen werden, weil sie die 65-%-EE-Anforderung dann nicht (mehr) erfüllen muss.
Erst wenn durch die Umstellung der Netzinfrastruktur eine andere Gaszusammensetzung geliefert wird, müsste dann technisch bedingt durch den „Austausch einzelner Bauteile“ die Verwendung mit 100 % Wasserstoff realisiert werden. Es gibt aber im GEG 2024 keine Vorschrift, dass man „im System bleiben muss“. Auch der Wechsel auf ein anderes System ist möglich.
Allerdings ist zu erwarten, dass nach der „offiziellen“ Ausweisung eines Wasserstoffnetzausbaugebiets oder schon deutlich früher die Anschlussbedingungen beim Einbau neuer Geräte den Standard 100-%-H2-ready vorschreiben, um die Kosten in der Umstellungsphase zu minimieren. Eine 100-%-H2-ready-Pflicht bei der Heizungserneuerung würde dann also nicht über das GEG kommen, sondern über den Gasnetzbetreiber. Das Vorziehen dieser Vorgabe ist letztendlich auch im Interesse der Gaskunden, denn die Kosten einer veranlassten Umstellung würden später indirekt auf den Gasrechnungen landen.
Wie weit sind die Hersteller?
Sofern 100-%-H2-ready-Geräte ohne erhebliche Mehrkosten auf den Markt kommen, dürfte sich aufgrund der besonderen Stellung im GEG und der potenziellen Vorteile für die Betreiber auch ohne konkrete Pflicht die Nachfrage nach Gas-Heizungen schnell in Richtung 100-%-H2-ready-Geräte entwickeln. Doch wie weit ist die Heizungsindustrie mit 100-%-H2-ready-Geräten?
Wir haben dazu bei mehreren Anbietern angefragt, wie der aktuelle Entwicklungsstand für auf 100 % Wasserstoff umrüstbare Gasgeräte ist und zu welchem Zeitpunkt damit zu rechnen ist, dass sie für den Betrieb in Deutschland zugelassene Geräte in größeren Stückzahlen – ca. 500 Wärmeerzeuger pro Monat oder mehr – an die Kunden ausgeliefert werden können.
Oliver Koukal, Senior Vice President Hybrid and Combustion Systems der Bosch Home Comfort Group: „Wir begrüßen, dass sich die Ampelkoalition und die Koalitionsfraktionen im Bundestag bei der GEG-Novelle auf einen gemeinsamen Weg betreffend H2-ready-Heizgeräte einigen konnten. Die 100-%-H2-ready-Heizgeräte der Bosch Home Comfort Group befinden sich in der Produktentwicklung, eine breite Markteinführung ist im Einklang mit der kommunalen Wärmeplanung geplant. Es laufen zwar schon mehrere 100-%-H2-Geräte in verschiedenen Pilotanlagen in Großbritannien und in der EU, bis zu einer breiten Markteinführung sind aber noch ein paar Punkte zu konkretisieren. Die in den Leitlinien [Anm. d. Red.: § 71k Abs. 8 GEG 2024] genannte Umrüstung auf Wasserstoff müsste noch genauer definiert werden, ebenso ist zu beachten, dass diese Geräte noch Normung, Zertifizierung und Freigabeprüfungen durchlaufen müssen.“
Gerdewan Jacobs, Geschäftsführer Technik der Wolf GmbH: „Unsere aktuellen Gasgeräte (CGB-2, TGB-2 & MGK-2) sind bereits jetzt für 20 Vol.-% H2-ready (DVGW) zertifiziert und wir befinden uns im Zulassungsprozess für eine 30-Vol.-%-H2-Beimischung. Wir werden für aktuelle Wolf-Gasgeräte entsprechende Umrüstkits anbieten, sollte 100 % Wasserstoff zum Tragen kommen.“
Dr. Jens Wichtermann, Direktor Unternehmenskommunikation, Nachhaltigkeit & Politik der Vaillant Group: „Die Vaillant Group hat serienreife Wasserstoff-Heizgeräte entwickelt, die derzeit in vielen Pilotprojekten in Deutschland und etlichen weiteren europäischen Ländern Langzeittests unterzogen werden. Sobald eine substanzielle Nachfrage nach H2-ready-Geräten im Sinne des GEG 2024 entsteht, wird die Vaillant Group als Weltmarktführer diese Nachfrage zeitnah bedienen können.“
Franz Killinger, Vertriebsleiter Remeha: „Remeha und die BDR Thermea Gruppe haben europaweit bereits mehr als Hundert 100-%-Wasserstoffanlagen in Pilotprojekten in Betrieb – in real genutzten Wohn- und Gewerbeimmobilien. Die Anlagen laufen alle reibungs- und problemlos. Der Entwicklungsstand ermöglicht es uns, auf alle Entwicklungen und Anforderungen kurzfristig zu reagieren. Basierend auf der Erfahrung mit 100-%-Wasserstoffanlagen arbeiten Remeha und die BDR Thermea Gruppe bereits an Nachrüstsätzen für Gasbrennwertgeräte zur Umstellung auf 100 % Wasserstoff. Auch für Brennstoffzellenheizgeräte werden Umrüstsätze entwickelt. Ein erster Feldtest-Heizkessel, der auf 100 % Wasserstoff umrüstbar ist und auch bereits mit Wasserstoff betrieben werden soll, wird noch 2023 in Betrieb genommen.“
Alexander Dauensteiner, Product Line Owner der Viessmann Climate Solutions SE: „Zwar dürfen unter den Prämissen der GEG-Novelle auch im Neubau Gasheizungen eingebaut werden, jedoch ist insbesondere im Neubau die Wärmepumpe nahezu immer die bessere Lösung. H2-ready-Gas-Heizungen sind in den Gebäuden, in denen der Einsatz von Wärmepumpen nicht oder nur schwer möglich ist, eine potenzielle Lösung. Bereits heute sind unsere Gas-Brennwertgeräte für den Betrieb mit bis zu 20 Vol.-% Wasserstoff zertifiziert. Ziel unserer derzeitigen Entwicklungsarbeiten sind Seriengeräte, die sowohl mit Erdgas, mit Erdgas-Wasserstoff-Gemischen sowie – nach einer einfachen und kostengünstigen Anpassung von Brennerkomponenten – mit 100 % Wasserstoff betrieben werden können. Wir stehen jetzt unmittelbar vor Beginn von Feldtests mit Brennwertgeräten unterschiedlicher Leistungen von 3,5 bis hin zu 480 kW. Die Serienfertigung dieser 100-%-H2-ready-Geräte ist für 2025 geplant.“
Der Markt wird 100-%-H2-ready fordern
Weite Teile der Heizungsindustrie haben sich seit Jahren dafür ausgesprochen, der Wasserstoff-Heizung eine Chance einzuräumen. Allerdings gab es lange Zeit keine verbindliche Skizze, wie das jenseits lokaler Initiativen genau aussehen könnte. Mit dem GEG 2024 und dem Wärmeplanungsgesetz existiert nun ein Rahmen.
Das GEG 2024 greift mit dem Konzept 100-%-H2-ready-Gas-Heizung – den Austausch nur einzelner Bauteile für einen Betrieb mit 100 % Wasserstoff – ein Konzept auf, das die Heizungsbranche dem Markt selbst vorgestellt hat. Denn ein kostengünstiges Gerätekonzept, das mit einem beliebigen Wasserstoffanteil betrieben werden kann ist bisher nicht in Sicht. Die Zeitplanung für die Geräteentwicklung und -fertigung wird sich aber ursprünglich eher daran orientiert haben, wann ein technischer Bedarf aufgrund tatsächlicher Netzumstellungen entsteht.
Nun kommt es möglicherweise so, dass ausgerechnet die Novelle für das GEG 2024, der durch die Verzahnung mit der Wärmeplanung eine Verzögerung bei der Heizungswende vorgeworfen wird, im Bereich Gas-Heizung eine nachfragegetriebene Beschleunigung bei der Entwicklung erfordert – obwohl ein Teil dieser Geräte in der Praxis niemals mit der Anforderung 100-%-H2-ready konfrontiert werden wird.
Dies wäre der Fall, wenn für ein Netzgebiet aufgrund der Wärmeplanung gar keine Umstellung erfolgt oder sich der Betreiber der 100-%-H2-ready-Gas-Heizung nur bedient, um bis zur Umstellung in seinem Netzgebiet weiterhin fossiles Erdgas verwenden zu können. Denn es gibt im GEG 2024 keine Vorschrift, dass man „im System bleiben muss“. Es ist also vor der Umstellung auf 100 % Wasserstoff auch der Wechsel auf ein dann vielleicht günstigeres System möglich.
Die Gaswirtschaft hat eine andere Hoffnung. Der Anfang September 2023 von H2vorOrt vorgelegte Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) zeigt, dass die Mehrheit der 241 teilnehmenden Gasverteilnetzbetreiber plant, bis 2030 mit der Wasserstoffeinspeisung in die Verteilnetze zu beginnen. Der GTP deckt Gasleitungen mit einer Gesamtlänge von 415 000 km ab und erreicht 381 von 401 Landkreisen. Erste 100%ige Wasserstoffnetze sollen danach „in großen Teilen Deutschlands bis 2035 existieren“. Wenngleich aus heutiger Sicht nicht erkennbar ist, ob oder unter welchen Bedingungen dann eine Wasserstoff-Heizung eine kostengünstige Lösung ist, wird auch der GTP den Druck auf die 100-%-H2-ready-Entwicklungsabteilungen erhöhen.
Ob begründet oder verschwendet, wird sich noch herausstellen. Für die Anfang Oktober 2023 veröffentlichte Horváth-Marktstudie „Strategieentwicklung von Energieversorgern 2023“ hat eine repräsentative Auswahl an EVU in Deutschland und der Region DACH mit einer Stichprobe von über 70 Vorstandsmitgliedern und Verantwortlichen aus den Bereichen Strategie / Unternehmensentwicklung jedenfalls eine bemerkenswerte Einschätzung geliefert: Im Vergleich zur vorangehenden Erhebung im Jahr 2021 ist der Anteil der Befragten, die längerfristig Geschäftspotenzial für die energetische Nutzung von Wasserstoff sehen, um die Hälfte gestiegen. Allerdings erwartet von den Befragten inzwischen niemand mehr, dass Wasserstoff in der Wärmeversorgung privater Haushalte in der Zukunft eine Rolle spielen wird. Auch 2021 hatten dies laut der Managementberatung Horváth nur 12 % für möglich gehalten.
Drahtseilakt für die Branche
Wie sich der Markt tatsächlich entwickelt, hängt sicherlich nicht nur davon ab, ob sich das H2-ready-Privileg herumspricht und von Gebäudebetreibern mit Erdgas-Heizung auch als solches wahrgenommen wird. Aber selbst wenn nach dem Inkrafttreten des GEG 2024 die 100-%-H2-ready-Gas-Heizung erst ganz langsam in den Markt findet, kann auch dies für die Branche ein Drahtseilakt werden.
Angenommen, das Konzept der Wolf-Ankündigung macht Schule. Dann wären alle ab 2024 bis zur Vorlage der Wärmeplanung eingebauten „aktuellen Gasgeräte“ nach der Entwicklung eines Umrüstkits nachträglich 100-%-H2-ready. Mit einer entsprechenden Bescheinigung müssten Betreiber, für die das H2-ready-Privileg gilt, an dem ab 2029 beginnenden EE-Hochlauf nicht teilnehmen.
Damit würde die einfache Umrüstkit-Lösung für das Erreichen der Klimaziele eingeplante Schritte beim EE-Hochlauf allein durch ihre Verfügbarkeit verhindern. Unternehmen, die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele verfolgen und unterstützen, würde das unweigerlich vor ein unlösbares Dilemma stellen.
Lösen kann das nur der Gesetzgeber, indem er noch einmal gut überlegt, ob es wirklich gewollt ist, dass man sich über das H2-ready-Privileg und bei einem Ausstieg zum Umstellungstermin nur mit einem Stück Papier ohne jede Gegenleistung besser als jemand stellen kann, bei dem keine Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff geplant ist.
Auch die Gaswirtschaft sollte sich vor Augen führen, was das H2-ready-Privileg ab 2029 für Unsicherheiten bringen kann. Einerseits muss sie sich darauf vorbereiten, dann von einem auf das andere Jahr dem EE-Hochlauf die notwendige Menge grüner Gase zur Verfügung zu stellen. Andererseits könnte auch ein größerer Anteil davon gar nicht abgerufen werden, weil die Betreiber ihre H2-ready-Privileg-Bescheinigung hochhalten. Jochen Vorländer
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Regelwerk
1)…………
Gesetz zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches, zur Änderung der Verordnung über Heizkostenabrechnung, zur Änderung der Betriebskostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung
2)…………
Der Passus „hat eine Beratung zu erfolgen“ verpflichtet nicht zwangsweise das Unternehmen, das den Einbau oder die Aufstellung einer mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betriebene Heizungsanlage vornehmen will, den Auftraggeber zu beraten oder eine GEG-konforme Beratung zu organisieren. Im Normalfall wird ein beauftragtes Unternehmen aber über Personal aus dem Kreis der im Gesetz benannten fachkundigen Personen verfügen. Allerdings muss das Unternehmen prüfen bzw. sollte sich bestätigen lassen, dass diese Beratung erfolgt ist. Zudem sollte es den Auftraggeber frühzeitig auf diese Beratungspflicht als notwendige Voraussetzung für den Einbau oder Aufstellung der Heizungsanlage hinweisen. Die Rechtsprechung wird dann vermutlich noch klären müssen, ob nach der Beratung ein schon vorher geschlossener Vertrag ohne Schadenersatzansprüche des Auftragnehmers gekündigt werden kann. Denn für einen geordneten Entscheidungsprozess hat der Gesetzgeber eine ungeeignete Reihenfolge bzw. Formulierung gewählt. Seine Intention ist aber offensichtlich, den Gebäudeeigentümer, obwohl dieser gar nicht explizit als Beratungsempfänger genannt wird, vor einer Fehlinvestition zu schützen. Interpretationsspielraum gibt es auch beim Havariefall, wo Angebot, Auftrag, Beratung und Einbau bzw. Aufstellung naturgemäß in einen kurzen Zeitraum fallen.
…………..
Im Kontext:
BDEW: Bundestag soll 19 % Umsatzsteuer auf Erdgas vereiteln
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Heizen mit Wasserstoff: „Erwartet inzwischen niemand mehr“
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