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VDI/BTGA 6044

Vermeidung von Schäden in Kalt- und Kühlwassersystemen

Bild 1 Korrosion und Biofilmablagerungen in einem geschlossenen Kühlwassersystem.

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Bild 1 Korrosion und Biofilmablagerungen in einem geschlossenen Kühlwassersystem.

Die Ursachen für eine erhöhte Korrosionswahrscheinlichkeit und Ablagerungen in Kaltwasser- und Kühlkreisläufen liegen häufig in einer unzureichenden Aufbereitung und Behandlung des Füll- bzw. Ergänzungs- und Umlaufwassers. Auch während des Betriebs kann es zur Veränderung der Wasserbeschaffenheit kommen. Deshalb ist eine Überwachung und Dokumentation der Wasserbeschaffenheit notwendig. Entsprechende Regelungen, Hinweise und Hilfen enthält die Richtlinie VDI/BTGA 6044.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Die Richtlinie VDI/BTGA 6044 gilt für Kalt- und Kühlwasserkreisläufe mit einem Gesamtvolumen über 1000 l und einer Umlauftemperatur unter 40 °C, die Teil einer technischen Gebäudeausrüstung sind oder sich in Gebäuden oder auf Grundstücken befinden oder industrielle Zwecke erfüllen.
■ Sie gibt für Neuanlagen Hinweise zum Berücksichtigen wassertechnischer Aspekte bereits in der Planungsphase, zur Festlegung der spezifischen Wasserparameter, zur sachgemäßen Inbetriebnahme und zu turnusmäßigen Überprüfungen.
■ Für bestehende Anlagen beinhaltet die Richtlinie Hilfen für die Identifikation von Störungen und angepasste Lösungen bei Korrosion und Ablagerungen sowie Hinweise zur Ausführung von Reinigungsmaßnahmen.
 

Sie war längst überfällig: Die neue Richtlinie VDI/BTGA 6044 „Vermeidung von Schäden in Kaltwasser- und Kühlkreisläufen“ ergänzt seit April 2023 die Richtlinie VDI 2035 „Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen – Steinbildung und wasserseitige Korrosion“. VDI/BTGA 6044 betrifft geschätzt Bestandsanlagen im hohen 5-stelligen Bereich und eine zunehmende Zahl von Neuanlagen, besonders aus dem Bereich erneuerbare Energien, beispielsweise Wärmepumpen mit Kühlsole-Kreisläufen oder kalte Nahewärmenetze.

Die Richtlinie ist für Kalt- und Kühlwasserkreisläufe mit einer Umlaufwassertemperatur unter 40 °C und einem Volumen von mindestens 1000 l im TGA-Bereich, innerhalb von Gebäuden und auf Grundstücken sowie für industrielle Anwendungsfälle anzuwenden. Dazu zählen auch alle Systeme, die mit Frostschutzmitteln gefüllt bzw. konditioniert sind.

Energie- und Kosteneffizienz von Anlagen zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen ist zur Priorität Nummer 1 aufgestiegen. Um diese Anforderungen zu realisieren, sind die Anlagen komplexer geworden. Da der Betrieb dieser Systeme bislang in keinem Regelwerk erwähnt war, haben viele Betreiber auf eine sinnvolle chemische und / oder physikalische Überwachung ihrer Wasserkreisläufe verzichtet oder waren sich der Wichtigkeit nicht bewusst. So haben Korrosion und mikrobiologische Verunreinigungen teils zu massiven Betriebsstörungen, Effizienzverlust und aufwendigen Instandsetzungsarbeiten geführt.

Bild 2 Lochfraßkorrosion kurz vor dem Entstehen des Durchbruchs.

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Bild 2 Lochfraßkorrosion kurz vor dem Entstehen des Durchbruchs.

Wasserbehandler haben schon seit Jahren auf die Sinnhaftigkeit solcher Untersuchungen hingewiesen. Ohne konkrete Vorgaben sind Betreiber jedoch oft nicht bereit, zusätzliche Investitionen vorzunehmen. Häufig wird in der Praxis auch übersehen, dass Kalk- und Korrosionsbeläge im System den Wärmeübergang gravierend verschlechtern und so die Energiekosten unnötig in die Höhe treiben. Beispielsweise verschlechtert ein 1 mm dicker Kalkbelag in einem Wasser/Wasser-Wärmeübertrager den Wärmeübergang bereits um 20 %. Ein Biofilm wirkt sich aufgrund der größeren Dämmwirkung noch stärker aus.

Somit ist das Ziel klar definiert: Jede Anlage soll effizient und betriebsstörungsfrei ohne großen Instandhaltungsaufwand laufen.

Warum eine regelmäßige Kontrolle der Anlage unbedingt erforderlich ist

Korrosionserscheinungen bzw. -schäden sind in diffusionsoffenen Systemen an der Tagesordnung, obwohl sie durchaus leicht zu vermeiden sind. Hierzu muss man wissen, dass geschlossene Anlagen von Betreibern gedanklich oft mit diffusionsgeschlossenen Anlagen gleichgesetzt werden.

Atmosphärisch offene Anlagen haben nicht unbedingt einen sichtbaren Zugang zur Umgebung. Auch Werkstoffe, beispielsweise bestimmte Kunststoffarten, sind sauerstoffdurchlässig. Ein System mit einem Sauerstoffgehalt von über 100 µg/l im Wasserkreislauf gilt als atmosphärisch offene Anlage. Problematisch sind auch diffusionsoffene Bauteile, etwa Flexschläuche zur Anbindung von Übergabesystemen.

Zusätzlich ist auch bei vermeintlich geschlossenen Anlagen eine Gefahr durch Mikroorganismen (siehe unten) und somit auch durch spezielle Korrosionsmechanismen gegeben. Korrosion kann auf mehreren Wegen zum Ausfall von Anlagen und zu weiteren Problemen führen. Zur Vermeidung sind auch Experten aus der Industrie gefragt, die alle offenen Fragen zusammen mit den Betreibern beantworten können.

Korrosion ist immer irreversibel und letztendlich nicht gänzlich vermeidbar. Aber eine gleichmäßige Flächenkorrosion, die den Werkstoff erst nach Jahrzehnten ankratzt, ist jeder anderen Korrosionsart – etwa Lochfraßkorrosion, Spaltkorrosion und Spannungsrisskorrosion, um nur einige Beispiele zu nennen – vorzuziehen. Bei einer gleichmäßigen Flächenkorrosion liegen Anode und Kathode dicht beieinander. Der Abtrag ist flächig, häufig bildet sich eine gleichmäßige Oxidschicht, die korrosionshemmend wirkt. Sie verhindert, dass Sauerstoff an die Kathode gelangt.

Bild 3 Stahlrohr aus einem geschlossenen Kühlkreislauf nach 5 Jahren Betrieb: Flächen- und Lochfraßkorrosion.

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Bild 3 Stahlrohr aus einem geschlossenen Kühlkreislauf nach 5 Jahren Betrieb: Flächen- und Lochfraßkorrosion.

Wichtig für technische Anlagen ist außerdem, dass Eisenoxidpartikel auf Kupfer und Kupferoxidpartikel auf Eisen korrosiv wirken können. Des Weiteren schädigt eine zu hohe Chlorid-Konzentration die Schutzschicht und führt zu Lochkorrosion.

Das Verdeutlicht: nur durch konsequente, regelmäßige und sinnvolle chemische und physikalische Wasseranalysen kann das System zu jeder Zeit beschrieben, beurteilt und gegebenenfalls an andere Bedingungen angepasst werden. Hierbei sollte der Betreiber eng mit seinem Wasserbehandler zusammenarbeiten.

Mikrobielle Korrosion

Der Bakterienstamm Halomonas titanicae frisst in 3800 m Wassertiefe bei 4 °C und völliger Dunkelheit das Wrack der Titanic auf. Eigentlich fühlt er sich bei 30 °C wohl. Das zeigt: Es gibt keine Garantien. Zusammen mit anderen eisenoxidierenden Mikroorganismen ist Halomonas titanicae mitverantwortlich für den Abbau von Eisenkonstruktionen „unter Wasser“.

Eisenoxidierer (direkter Effekt auf den Werkstoff) gehören zu den geochemisch aktiven Organismen, ebenso wie Schwefelbakterien und Nitratreduzierer. Nitratreduzierer wandeln Luftstickstoff mit Sauerstoff in Nitrat (NO32−) um. Bei der Zwischenstufe Ammoniumoxidation wird Säure frei, diese ist leicht messbar (pH-Wert Senkung).

Das durch Mikroorganismen aus Sulfat gebildete Sulfid korrodiert Stahl, was keine Änderung des pH-Wertes zur Folge hat, aber am Geruch deutlich zu erkennen ist – mikrobiologische Sukzession: Nitrat wird zuerst gezehrt (erkennt man am pH-Wert), dann erst Sulfat (riecht man) und bis zur Schwefelkorrosion dauert es schon mal 1 bis 2 Jahre.

Diese Prozesse sind unabhängig vom Einspeisewasser. Sie zeigen, wie vielfältig das Problem sein kann und machen deutlich, dass eine regelmäßige Kontrolle der Anlagen ein Muss ist. Deshalb war die Erstellung der Richtlinie VDI/BTGA 6044 überfällig und gibt nun die Kontrollen und Analysen auf, die eine sinnvolle Betrachtung des Gesamtsystems und so die Werterhaltung der betroffenen Anlagen sicherstellen.

Korrosion führt zu ungelösten Partikeln in den Anlagen: Zur Entfernung ungelöster Partikel (Korrosionspartikel, Schmutz, Bakterien, Biofilm etc.) verschiedener Größe sind verschiedene Filtertypen im Einsatz, die sich maßgeblich durch ihre Maschenweite unterscheiden. VDI/BTGA 6044 hilft mit einer übersichtlichen Tabelle zur Auswahl der technischen Möglichkeiten. Hier ist die Zusammenarbeit mit den Lieferanten / Wasserbehandlern ein guter Weg, um den passgenauen Filter für die jeweilige Anlage zu finden.

Die Probleme können vielfältig sein…

… beispielsweise sind Materialpaarungen wie in Anlagen aus Stahl verbaute Messing- bzw. Rotgussfittings und -Armaturen kein Problem. Bei Bauteilen aus Aluminiumlegierungen muss aber zwingend auf den pH-Wert und die Leitfähigkeit (bzw. Chlorid-Konzentration) geachtet werden, sonst ist die Gefahr einer Korrosionsbildung gegeben.

Oft ist bei Anlagen auch keine ausreichende Druckhaltung mit mindestens 0,5 bar vorhanden, sodass es immer wieder zu einem Luft- und damit Sauerstoffeintrag kommen kann.

Was fordert VDI/BTGA 6044 genau?

Schon bei der Planung und Errichtung von Kalt- und Kühlwassersystemen kommt der regelmäßigen technischen Instandhaltung und der physikalischen (pH-Wert, Leitfähigkeitsmessung) und chemischen Analyse ein großer Stellenwert zu. Im laufenden Betrieb erkennt der Experte u. a. auch anhand unterschiedlicher Gerüchen, Trübungen und Wasserwerten den Zustand einer Anlage.

Bild 4 Wasser mit ausgespülten Korrosionsablagerungen aus einem geschlossenen Kühlkreislauf nach nur einem halben Jahr Betrieb.

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Bild 4 Wasser mit ausgespülten Korrosionsablagerungen aus einem geschlossenen Kühlkreislauf nach nur einem halben Jahr Betrieb.

Von vorne herein ist ein Anlagenbuch mit allen für die Anlage wichtigen Parametern zu führen, ist ein Mindestumfang von Wasseranalysen zu planen oder eine fortwährende Überwachung mittels MSR-Technik vorzusehen. In Planung sind außerdem Schulungen nach VDI-Standard für alle Betreiber.

Alle technischen Maßnahmen können leicht nachgerüstet werden, sodass sich auch problembehaftete Anlagen in effiziente, betriebsstörungsfrei laufende Anlagen ohne großen Instandhaltungsaufwand wandeln lassen.

So beugt der Betreiber mit geringem Aufwand Schäden von oft fünf- bis sechsstelliger Höhe und dauerhaften Betriebsproblemen vor. Die Richtlinie VDI/BTGA 6044 hilft damit Kosten zu vermeiden, die beispielsweise durch Korrosionsschäden direkt und indirekt entstehen können. Gleichzeitig können auch die Energiekosten durch eine optimale Wasserbehandlung reduziert werden.

Durch die Bereitstellung von umweltfreundlichen Wärmeträgerfluids und leistungsstarken Korrosionsschutzprodukten, durch Beratung für die richtige Auswahl von Materialien und Technik, durch das Durchführen von vor-Ort-Analysen sowie Laborservice werden die Voraussetzungen für eine dauerhaft effizient und betriebsstörungsfrei laufende Anlage geschaffen. Sprechen Sie Ihren Wasserbehandler bei der Umsetzung der Richtlinie VDI/BTGA 6044 an! Sie enthält Angaben für Neuanlagen und für Bestandsanlagen und Anlagenstörungen in Bestandsanlagen.

Die Richtlinie VDI/BTGA 6044 basiert auf der BTGA-Regel 3.003 „Wassergeführte Kalt- bzw. Kühlwasserkreisläufe – zuverlässiger Betrieb unter wassertechnischen Aspekten“ und ist ein gemeinsames Projekt des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung (BTGA). Mit Veröffentlichung der Richtlinie VDI/BTGA 6044 im April 2023 wurde die BTGA-Regel 3.003 zurückgezogen.

Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Regelwerk

Dr. Andreas Detig
ist Geschäftsführer der aqua-concept Ges. für Wasserbehandlung mbH, 82166 Gräfelfing, und hat aktiv an der Entwicklung der Richtlinie VDI/BTGA 6044 mitgearbeitet. www.aqua-concept-gmbh.eu

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