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Wohnungsbau

„Lehm erspart Klimatechnik …“

Auch die eingesetzten Baustoffe können das Raumklima positiv beeinflussen. Doch ist durch die Verwendung von Lehm und Holz die ‚Einsparung‘ von Lüftungstechnik wirklich sinnvoll? Fakt ist: Die TGA-Kosten müssen überdacht werden.

GV

Auch die eingesetzten Baustoffe können das Raumklima positiv beeinflussen. Doch ist durch die Verwendung von Lehm und Holz die ‚Einsparung‘ von Lüftungstechnik wirklich sinnvoll? Fakt ist: Die TGA-Kosten müssen überdacht werden.

Natürliche Baustoffe können helfen, den Mietwohnungsbau erschwinglich zu gestalten und den Treibhausgasausstoß zu verringern: Ein durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Forschungsprojekt zeigt, dass sich Betriebs- und Instandhaltungskosten verringern lassen, indem durch klimaregulierende Baustoffe wie Holz und Lehm sowie durch kluge Planung aufwendige Gebäudetechnik verzichtbar wird.

Was aus Sicht der TGA-Branche als Bedrohung wirkt, sollte als Anstoß verstanden werden. Denn seit Jahren steigen die Baukosten und die stärkste Entwicklung im Bereich der Bauwerkskosten seit dem Jahr 2000 ist laut der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen im technischen Ausbau festzustellen, unter anderem durch Anforderungen zu mehr Energieeffizienz.

Holz und Lehm puffern Feuchtigkeit

Auch weil sie beim Wohnungsbau lange kaum eine Rolle gespielt hat, gilt Lüftungstechnik als kostenintensiv. Nun zeigt ein DBU-gefördertes Projekt, dass durch den Einsatz natürlicher Baustoffe diese Technik reduziert werden kann. Alexander Bonde, DBU-Generalsekretär: „Holz und Lehm puffern Feuchtigkeit. Zusammen mit intelligenter Haustechnikplanung lässt sich mit solchen nachhaltigen Materialien ein gutes Raumklima in Gebäuden unterstützen.“ Zudem bieten Holz und Lehm hervorragende Möglichkeiten für kreislaufgerechtes Bauen.

Das ist alles nicht neu, nur in Vergessenheit geraten. Wer aber schon einmal in einem Gebäude gewohnt hat, wird eventuell die klimaregulierenden Eigenschaften bewusst oder unbewusst ganzjährig genossen haben.

„Lüftungsanlagen führen zu sehr trockener Raumluft im Winter“

Das Institut für Architektur an der TU Berlin forscht schwerpunktmäßig an Low-Tech-Gebäuden. Institutsleiter Prof. Eike Roswag-Klinge sieht neben der Kostensteigerung ein weiteres Problem der zunehmenden Technisierung: „Je komplexer die Technik, desto größer ist das Fehlerrisiko bei der Nutzung.“ Zudem würden die letzten Jahre zeigen, dass die angestrebten Energieeinsparungen im Mietwohnungsbau noch nicht erreicht werden. Roswag-Klinge: „Mechanische Lüftungsanlagen führen regelmäßig zu sehr trockener Raumluft im Winter.“ Stellen die Bewohner dann die Fenster auf Kipplüftung, um die gefühlt schlechte Luftqualität zu verbessern, steigt der Energieverbrauch. Kritisch sei auch, dass technische Anlagen gewartet, repariert und relativ oft ausgetauscht werden müssen.

In dem DBU-Vorhaben wurde durch Simulationen gezeigt, „dass energieeffiziente Nutzung auch ohne kostenintensive Klima- und Gebäudetechnik möglich und so der Mietwohnungsbau erschwinglicher ist“, so Roswag-Klinge. „Denn sowohl Holz- als auch Ziegelkonstruktionen können mit einer Lehmputzbeschichtung Raumluftfeuchte und Wärme entsprechend gut aufnehmen und wieder abgeben.“ Kombiniert mit kurzen Stoßlüftungen über die Fenster morgens und abends könne zudem eine Schimmelbildung sicher ausgeschlossen werden.

Kritik aufnehmen, aber die richtigen Schlüsse daraus ziehen

Sieht man von der weltfremden Vorgabe für Mietwohnungen „Stoßlüftungen über die Fenster morgens und abends“ und dem Trugschluss „mechanische Lüftungsanlagen führen zu sehr trockener Raumluft im Winter“ ab, ist viel von der durch die DBU vorstehend zusammengetragenen Kritik an der Gebäudetechnik berechtigt.

Denn bisher wird zumeist für eine neue Anforderung ein neues System ergänzt und die etablierten Systeme werden mit steigenden Effizienzvorgaben nur etwas verkleinert, aber kaum günstiger. So läuft am Ende eine gewaltige TGA-Rechnung auf. Statt einem Verzicht auf Lüftungstechnik mit dem Kostenargument sollte man sich besser die Frage stellen, ob nicht ihre Kombination mit weiteren notwendigen Funktionen der Schlüssel für eine kostengünstige Gebäudetechnik ist.

Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de

Alle TGAkommentare finden Sie im TGAdossier TGA-Leitartikel

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