Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Erprobung neuartiger Sanitärsysteme

Versuchsanlage für Grauwassernutzung

Kompakt informieren

  • Für die Grauwasseraufbereitung zu Betriebswasser, insbesondere zur WC-Spülung, hat sich ein robustes Verfahren auf der Basis eines Membranbioreaktors mit Ultrafiltration in vielen Wohn- und Geschäftsgebäuden bewährt.
  • Vor der Installation einer solchen Anlage bei der Hafen City Universität musste auf der Grundlage aktueller Energie- und Wasserkosten eine 2/3-Wirtschaftlichkeit der Investitionen nachgewiesen werden.
  • Die technische Ausrüstung der Hafen City Universität ermöglich einen langfristigen Vergleich der Grauwassernutzung mit anderen Ver- und Entsorgungskonzepten für Toiletten und Urinale.

Neben den Ideen, die aus dem Fachgebiet Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung der Hafen City Universität stammen, war eine weitere Triebfeder für die Installation von verschiedenen Sanitärsystemen im Neubau der Hochschule das Zertifizierungssystem der Hafen City Hamburg GmbH (HCH): Öffentliche Gebäude, die im Stadtteil Hafen City zurzeit entstehen, unterliegen der Quartierszertifizierung der HCH. Das heißt, sie müssen Mindestanforderungen in Bezug auf Umweltstandards erfüllen.

Der Hafen City Universität (HCU) Abb. 1 gelang dies überdurchschnittlich. Sie erhielt die Auszeichnung in Gold für eine Summe von verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem

  • Gebäudetemperierung durch Nachtauskühlung
  • Wärmedämmung der Gebäudehülle besser als nach den ENEV-Anforderungen
  • 3-fach-Fensterverglasung
  • Dachbegrünung
  • Wassersparmaßnahmen und gleichzeitig Vermeidung von Abwasser durch
    • Regenwassernutzung Abb. 2
    • Grauwassernutzung Abb. 4
    • Gelbwassertrennung mit wasserlosen Urinalen

Gemäß Landeshaushaltsordnung in Hamburg musste für den HCU-Neubau eine sogenannte 2/3-Wirtschaftlichkeit der oben genannten Maßnahmen nachgewiesen werden. Das statische Verfahren geht von den aktuellen Energie- und Wasserkosten aus. Mit diesen Zahlen müssen aus heutiger Sicht 66 % Wirtschaftlichkeit der Investition erreicht werden.

Versorgung der Toilettenspülung

Abwasser aus Waschbecken sowie Ausgussbecken für Putzwasser wird als Grauwasser im Technikraum gesammelt und für die Toilettenspülung aufbereitet. 100 WC-Anlagen sind laut Arbeitsstättenrichtlinie für das Universitätsgebäude vorgesehen und erforderlich. Allerdings wird nur ein Versorgungsstrang (übereinanderliegende Toiletten) mit dem aufbereiteten Grauwasser versorgt. In einem weiteren Strang sind wasserlose Urinale eingebaut. Die anderen WCs sind zum Teil mit Regenwasser und – zum Zweck des Vergleichs – teilweise konventionell mit Trinkwasser versorgt.

Grauwasseranlage

Die hier eingesetzte Technik für Aufbereitung und Nutzung von Grauwasser funktioniert nach einem bereits bewährten Verfahren. Mehrere Wohn- und Geschäftsgebäude in Mönchengladbach und verschiedene Studentenwohnheime in Düsseldorf wurden 2010 – 2012 damit ausgestattet. Danach folgten für den Hersteller Aufträge in ganz Deutschland und Europa. Auch eine Forschungsstation in der Antarktis und ein Krankenhaus in Afghanistan zählen zu den Referenzen [1].

Jede Grauwasseranlage benötigt ein separates Leitungsnetz. Das für die Körperreinigung genutzte Trinkwasser kann so separiert gesammelt, aufbereitet und als Betriebswasser ein zweites Mal gebührenfrei im Gebäude genutzt werden. Es eignet sich der Qualität und Menge nach für Toilettenspülungen. In der Regel stehen mehrere gleich große 2000-l-Tanks nebeneinander.

Für die Hafen City Universität wurden drei Behälter zu einer Anlage verbunden und in einem Technikraum im Kellergeschoss untergebracht. In den ersten Tank fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall. Zentrales Element der Grauwasseranlage ist die Membranfiltertechnik. Als Ultrafiltration hält sie zurück, was größer als 0,00005 mm ist. Diese Aufbereitung findet im mittleren Behälter statt, unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen Luft in den unteren Teil des mit Grauwasser gefüllten Behälters drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mitten im Behälter. Die Luft blubbert am hauchdünnen Membrangewebe entlang und reinigt es von Ablagerungen der gefilterten Stoffe. Das herausgefilterte Material wird automatisch als Feinschlamm aus den ersten beiden Behältern abgesaugt Abb. 3.

Vom ersten in den zweiten und nach Reinigung aus dem Inneren der Membranen in den dritten Tank, wird das Wasser periodisch durch automatisch anlaufende Pumpen gefördert. Ist der dritte Behälter leer, weil der Bedarf größer als der Zulauf von Grauwasser war, fließt automatisch Regenwasser ins System – ist kein Regenwasser verfügbar, wird Trinkwasser eingeleitet. Dem letzten Tank, dem Reinwasser- oder Vorratsbehälter Abb. 4, wird nach Bedarf das absolut klare Betriebswasser durch eine weitere Pumpe entnommen, die in Kombination mit einem Druckwächter das Versorgungsnetz bis zu den Verbrauchsstellen unter dem voreingestellten Leitungsdruck hält. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zu einem Anschluss ans Trinkwassernetz.

Wartungsarm und stromsparend

Eine Grauwasseranlage muss insbesondere störungsfrei und wartungsarm funktionieren, sagt Geschäftsführer Axel Pungs vom Her-steller iWater Wassertechnik: „Zusätzlich optimieren wir die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung als auch den Pumpenbetrieb so stromsparend wie möglich konzipieren.“ Vorrangiges Ziel ist allerdings die Wasserqualität, meint Pungs. Es darf laut Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Bei der Nachspeisung von Trinkwasser in den Reinwasserbehälter gewährleistet eine nach DIN EN 1717 genormte Übergabeeinrichtung die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit. Sie ist bereits Bestandteil der vorgefertigten Anlage.

Laut Pungs ist die Grauwasseraufbereitung bei der HCU für die Behandlung von Grauwasser aus den Duschen für die Mitarbeiter sowie von Ausguss- und Handwaschbecken ausgelegt. Pungs: „Unsere Technologie garantiert durch die Barrierewirkung der Ultrafiltrationsmembran eine nahezu vollständige Rückhaltung von Bakterien. Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten.“ Baden werden die Nutzer der Hafen City Universität allerdings in dem aufbereiteten Grauwasser nicht – es dient schließlich nur zur Toilettenspülung.

Literatur

[1] König, K. W.: Grauwassernutzung – ökologisch notwendig, ökonomisch sinnvoll. Troisdorf: Fachbuch mit farbigen Abbildungen, 130 Seiten, Verlag iWater Wassertechnik, 2013

[2] DWA-A 272 Grundsätze für die Planung und Implementierung Neuartiger Sanitärsysteme (NASS). Hennef, DWA, Juni 2014

[3] fbr-top 4: Wasser zweimal nutzen, Grauwasser-Recycling. Loseblatt-Reihe zu grundsätzlichen Themen der Regenwassernutzung. Darmstadt: Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung, fbr-Dialog GmbH, September 2010. Download: http://www.fbr.de/fbr-top.html

[4] fbr-Hinweisblatt H 201 Grauwasser-Recycling, Planungsgrundlagen und Betriebshinweise. Darmstadt: Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung, fbr-Dialog GmbH, April 2005

[5] Nolde, E., Rüden, H., König, K. W.: Innovative Wasserkonzepte, Betriebswassernutzung in Gebäuden. Grau- und Regenwasseranlagen in Berliner Gewerbe- und Wohngebäuden sowie in öffentlichen und kulturellen Einrichtungen der deutschen Hauptstadt. Berlin: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Hrsg.), Broschüre, 2003. Download: http://www.bit.ly/innovative_wasserkonzepte

Projektdaten

Objekt

Hafen City Universität, Überseeallee 16, 20457 Hamburg Fertigstellung: April 2014

Bauherr

Behörde für Wissenschaft und Forschung

Planung und Projektleitung

Code Unique Architekten BDA, Dresden, http://www.codeunique.de

Technische Gebäudeausrüstung

Ing.-Ges. Ridder + Meyn, Hamburg, ein Unternehmen der Planungsgruppe M+M AG, http://www.rmhh.de

Grauwasseranlage

Typ: PowerClear 4500, Membranbioreaktor mit Ultrafiltration Lieferant: iWater Wassertechnik, Troisdorf, https://www.ewu-aqua.de/

Glossar

Abwasser: Wasser, bestehend aus jeglicher Kombination von abgeleitetem Wasser aus Haushalten, Industrie- und Gewerbebetrieben, Oberflächenabfluss und unbeabsichtigtem Fremdwasserzufluss.

Betriebswasser: Nutzbares Wasser ohne Trinkwasserqualität, beispielsweise für Bewässerung, WC-Spülung, Waschmaschine.

Brauchwasser: Alternativbezeichnung für Betriebswasser; außerdem traditioneller Begriff für Warmwasser aus Trinkwasser in Gebäuden.

Grauwasser: Schwach verschmutztes Wasser, beispielsweise im Haushalt aus Waschmaschine, Waschbecken, Badewanne und Dusche, das unter bestimmten Umständen als Betriebswasser wiederverwendet werden kann.

Regenwasser: Übliche Form des natürlichen Niederschlags neben Schnee, Hagel, Graupel, Reif, Tau, Nebel; außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeter Begriff für Betriebswasser aus Niederschlägen von Dächern und anderen Oberflächen.

Schmutzwasser: Verunreinigtes Wasser, das reinigungsbedürftig ist, beispielsweise Trink- und Betriebswasser nach der WC-Spüluvng; auch Niederschlagswasser, das von befestigten Flächen abfließt, nach Verunreinigung mit Wasser gefährdenden Stoffen.

Rohstoffe aus Abwasser

In rohstoffarmen Ländern wie Deutschland besteht die Möglichkeit, in großen Mengen im Abwasser enthaltene Elemente wie Phosphor und Stickstoff zurückzugewinnen. Diese, mit dem Urin ausgeschiedenen Mineralien werden als Dünger in der Landwirtschaft benötigt und müssen heute zu Weltmarktpreisen importiert werden. Trennsysteme erleichtern die Aufbereitung des „Gelbwassers“, da es nicht mit anderen Stoffen verunreinigt ist. Solche Optionen bieten schon heute sogenannte Neuartige Sanitärsysteme (kurz NASS). Dabei werden die verschiedenen Bestandteile des häuslichen Abwassers, wie Urin mit Spülwasser (Gelbwasser), Fäkalien (Braunwasser) und Abwasser aus dem Waschbecken oder der Waschmaschine (Grauwasser) separat erfasst und abgeleitet. Quelle: DWA-Broschüre „Unser Wasser – alles klar? Wasser im Haushalt nutzen und schützen“

Regeninfrastruktur-anpassung

Klimastudien prognostizieren für Norddeutschland eine Zunahme der Niederschlagsmenge im Winterhalbjahr als Folge des Klimawandels, auch Starkregenereignisse können häufiger auftreten. Hinzu kommt die fortschreitende Flächenversiegelung. Beides führt in Hamburg zu einer Überlastung der Entwässerungssysteme. Vor diesem Hintergrund hat die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gemeinsam mit Hamburg Wasser das Projekt RISA Regeninfrastrukturanpassung ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein zukunftsfähiges Regenwassermanagement in und für die Stadt Hamburg zu gewährleisten. Mit RISA sollen innovative und unkonventionelle Wege gefunden werden, den heutigen Entwässerungskomfort zu erhalten, den Binnenhochwasserschutz zu wahren und die Gewässer vor Belastungen zu schützen. https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bukea/themen/wasser/regenwassermanagement-173790

Klaus W. König

ist Fachbuchautor, von der IHK Bodensee-Oberschwaben ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Mitglied im DIN-Ausschuss „Wasserrecycling / Regen- und Grauwassernutzung“ und Lehrbeauftragter an der Uni Stuttgart und an der HS Reutlingen, Thema „Rainwater Management“ in englischer Sprache. http://www.klauswkoenig.com