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Trinkwasser-Installation

Ist die Leitung wirklich dicht?

Kompakt informieren

  • Leitfäden, Merkblätter und Handlungsempfehlungen, die von Fachverbänden herausgegeben und von weiten Teilen der Branche befürwortet werden, empfehlen aus hygienischen Gründen bei Trinkwasser-Installationen eine Dichtheitsprüfung mit Druckluft oder inerten Gasen.
  • Die Versicherungsunternehmen sind allerdings davon überzeugt, dass diese Methode nicht hinreichend verlässlich ist, Leckagen in jedem Anwendungsfall zuverlässig zu entdecken. Zudem wird die Methode in der Praxis häufig nicht mit der erforderlichen Sorgfalt angewendet.
  • Eine aus einem Gesetz hervorgehende Verordnung, die bezüglich der Dichtheitsprüfung mit Druckluft oder inerten Gasen auf harmonisierte Normen Bezug nimmt oder auf technische Regeln verweist, gibt es in Deutschland nicht. Nur eine solche Regelung hätte zweifelsfrei den Rang einer „nationalen Bestimmung“, die Grundlage für die Dichtheitsprüfung von Trinkwasser-Installationen mit Druckluft oder inerten Gasen gemäß DIN EN 806 ist.

Ein einheitliches technisches Regelwerk für die Dichtheitsprüfung einer Trinkwasser-Installation könnte für Rechtssicherheit sorgen – doch verbindliche Vorgaben bestehen derzeit in Deutschland nicht. Dabei gibt es durchaus Bedarf für eine eindeutige Handlungsanweisung, denn jedes Jahr treten bundesweit in Gebäuden mehr als eine Million Wasserschäden auf, die auf undichte Trinkwasserleitungen zurückzuführen sind. Für die Regulierung der Schäden geben allein die Versicherer rund 2 Mrd. Euro/a aus, etwa ein Drittel der Summe entfällt auf Neubauten.

Vor allem wenn die abschließende Dichtheitsprüfung mit ölfreier Druckluft oder inerten Gasen durchgeführt wurde, verweigern die Versicherungsunternehmen zunehmend die Zahlung. Sie sind davon überzeugt, dass diese Methode nicht hinreichend verlässlich ist, Leckagen in jedem Anwendungsfall zuverlässig zu entdecken. Auch die Gerichte folgen immer häufiger dieser Einschätzung, sodass letztlich der ausführende Installateur, die Sanitärfirma, der Fachplaner oder das verantwortliche Bauunternehmen für den entstandenen Wasserschaden und die mit Leckagen verbundenen Beseitigungskosten haften.

Die Einschätzung der Versicherer und Gerichte steht diesbezüglich im Widerspruch zu Leitfäden, Merkblättern und Handlungsempfehlungen, die von Fachverbänden, beispielsweise dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), herausgegeben und von weiten Teilen der Branche befürwortet werden. Ausdrücklich empfehlen ausgewiesene Experten die Dichtheitsprüfung mit Druckluft oder inerten Gasen, da sie große Vorteile hinsichtlich der Trinkwasserhygiene hat. Denn bei einer Druckprüfung mit Wasser kann eine spätere Verkeimung der Leitungen kaum ausgeschlossen werden.

Druckluft in der Wasserleitung

Dass Bauplaner und Installateure überhaupt verschiedene Möglichkeiten haben, die Dichtheit von Trinkwassersystemen zu prüfen, ist in der Formulierung der aktuell gültigen Norm DIN EN 806 begründet. Diese gestattet ausdrücklich die Verwendung von Wasser und unter bestimmten Bedingungen auch von Druckluft oder inerten Gasen (siehe unten) als Medium bei der Dichtheitsprüfung. Noch bis 2011 hatte die mittlerweile zurückgezogene DIN 1988-2 in Deutschland ausschließlich Wasser als Prüfmedium vorgesehen. Die Änderung der Vorgaben trägt der Erkenntnis Rechnung, dass längere Standzeiten in den Rohrleitungen Verkeimungen begünstigen. Das Risiko besteht immer dann, wenn ein längerer Zeitraum zwischen der Dichtheitsprüfung und der Inbetriebnahme liegt. Die Prüfung mit Druckluft vermeidet hingegen, dass sich Mikroorganismen, beispielsweise Legionellen, in der Trinkwasser-Installation ansiedeln und vermehren können.

Der ZVSHK empfiehlt Installateuren des-halb, Wasser nur noch in Ausnahmefällen zu verwenden. Viele Handwerker und Installationsbetriebe folgen diesem Rat aufgrund der hygienischen Unbedenklichkeit – aber auch deshalb, weil es die vermeintlich einfachere Variante ist. So kann die Prüfung zeitlich flexibel schon während der Rohbauphase erfolgen, ohne dass Standzeiten beachtet oder die Leitungen nach der Druckprüfung mit Wasser regelmäßig gespült werden müssen. Doch gleichzeitig wird nur selten berücksichtigt, dass bei der Prüfung mit kompressiblen Medien äußerst sorgfältig gearbeitet werden muss und auch besonders empfindliche, qualitativ hochwertige Manometer nötig sind. Auch das enorme Gefahrenpotenzial, das – schon bei geringem Überdruck – von kompressiblen Medien in flexiblen Leitungen ausgeht, wird regelmäßig unterschätzt.

Aufwand ist größer

Bei genauerer Betrachtung und dem Abschätzen der Vor- und Nachteile ist offensichtlich, warum die Prüfung mit Druckluft oder inerten Gasen von den Versicherern als nicht verlässlich angesehen wird. Beim Abdrücken mit Luft wird mit Drücken im Millibar-Bereich gearbeitet (Prüfdruck 150 mbar). Aus diesem Grund muss das gesamte Leitungssystem unterteilt werden, sodass viele Teilabschnitte mit kleinem Volumen entstehen. Ansonsten können die minimalen Druckunterschiede, die aus winzigen Leckagen resultieren, nicht zuverlässig detektiert werden.

Zudem können auch Temperaturschwankungen (z. B. durch direkte Sonneneinstrahlung) dazu führen, dass der Druck kontinuierlich steigt – obwohl zeitgleich etwas Luft aus dem Leitungssystem entweicht. Änderungen der Temperatur können als Einflussfaktor ausgeschlossen werden, indem die Prüfung über einen längeren Zeitraum erfolgt. Um auch kleine, undichte Stellen zuverlässig zu erkennen, ist es zudem erforderlich, alle Verbindungsteile „einzuseifen“ und über den gesamten Prüfzeitraum hinweg zu beobachten.

In der Summe wird deutlich, dass die Prüfmethode in der Praxis keineswegs so einfach durchzuführen ist, wie vielfach angenommen wird. Schon kleine Nachlässigkeiten oder technische Fehler können das Prüfergebnis beim Abdrücken mit Luft verfälschen und so Leckagen und Undichtigkeiten unentdeckt bleiben. Sachverständige stellen während der Arbeiten auf der Baustelle häufiger fest, dass bei der Prüfung mit Druckluft von den Handlungsempfehlungen der Merkblätter abgewichen und nicht mit der nötigen Sorgfalt bei Vorbereitung und Durchführung vorgegangen wird. Zeit-, Termin- oder Kostendruck werden häufig als Grund angeführt, wenn die System- und Umgebungsbedingungen nicht berücksichtigt werden, das Einseifen der Verbindungen und Armaturen unterbleibt oder ungeeignete Messgeräte zum Einsatz kommen.

Vielfach unterschätzt wird auch immer noch das Gefahrenpotenzial, das von Leitungen ausgeht, wenn diese mit einem komprimierten Medium unter Druck gesetzt werden. Wasser steht zwar mit bis zu 10 bar Druck in den Leitungen. Dieser fällt jedoch augenblicklich ab, ohne das Volumen zu verändern, wenn die Leitung undicht ist. Wird hingegen der maximale Prüfdruck von 1 bar bei Luft überschritten, können auch kleine Leckagen großes Zerstörungspotenzial entwickeln. Denn platzt eine undichte Stelle, vergrößert sich schlagartig das Volumen des Mediums. Einzelne Bauteile können weggeschleudert und zu Geschossen werden. Schläuche können durch die Luft peitschen und selbst massive Mauern durchschlagen. Auch der ZVSHK weist auf diese Gefahr hin, unter anderem mit dem Merkblatt „Druckprüfung von Trinkwasser-Installationen mit Druckluft, Inertgas oder Wasser“.

DIN EN 806 richtig interpretieren

Ungeachtet dieser Nachteile ist das Abdrücken mit Luft bei der abschließenden Dichtheitsprüfung zum Standard aufgestiegen. Im Schadensfall stehen die Bauplaner und Installateure in der Verantwortung, wenn sich Versicherer und Gerichte auf DIN EN 806 berufen. Die Norm schreibt die Verwendung von Wasser vor. Gleichzeitig erlaubt sie die Verwendung von Luft oder Inertgasen „[…] sofern nationale Bestimmungen dies zulassen“. Genau aus dieser Formulierung resultiert das bestehende Dilemma. Was als „nationale Bestimmung“ gilt, wird in der Norm nämlich nicht näher definiert. Allerdings ist juristisch äußerst zweifelhaft, ob beispielsweise DVGW-Arbeitsblätter, VDI-Richtlinien oder ZVSHK-Merkblätter die Kriterien und Anforderungen erfüllen, die an eine offizielle, nationale Bestimmung gestellt werden (z. B. eine rechtlich verbindliche Verordnung).

Alle genannten, infrage kommenden Dokumente haben lediglich Empfehlungscharakter. In der Praxis haben sich die Merkblätter auch deshalb durchgesetzt, weil sie die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen, in der Branche und bei Facharbeitern durchweg bekannt sind und sich durch regelmäßige Anwendung bewährt haben. Doch offensichtlich sind die Versicherer nicht überzeugt von diesen Argumenten. Denn eine aus einem Gesetz hervorgehende Verordnung, die wiederum auf harmonisierte Normen Bezug nimmt oder auf technische Regeln verweist, gibt es in Deutschland nicht. Nur eine solche Regelung hätte zweifelsfrei den Rang einer „nationalen Bestimmung“.

Um Planern, Installateuren, Bauherren und -unternehmern Planungssicherheit zu geben, sind die Berufsverbände und Interessengemeinschaften gefordert, die derzeitige Situation zu verbessern und eine einheitliche Vorgehensweise und neue technische Regeln zu erarbeiten bzw. abzustimmen. Ziel sollte dabei sein, verlässliche und wirksame Verfahren zur Dichtheitsprüfung einzuführen, die den Anforderungen an die zuverlässige Leckage-Detektion, an die Hygiene und an die Arbeitssicherheit entsprechen. Bei der Prüfung mit Druckluft besteht diesbezüglich noch Verbesserungsbedarf, dem beispielsweise mit Schulungen der Fachkräfte begegnet werden kann. Nur wenn eine konstant hohe Prüfqualität mit Druckluft erreicht und die Mängelquote bei Neubauten deutlich gesenkt wird, kann diese Methode langfristig ausreichend Akzeptanz bei den Versicherern erlangen.

Prüfmethoden kontinuierlich verbessern

Doch auch die Anforderungen an die Wasserdruckprüfung sollten überarbeitet, konkretisiert und gegebenenfalls ergänzt werden. Bezüglich der Hygiene sollte beispielsweise die abschließende Desinfektion mit zugelassenen Hilfsstoffen in Erwägung gezogen werden. Das ist bei sensiblen Trinkwassersystemen – etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen – ohnehin gängige Praxis. Doch genauso gut können regelmäßige Spülungen des Systems eine Verkeimung verhindern.

Gerade bei größeren Leitungssystemen, die auch wenig genutzte Entnahmestellen beinhalten, können automatische Spülsysteme – auch nach Inbetriebnahme – helfen, die Trinkwasserqualität zu sichern. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Dichtheitsprüfung nicht im laufenden Baubetrieb stattfinden muss. Richtig geplant genügt es, die Dichtheit nach dem Spülen und Befüllen, also im Zuge der Inbetriebnahme zu prüfen.

In der Zwischenzeit raten die Sachverständigen von TÜV SÜD, die Dichtheit von Trinkwasserleitungen vor der Inbetriebnahme grundsätzlich gemäß DIN EN 806-2 mit Wasser bei 11 bar zu prüfen. Nur mit diesem Verfahren kann derzeit ein mögliches Haftungsrisiko im Falle eines Wasserschadens abgewendet werden und der Versicherungsschutz beansprucht werden. In jedem Fall sollten Planer, Sanitärbetriebe und die Installateure das Verfahren nach reiflicher Überlegung auswählen, sorgfältig planen und entsprechend der Handlungsempfehlungen und Merkblätter durchführen.

Dipl.-Ing. (FH) Hermann Wagner

ist Leiter Zentralbereich Gebäudetechnik, Geschäftsfeld Bautechnik bei TÜV SÜD Industrie Service, 80686 München, Telefon (0 89) 57 91 36 61, h.wagner@tuev-sued.de, www.tuev-sued.de/is

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