Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat heute (11. Januar 2022) die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ vorgelegt. Dies sei notwendig, um aufzuzeigen, wo Deutschland bei den einzelnen Handlungsfeldern steht. Die Eröffnungsbilanz Klimaschutz zeigt, dass Deutschland deutlich mehr für den Klimaschutz tun muss. Im Gebäudesektor sind es insbesondere die 65-%-Klausel für erneuerbare Energien und der Markthochlauf von Wärmepumpen.
Habeck: „Die Eröffnungsbilanz Klimaschutz zeigt: Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden. Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun.
Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien [bei der Stromerzeugung] auf 80 % steigern. Die Arbeit dafür hat begonnen. Die prioritären Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen setzen wir jetzt aufs Gleis – ein erstes Klimaschutz-Paket kommt bis Ende April [Osterpaket], ein zweites im Sommer [Sommerpaket].“
„Es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen“
Ziel des schon im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramms ist es, alle Sektoren auf ihren Zielpfad zu bringen und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Alle dafür notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden. Damit dies gelingt, werde die Bundesregierung die Erstellung und Umsetzung des Programms konsequent vorantreiben.
Habeck: „Das alles ist eine Mammut-Aufgabe. Und es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen werden. Aber das, was wir jetzt machen, legt die Grundlage dafür, Klimaschutz und Wohlstand zusammenzubringen.“
Zu den Sofortmaßnahmen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitnah vorlegen will, gehören unter anderem:
Gebäudestandards und -förderung: Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen will das BMWi durch eine zügige Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes eine verlässliche Planungsgrundlage für Investitionen schaffen. Dazu sollen Neubauten und Gebäudesanierungen auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 sowie einen deutlich reduzierten Energiebedarf ausgerichtet werden. [Im Koalitionsvertrag sind dafür 2025 (Neubau) und 2024 (wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden) als Starttermine genannt.
Zudem soll die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung (auch bei der Heizungsmodernisierung) auf der Basis von mindestens 65 % erneuerbarer Energien betrieben wird (65-%-Klausel für erneuerbare Energien), zeitnah umgesetzt werden. Dies soll Fehlinvestitionen verhindern, die nicht mit den Klimazielen vereinbar sind und insbesondere den Markthochlauf von Wärmepumpen voranbringen. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude soll parallel dazu zügig angepasst werden; sie wird die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes flankieren und soll bis 2025 den Markt durch effiziente Anreize an diese Schritte heranführen.
Solarenergie: Der Solarzubau soll mit einem Solarbeschleunigungspaket entfesselt werden. Vorgesehen ist ein breites Bündel an Einzelmaßnahmen, um die Solarenergie deutlich voranzubringen. Hierzu zählen unter anderem eine Verbesserung beim Mieterstrom, die Anhebung der Ausschreibungsschwellen und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien.
Zudem soll gesetzlich als neues Ziel umgesetzt werden, dass alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden sollen. Bei gewerblichen Neubauten wird Solarenergie verpflichtend, bei privaten Neubauten soll sie die Regel werden.
Senkung des Strompreises: Vor allem im Vergleich zu fossilen Energieträgern soll Strom günstiger werden. Das soll Wärmepumpen und E-Mobilität attraktiver machen und die Sektorkopplung voranbringen. Bekannt war bereits, dass ab 2023 die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert wird. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage will Habeck die an die Besondere Ausgleichsregelung gekoppelten Umlagen (KWKG-, Offshore-Netzumlage) in ein eigenes Gesetz überführen, um der Industrie bei den übrigen Umlagen eine verlässliche und planbare Rechtsgrundlage zu schaffen.
EEG-Novelle: Im Erneuerbaren-Energien-gesetz (EEG) sollen die Weichen für eine Stromerzeugung mit 80 % erneuerbaren Energien gestellt und dafür die Ausschreibungsmengen erhöht werden. Die technologiespezifischen Mengen werden anwachsend ausgestaltet, den Anfang soll ein „sehr ambitioniertes Niveau“ machen. Dabei wird ein Bruttostromverbrauch in der Mitte des Korridors aus dem Koalitionsvertrag (680…750 TWh/a) unterstellt, also 715 TWh/a. Zudem soll der Grundsatz verankert werden, dass der EE-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient.
Wärmestrategie: Die Ampel-Koalition will bis 2030 mit 50 % einen sehr hohen Anteil der Wärme klimaneutral erzeugen. Energieeffizienz wird als zweite Säule angesehen, sodass für das optimale Zusammenspiel beider Instrumente eine neue Gebäudestrategie Klimaneutralität erarbeitet werden soll. Vorgesehen ist, sich für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung sowie die Dekarbonisierung und den Ausbau der Wärmenetze einzusetzen. Dafür soll die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) unmittelbar nach der beihilferechtlichen Genehmigung in Kraft gesetzt und ihre Finanzierung aufgestockt werden.
Windenergie: Mit einem Wind-an-Land-Gesetz sollen kurzfristige Flächenpotenziale für Wind an Land für eine Beschleunigung des Ausbauprozess erschlossen werden. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz sollen 2 % der Landesfläche für Windenergie reserviert werden. Gleichzeitig soll der Windenergieausbau mit dem Artenschutz versöhnt werden. Geplant sind auch Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Klimaschutzverträge mit der Industrie: Unter diesem Stichwort sollen die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie geschaffen werden. Durch dieses Instrument soll sich die Wirtschaftlichkeit klimaneutraler Produktionsverfahren früher einstellen und die Kosten für die Unternehmen planbarer werden.
Wasserstoffstrategie: Die Maßnahmen zum Markthochlauf der Wasserstofftechnologie sollen angepasst werden, um die Produktion an grünem Wasserstoff gegenüber den bisherigen Plänen [der vorherigen Bundesregierung] zu verdoppeln. Hierfür sollen die Nationale Wasserstoffstrategie noch in 2022 überarbeitet und zusätzliche Förderprogramme auf den Weg gebracht werden.
Im Prinzip sind die von Habeck vorgestellten Punkte eine neue und dem BMWi zugeordnete Zusammenfassung der im Ampel-Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen. Neben dieser Auswahl der geplanten Projekte werde derzeit geprüft, welche weiteren Maßnahmen schnell auf den Weg gebracht werden können. Zudem werden noch weitere Maßnahmen aus anderen Ressorts und Sektoren in das Sofortprogramm einfließen.
Download der Eröffnungsbilanz Klimaschutz
Reaktionen aus der Branche
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat die von Robert Habeck vorgestellten Sofortmaßnahmen zu Klimaschutz und Energiewende begrüßt. Dr. Simone Peter, Präsidentin des BEE: „Zeitpunkt, Umfang und Inhalt der Präsentation heute machen deutlich, dass die neue Hausspitze im BMWi den dringenden Handlungsbedarf beim Klimaschutz und für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort erkannt hat und den mangelnden Elan der letzten Jahre schnell in eine neue Dynamik umwandeln will. Das begrüßen wir ausdrücklich und stehen mit innovativen Technologien ‚made in Germany‘, Know-how und Engagement bereit, die Energiewende in Deutschland in großen Schritten auf Erfolgskurs zu bringen.“
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) hält eine Verdreifachung der Anstrengung für höchst ambitioniert. ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa: „Neben 400 000 neuen Wohnungen, die wir nach Auffassung der Bundesregierung jährlich bauen sollen, hat uns der Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck eine neue Aufgabe gestellt, nämlich die Anstrengungen zur Emissionsminderung zu verdreifachen. Damit rückt der Gebäudesektor richtigerweise in den Fokus. Dieser Herausforderung stellen wir uns als Branche! Um hier keinen Attentismus zu produzieren und Häuslebauer wie in Investoren nicht zu verunsichern, muss die Bundesregierung daher schnellstmöglich die energetischen Anforderungen an neue wie Bestandsgebäude konkretisieren und entsprechende Förderprogramme auflegen bzw. bereits vorhandene verändern.“ ■
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