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Heizungswende

Wenn die Gas-Heizung über Nacht eine Fehlinvestition wird

Martin – stock.adobe.com

Eine aktuelle Entwicklung beim Gas-Netznutzungsentgelt zeigt, dass regional auch eine neu installierte Gas-Heizung schon zum Jahres­wechsel 2024/25 zum „Stranded Asset“ werden kann – weil der Umstieg auf eine Wärmepumpe viel günstiger ist.

Eine besondere Aufmerksamkeit für Dettingen an der Erms und das von ErmstalEnergie (ErmstalEnergie Dettingen an der Erms GmbH & Co. KG) hier betriebene Gas-Verteilnetz ist im Oktober 2024 zumindest seitens der Energiewirtschaft  unvermeidbar. Bei einer ene′t-Vorabauswertung der noch vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelte für 2025 liegt ErmstalEnergie mit einer Erhöhung von 93,6 % binnen Jahresfrist an der Spitze.

Mit 1432 Zählpunkten, davon 1390 im Niederdrucknetz, versorgt das Gas-Netz von ErmstalEnergie nur etwa 0,01 % der Hausanschlüsse mit Standardlastprofil in Deutschland. Die Entwicklung beim noch vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelt für 2025 könnte aber zeigen, was mittelfristig vielerorts mit unterschiedlicher Geschwindigkeit insbesondere in kleineren Verteilnetzen droht: deutlich steigende spezifische Gaspreise. Aus welchem Mix einer geringeren Abgabemenge und der Möglichkeit einer kürzeren Abschreibungszeit (KANU 2.0) und weiteren Faktoren sich die Netzentgelterhöhung in Dettingen an der Erms zusammensetzt, ist nicht bekannt. Es ist aber auch nur von sekundärem Interesse. Interessanter ist, was aus einer entsprechenden Erhöhung unmittelbar folgt und in Gang gesetzt werden kann.

Plötzlich Mehrkosten von 632 Euro/a

2024 lag in Dettingen an der Erms das Gas-Netznutzungsentgelt inklusive dem Messstellenbetrieb bei einer Netzentnahme von 20.000 kWh/a im Standardlastprofil bei 2,84 Ct/kWh (netto) im oberen Mittelfeld und wird 2025 mit 5,50 Ct/kWh (netto) voraussichtlich in der Spitzengruppe liegen. Wird das vorläufige Gas-Netznutzungsentgelt bestätigt, steigen die Kosten inklusive dem Messstellenbetrieb brutto von bereits überdurchschnittlich 676 Euro/a um 632 Euro auf 1308 Euro/a. Nur die Netznutzung ist dann mit 6,54 Ct/kWh (brutto) teurer als die gesamten Gaskosten im Bundesdurchschnitt vor 2021 inklusive Beschaffung, Vertrieb, Marge, Energiesteuer, Gasspeicherumlage und Konzessionsabgabe. Seit 2021 entstehen zusätzliche Kosten aus der CO2-Bepreisung.

Wird dieser Kostenanstieg für die Gas-Kunden real, wird dies einen Gegenbewegung mit dem Potenzial einer Kettenreaktion auslösen: Sparsames Heizen, Senkung des Energieverbrauchs, Ausweichen auf andere Beheizungsmöglichkeiten und der Umstieg auf andere Heizungsarten …

… was unvermeidbar zu einem weiteren Anstieg des Gas-Netznutzungsentgelts führt, weil die Kosten für den Betrieb, die Abschreibung und die Instandhaltung der Netze kaum geringer werden, aber auf eine immer kleinere Gasmenge umgelegt werden müssen.

Hätten alle Gaskunden den gleichen Gasverbrauch und würden ihn aufgrund des Kostendrucks im gleichen Umfang senken, würden die Kosten aus dem Gas-Netznutzungsentgelt inklusive Messstellenbetrieb trotzdem weiterhin 1308 Euro/a betragen. Steigen Gaskunden aus, müssen die verbleibenden Kunden die Kosten mittragen. Da dies ohnehin abzusehen ist, soll KANU 2.0 die Abschreibung der Gasnetze vorziehen, solange noch genug Kunden am Gasnetz hängen. Ergeben sich aus der für den Netzbetreiber freiwilligen Anwendung der KANU-2.0-Regelungen gravierende Preissprünge, wird aus dem Rettungsanker ein Kipppunkt.

Alternativen aus Kundensicht

Da sich eine Minderung des eigenen Gasverbrauchs bei einem vom Gas-Netznutzungsentgelt dominierten Gaspreis nur positiv auswirkt, wenn die anderen Gaskunden nicht sparen, ist ihre Wirkung begrenzt. Eine andere Reaktion könnte sein, die vorhandene Gas-Heizung auf Flüssiggas umzustellen. Ob dies möglich und wirtschaftlich ist, lässt sich nur im Einzelfall prüfen.

Eine ebenfalls naheliegende Option ist der Umstieg auf eine Wärmepumpe, was zwar auch im Einzelfall zu prüfen, aber zumeist gut möglich ist. Mit Blick auf die momentan verhaltene Nachfrage scheint der finanzielle Vorteil eines Umstiegs noch nicht attraktiv genug zu sein. Daraus resultiert die Frage, welcher Impuls von einer Erhöhung des Gas-Netznutzungsentgelts wie von ErmstalEnergie angekündigt ausgehen kann.

So gefragt ist es nicht erforderlich, eine komplette Gesamtkostenberechnung zu erstellen – eine Antwort findet sich bereits in einer Gegenüberstellung des bisherigen und des künftigen Energiekostenunterschieds.

Dazu müssen zunächst die Gesamtkosten für den Erdgasverbrauch ermittelt werden.

Effektiver Gaspreis 2024 und 2025 (rechnerisch)

Zusammensetzung des effektiven Arbeitspreises für die Belieferung mit Erdgas über Neuverträge alternativer Anbieter in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit dem vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelt inklusives des Messstellenbetriebs im Jahr 2025. Preisbasis ist eine Netzentnahme von 20.000 kWh/a.

JV

Zusammensetzung des effektiven Arbeitspreises für die Belieferung mit Erdgas über Neuverträge alternativer Anbieter in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit dem vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelt inklusives des Messstellenbetriebs im Jahr 2025. Preisbasis ist eine Netzentnahme von 20.000 kWh/a.

Auf dem Stand Oktober 2024 sind die Energiesteuer, die Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden und die Gasspeicherumlage (wird Anfang 2025 neu festgelegt) fixiert und betragen zusammen brutto (0,55 + 0,03 + 0,25) Ct/kWh × 1,19 = 0,988 Ct/kWh.

Die Kosten aus der CO2-Bepreisung betragen brutto aktuell 0,971 Ct/kWh und steigen 2025 auf 1,187 Ct/kWh. Für Neuverträge mit 12 Monaten Laufzeit kalkulieren die drei günstigsten Energieanbieter zurzeit für „Beschaffung, Vertrieb und Marge (BVM)“ mit 4,80 Ct/kWh (brutto).

Daraus würden sich effektive Arbeitspreise bei einem Gasverbrauch von 20 000 kWh/a in Dettingen an der Erms für Neuverträge von 10,14 Ct/kWh in 2024 und von 13,52 Ct/kWh im Jahr 2025 ergeben. Das theoretische Minderungspotenzial bei einem unerwartet sehr günstigen Beschaffungspreis beträgt auf Basis einer historischen Betrachtung maximal 1,25 Ct/kWh.

Auch dann würde der Gaspreis in Dettingen 2025 über dem Niveau des Referenzpreises der Gaspreisbremse von 12 Ct/kWh liegen – 2022 galt dies als Schmerzgrenze für die Gaskunden.

Effektiver WP-Strompreis 2024 und 2025 (rechnerisch)

Nimmt man an, dass die Gas-Heizung mit einem sehr guten Jahresnutzungsgrad von 0,93 bezogen auf den Brennwert arbeitet, ergibt sich für eine Luft/Wasser-Wärmepumpe bei einer gut zu realisierenden Jahresarbeitszahl von 3,0 ein Strombedarf von 6200 kWh/a. Am 18. Oktober 2024 beträgt der Mittelwert der jeweils drei günstigsten Wärmepumpenstrom-Angebote mit und ohne Boni für Neuverträge in Dettingen an der Erms 23,06 Ct/kWh inklusive aller Grundbeträge.

Rechnerisch ergibt sich daraus mit der Netzentgeltreduzierung für mit Modul 2 ab 2024 angeschlossene Wärmepumpen ein effektiver Arbeitspreis von 21,02 Ct/kWh für Neuverträge. Übertragen auf 2025 mit einem leicht steigenden vorläufigen Strom-Netznutzungsentgelt und einer angenommen um 0,7 Ct/kWh (netto) steigenden §19-StromNEV-Umlage ergibt sich in Dettingen an der Erms ein Wärmepumpen-Strompreis im Jahr 2025 bei alternativen Anbietern mit marktüblicher 12-Monate-Preisgarantie von 22,11 Ct/kWh.

Heizen mit Erdgas wird zum Jahreswechsel unwirtschaftlich

Heizenergiekosten für eine mit Erdgas betriebene Gas-Brennwertheizung über Neuverträge alternativer Anbieter in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit dem vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelt im Jahr 2025. Preisbasis ist eine Netzentnahme von 20.000 kWh/a.

JV

Heizenergiekosten für eine mit Erdgas betriebene Gas-Brennwertheizung über Neuverträge alternativer Anbieter in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit dem vorläufigen Gas-Netznutzungsentgelt im Jahr 2025. Preisbasis ist eine Netzentnahme von 20.000 kWh/a.

Mit den vorstehend ermittelten effektiven Arbeitspreisen liegen die Heizenergiekosten in Dettingen an der Erms im Jahr 2024 bei

● 2028 Euro/a für die Gas-Heizung und bei
● 1353 Euro/a für die Wärmepumpe mit Modul 2

woraus sich 2024 bereits aus dem Energiebezug ein Kostenvorteil von 675 Euro/a für die Wärmepumpe ergibt. Mit der angenommenen Entwicklung liegen die Heizenergiekosten im Jahr 2025 bei

● 2704 Euro/a für die Gas-Heizung und bei
● 1421 Euro/a für die Wärmepumpe mit Modul 2

wodurch sich 2025 aus dem Energiebezug ein Kostenvorteil von  1283 Euro/a für die Wärmepumpe ergibt.

Einordnung

Mit den getroffenen Annahmen steigt der Kostenvorteil einer Wärmepumpe 2025 um 608 Euro und verdoppelt sich damit fast. Mit einem Faktor von 9,3 (siehe Info-Kasten) ergibt aus dem Gesamtvorteil von 1283 Euro/a ein Investitionsbudget von 12 000 Euro. Tatsächlich wird es aufgrund der gar nicht berücksichtigten CO2-Preiserhöhung nach 2025 deutlich höher sein. In Kombination mit einem Zuschusssatz von 50 oder 55 % (für maximal 30 000 Euro anrechenbare Kosten) in der Heizungsförderung werden die Gesamtkosten der Wärmepumpe erheblich geringer als die der Gas-Heizung sein.

Ein zweiter Hinweis ergibt sich aus dem Strom-/Gas-Preisverhältnis. Für im Oktober 2024 neu abgeschlossene Lieferverträge liegt es bei 2,07 und würde 2025 auf 1,64 sinken. Für ein typisches selbstgenutztes Einfamilienhaus kann ein SGV von 2,5 oder kleiner signalisieren, dass die Kosten für den Wärmepumpenstrom so viel geringer sind, dass sich die höheren Investitionskosten in der Nutzungsdauer refinanzieren können.

Vorteil bei den Heizenergiekosten für eine mit Erdgas betriebene Gas-Brennwertheizung und eine Wärmepumpe in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit den vorläufigen Netznutzungsentgelten im Jahr 2025.

JV

Vorteil bei den Heizenergiekosten für eine mit Erdgas betriebene Gas-Brennwertheizung und eine Wärmepumpe in Dettingen an der Erms im Oktober 2024 und mit den vorläufigen Netznutzungsentgelten im Jahr 2025.

Mit einer besseren Jahresarbeitszahl, einem Anteil Eigenstrom oder dem noch nicht von der EU genehmigten §22-EnFG-Umlagenprivileg für Wärmepumpenstrom kann der Gesamtkostenvorteil noch deutlich steigen. In der Berechnung wurde angenommen, dass eine perfekt eingestellte Gas-Brennwertheizung ersetzt wird. Ist es tatsächlich eine schon ältere nicht optimierte Gas-Heizung, steigt der Kostenvorteil der Wärmepumpe ebenfalls.

Und wenn die Gas-Heizung erst gestern für viel Geld eingebaut wurde und sogar noch ein Kredit dafür läuft? Für den Investor ist das ärgerlich, es ändert aber nichts: in beiden Fällen entstehen durch die Kreditraten die gleichen zusätzlichen Kosten. Bei einem Rückbau einer noch jungen Gas-Heizung kann sie gegebenenfalls noch einen kleinen Deckungsbeitrag auf dem Gebrauchtmarkt erzielen. Ansonsten ist sie eine gestrandete Investition („Stranded Asset“). Allerdings liegt der Förderzuschuss für selbstnutzende Eigentümer beim Ersatz einer noch nicht mindestens 20 Jahre alten Gas-Heizung durch eine Wärmepumpe nur bei 30 oder 35 %.

Bei einem höheren Gasverbrauch vergrößert sich die Kostendifferenz etwas langsamer als der Gasverbrauch steigt, weil das Gas-Netznutzungsentgelt eine günstigere Mengenabhängigkeit als bei Wärmepumpenstrom aufweist. Bei einem geringeren Gasverbrauch sinkt die Preisdifferenz etwas weniger als der Gasverbrach. Bei einem 30 % geringeren Gasverbrauch von 14 000 kWh/a würde sich 2025 eine Kostendifferenz von 888 Euro/a ergeben. Auch mit dieser Differenz sind die Gesamtkosten bei einem Umstieg auf eine Wärmepumpe voraussichtlich niedriger als bei einer Gas-Heizung. ■
Quelle: EmstalEnergie, ene′t, Netze BW, Verivox, eigene Berechnungen / jv

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graja – stock.adobe.com

Exkurs: Investitionsbudget für 100 Euro/a

Der Vergleich zielt auf einen Energiekostenvorteil der Heizungs-Wärmepumpe gegenüber einer Gas-Heizung ab. Bei vielen Modernisierungen wird dieser Kostenvorteil zunächst zur Finanzierung der höheren Investitionskosten beitragen. Nimmt man an, dass mit dem Kostenvorteil ein Ratenkredit (zum Beispiel ein KfW-Ergänzungskredit) bedient wird, ergibt sich bei einem effektiven Zinssatz von 4,0 %/a und einer Laufzeit von 12 Jahren ein Faktor von rund 9,3. Ein Kostenvorteil von 100 Euro/a ermöglicht also ein Investitionsbudget von 930 Euro. Bei einem effektiven Zinssatz von 6,8 %/a und einer Laufzeit von 12 Jahren beträgt der Faktor 8,0. In der Nutzungsphase nach der Kredittilgung kann der Kostenvorteil dann anderweitig eingesetzt werden.

Bei der Verwendung von Eigenkapital kann man eine ähnliche Rechnung aufmachen. Beispielhaft könnte das Eigenkapital mit einem effektiven Zinssatz von 3,5 %/a angelegt werden. Nach einer Laufzeit von 12 Jahren hätte sich der Kontostand um den Faktor 1,511 erhöht. Diesen Kontostand müsste man nun über eine verzinste Ansparung des Kostenvorteils erreichen. Steht dafür nur ein etwas geringerer effektiver Zinssatz von 2,5 %/a zur Verfügung, ergibt sich bei einer Sparrate von 100 Euro/a nach 12 Jahren ein Kontostand von 1380 Euro. Dies hätte einen Eigenkapitaleinsatz von 1380 Euro / 1,511=  912 Euro ermöglicht, der Faktor liegt dann bei 9,1. Als einen ersten Überschlagswert kann im Rahmen der genannten Verzinsungen und 12 Jahren Laufzeit ein Hebel von 8,0 bis 9,0 für den Kostenvorteil angenommen werden.