Die Politik geht davon aus, dass eine brennstoffbasierte Heizung in der Zukunft hohe Kosten verursacht. Über die GEG-Novelle soll deshalb ab 2024 vor dem Einbau entsprechender Heizsysteme eine fachkundige Beratung der Gebäudeeigentümer zur Pflicht werden.
Die Ampel-Koalition hat am 30. Juni 2023 dem Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie eine 111-Seitige „Formulierungshilfe des BMWK für einen Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes […]“ zugeleitet.
Mit der Vorlage des Änderungsentwurfs zum Änderungsentwurf besteht nun zumindest prinzipiell die Möglichkeit, dass der der Bundestag noch vor parlamentarischen Sommerpause die GEG-Novelle beschließt, theoretisch ist auch noch eine Absegnung durch den Bundesrat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 7. Juli 2023 denkbar.
Ein Beschluss vor oder nach der Sitzungspause…
Die inzwischen häufig als Heizungsgesetz betitelte GEG-Novelle könnte aber auch noch vorher ausgebremst werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann, Mitglied des Ausschusses für Klimaschutz und Energie, will durch eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts den in der 27. KW geplanten Beschluss des Bundestags verhindern. Ein entsprechender Antrag soll am 30. Juni 2023 gestellt worden sein.
Heilmann, seit März 2022 auch Vorsitzender der KlimaUnion, die vor zwei Jahren „das [damals] aktuell offensivste Klima-Politikpapier“ vorgelegt hatte, geht es dabei allerdings ausdrücklich nicht um die Inhalte des Gesetzentwurfs, sondern um die sehr kurzen Fristen zum Prüfen und Beraten der Inhalte. Letztendlich ist es aufgrund der neuen Ausrichtung der GEG-Novelle in der Sache auch gar nicht mehr wichtig, ob das Gesetz Anfang Juli oder erst nach der Sitzungspause Anfang September beschlossen wird:
…ist für den Klimaschutz nicht mehr relevant
Die Mehrzahl der Neubauten erfüllte die Heizungsanforderungen ohnehin bereits und im Bestand sollen sie erst greifen, wenn vor Ort ein Wärmeplan vorliegt, der auf der Grundlage einer bundesgesetzlichen Regelung zur Wärmeplanung erstellt wurde. Das Wärmeplanungsgesetz („Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ existiert jedoch noch gar nicht und soll erst bis Ende 2023 vom Bundestag beschlossen werden (BMWSB-Info Wärmeplanungsgesetz, Stand und Referentenentwurf). Wärmepläne, die aufgrund von Landesgesetzten in einigen Bundesländern zurzeit schon erstellt werden, werden also im Normalfall Anfang 2024 noch nicht die Heizungsregeln der GEG-Novelle im Bestand in Kraft setzen. Die Formulierungshilfe sieht dazu in § 71 Absatz 8 konkret vor:
„[Satz 1:] In einem bestehenden Gebäude, das in einem Gemeindegebiet liegt, in dem am 1. Januar 2024 mehr als 100 000 Einwohner gemeldet sind, kann bis zum Ablauf des 30. Juni 2026 eine Heizungsanlage ausgetauscht und eine andere Heizungsanlage zum Zweck der Inbetriebnahme eingebaut oder aufgestellt und betrieben werden, die nicht die Vorgaben des Absatzes 1 erfüllt.
[Satz 2:] In einem bestehenden Gebäude, das in einem Gemeindegebiet liegt, in dem am 1. Januar 2024 100 000 Einwohner oder weniger gemeldet sind, kann bis zum Ablauf des 30. Juni 2028 eine Heizungsanlage ausgetauscht und eine andere Heizungsanlage zum Zweck der Inbetriebnahme eingebaut oder aufgestellt und betrieben werden, die nicht die Vorgaben des Absatzes 1 erfüllt.
[Satz 3:] Sofern das Gebäude in einem Gebiet liegt, für das vor dem Ablauf des 30. Juni 2026 im Fall des Satzes 1 oder vor dem Ablauf des 30. Juni 2028 im Fall des Satzes 2 durch die nach Landesrecht zuständige Stelle unter Berücksichtigung eines Wärmeplans, der auf der Grundlage einer bundesgesetzlichen Regelung zur Wärmeplanung erstellt wurde, eine Entscheidung über die Ausweisung als Gebiet zum Neu- oder Ausbau eines Wärmenetzes oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet getroffen wurde, sind die Anforderungen nach Absatz 1 einen Monat nach Bekanntgabe dieser Entscheidung anzuwenden. Gemeindegebiete, in denen keine Wärmeplanung vorliegt, werden so behandelt, als läge eine Wärmeplanung vor.“
Der Termindruck entsteht vielmehr aus dem Misstrauen innerhalb der Ampel, dass sich die FDP nach der Sommerpause erneut querstellen und versuchen könnte, die ursprünglich von der Ampel gemeinsam beschlossenen Anforderungen noch weiter zu verwässern und herunterzuschrauben. Ein Heizungsbetrieb mit 65 % erneuerbare Energie wird bei vielen der vorgesehenen Optionen nicht ab 2024 und auch noch nicht im Jahr 2034 oder aber als Systemeigenschaft auch ohne das GEG sofort erfüllt.
Der Idealfall: ein individueller Wärmeplan
Das bedeutet auch, dass fast alle Regelungen bezüglich neu eingebauter Heizungen in allen bisher bekannten Stadien der GEG-Novelle überflüssig sind oder signifikant vereinfacht werden können – sofern für jedes Gebäude ein individueller Wärmeplan unter Berücksichtigung des kommunalen Wärmeplans erstellt wird. In abgeschwächter Form macht das bisher jeder ehrbare Heizungsbauer, TGA-Planer oder Energieberater und etwas detaillierter ein Energie-Effizienz-Experte beim Erstellen eines individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP).
Was bisher fehlt, ist ein standardisierter Blick in die Zukunft mit Preispfaden oder -korridoren für die Energieträger. Dafür sollte der Gesetzgeber, analog zur Kommunalen Wärmeplanung, anzuwendende Werte mit einer Bandbreite vorgeben. Wer sich auf dieser Basis unter Berücksichtigung der Gebäudehülle und der vorhandenen Anlagentechnik sowie der Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten beraten und die voraussichtlichen Gesamtkosten der zur Verfügung stehenden Optionen aufzeigen lässt, wird (zumindest ohne Kosten-Nutzer-Dilemma) ganz ohne Zwang eine Lösung wählen, die mit mindestens oder mehr als 65 % erneuerbarer Energie betrieben wird. Das Ergebnis wird sich auch nicht grundlegend ändern, wenn man eine eigene Varianz bei den Energiekosten zugrunde legt (vgl.: Nur mit Wärmepumpen sind niedrige Heizkosten realisierbar).
Die Ampellösung: Vorgaben und Pflichtberatung
In der Ampel sind diese Verhältnisse auch bekannt, trotzdem konnte man sich bisher nicht dazu durchringen, sie entweder den Bürgern nachvollziehbar zu präsentieren und daraus die notwendigen Regeln und Einschränkungen abzuleiten, damit Fehlinvestitionen und Folgekosten für die Gesellschaft vermieden werden, oder sich auf die eben aufgezeigte umfassende Beratungspflicht zu konzentrieren und parallel allgemeine Vorgaben zur Dekarbonisierung der bisher benutzten Energieträger auf den Weg zu bringen (vgl.: Wie man die GEG-Novelle pragmatisch reformieren könnte).
Immerhin sieht die Formulierungshilfe in § 71 „Anforderungen an eine Heizungsanlage Anforderungen an eine Heizungsanlage“ als Absatz 11 vor:
„Vor Einbau und Aufstellung einer Heizungsanlage, die mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betrieben wird, hat eine Beratung zu erfolgen, die auf mögliche Auswirkungen der Wärmeplanung und eine mögliche Unwirtschaftlichkeit, insbesondere aufgrund ansteigender CO2-Bepreisung, hinweist. Die Beratung ist von einer fachkundigen Person […] durchzuführen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen stellen bis zum 1. Januar 2024 Informationen zur Verfügung, die als Grundlage für die Beratung zu verwenden sind.“
GIH: „Es gibt genügend Berater“
Man darf gespannt sein, ob der Zeitpunkt „Vor Einbau und Aufstellung einer Heizungsanlage“ tatsächlich vom Gesetzgeber beschlossen wird, oder ob er nicht explizit vor den Abschluss eines Leistungsvertrags gestellt wird und ob er noch hinzufügt, wer eigentlich beraten werden soll… (in der Begründung wird der Gebäudeeigentümer benannt).
Jedenfalls wird die Pflichtberatung nicht an einem Mangel an Beratern scheitern und vom Energieberatendenverband GIH unterstützt. Stefan Bolln, Bundesvorsitzender des GIH:
„Sehr positiv ist, dass alle Hauseigentümer, die ab 2024 eine Heizungsanlage einbauen möchten, die mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betrieben wird, sich beraten lassen müssen. Hier können die Energieberatenden durch ihren ganzheitlichen Blick auf Risiken und Kostenfallen hinweisen, die z. B. eine neue Gas-Heizung nach sich zieht. Wie auch beim individuellen Sanierungsfahrplan ist hier ein unabhängiger und gewerkeübergreifender Blickwinkel für Kunden sehr hilfreich.
Deshalb halte ich es für nicht zielführend, dass bei der neuen verpflichtenden GEG-Beratung meist ohnehin gut ausgelastete Fachhandwerker noch zusätzliche Beratungen durchführen sollen. Energieberatende können diese durch ihre Expertise, z. B. mit den geforderten Wirtschaftlichkeitsberechnungen, tatkräftig und qualifiziert unterstützen. Das Beratungsziel ist immer, ein auf die Gebäudeeigentümer individuell zugeschnittenes Konzept aus energieeffizienten Maßnahmen, unter Einsatz eines möglichst hohen Anteils an erneuerbaren Energien, zu entwickeln und umzusetzen.
Die Kapazitäten dafür sind am Markt verfügbar: Allein die ca. 14 000 in der Energie-Effizienz-Experten-Liste des Bundes eingetragenen Energieberatenden könnten ohne Probleme die Beratungen für die geschätzt rund 300 000 neuen Gas- und Holz-Heizungen jährlich durchführen. Dies entspricht im Monat weniger als zwei Beratungen pro Experten. Sind dann, wie im Gesetzesentwurf vorgesehen, auch noch zusätzlich die Ausstellungsberechtigen für Energieausweise zugelassen, beschränkt sich der zusätzliche Aufwand auf weniger als eine Beratung pro Monat.“
Im Bestand sind kostenrelevante Rückwirkungen möglich
Eigentlich muss der Warnhinweis noch erweitert werden, denn § 71 Absatz 9 der Formulierungshilfe sieht vor:
„Der Betreiber einer mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickten Heizungsanlage, die nach Ablauf des 31. Dezember 2023 und vor Ablauf des 30. Juni 2026 im Fall des Absatzes 8 Satz 1 [siehe oben: Gemeindegebiet hat mehr als 100 000 Einwohner] oder vor dem Ablauf des 30. Juni 2028 im Fall des Absatzes 8 Satz 2 [siehe oben: Gemeindegebiet hat 100 000 oder weniger Einwohner] oder vor der Entscheidung nach Absatz 8 Satz 3 [siehe oben: das Gebiet für den Neu- oder Ausbau eines Wärmenetzes oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet ausgewiesen] eingebaut wird und die nicht die Anforderungen des Absatzes 1 [also nicht einzelnachweislich mit 65 % EE betrieben wird oder einer der 65-%-Erfüllungsoptionen entspricht, beim Einbau eines 100-%-H2-ready-Heizkessels besteht die nachstehende Pflicht als nicht] erfüllt, hat sicherzustellen, dass ab dem 1. Januar 2029 mindestens 15 Prozent, ab dem 1. Januar 2035 mindestens 30 Prozent und ab dem 1. Januar 2040 mindestens 60 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme aus Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate erzeugt wird. […]“
Obwohl die Anforderungen beim Einbau einer neuen Heizung im Bestand erst einem Monat nach der Vorliegen der Kommunalen Wärmeplanung greifen sollen, können sie bei mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickten Heizungsanlagen noch nachträglich kostensteigernde Pflichten auslösen.
Die offiziellen Bundestagsdrucksachen des Regierungsentwurfs und der Formulierungshilfe stehen hier als PDF-Download zur Verfügung. ■
Quelle: Formulierungshilfe, GIH / jv
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