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Wasserstoff

Grün herstellen und grün denken

Weil die Herstellung von Wasserstoff viel Energie benötigt, ist ein realistischer Blick auf die Einsatzgebiete erforderlich. Eine flächendeckende Dekarbonisierung bestehender Gas-Heizungen ist unrealistisch.

Dann holen wir eben die Brennstoffzelle raus! Nein, das ist keine Statement der Heizungsindustrie, sondern die Reaktion unserer Zwillinge auf das Pyrotechnik-Verkaufsverbot vor dem Jahreswechsel 2020/21. Gemeint ist der Kosmos-Experimentierkasten Brennstoffzelle, eine Anerkennung für ihre Grundschulzeugnisse. Auf der Rückseite: „Vorsicht! In der Brennstoffzelle entstehen hochentzündliche Gase.“ Genau darauf hatten sie es abgesehen … Traditionell wird der Kasten seit über fünfzehn Jahren erst im Frühjahr reaktiviert. Auf der Vorderseite: „Energiequelle des 21. Jahrhunderts. Mit Sonnenenergie Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. Aus Sauerstoff und Wasserstoff Energie erzeugen. Energie speichern und jederzeit abrufen.“

Und fertig ist die Energiewende... Wasserstoff gehörte 2020 zu den Trendthemen, auf der ganzen Welt wurden Wasserstoffstrategien verhandelt und verabschiedet und Fördertöpfe gefüllt. Das ist auch gut so, denn ohne Wasserstoff wird man die Klimaziele nicht erreichen können. Weil die Herstellung von Wasserstoff jedoch viel Energie und bei der Wasserelektrolyse auch viel Wasser benötigt, ist ein realistischer Blick auf die Einsatzgebiete erforderlich.

Wasserstoff ist bis heute fast immer grau

Wasserstoff wird heute fast ausschließlich aus Erdgas (Methan) hergestellt, zumeist per Dampfreformierung mit ungenutzter Abgabe des entstehenden Kohlenstoffdioxids in die Atmosphäre – das wird als grauer Wasserstoff bezeichnet. Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, wenn das CO2 bei der Entstehung abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage, CCS). Dass grauer Wasserstoff nur in der für technische Zwecke erforderlichen Menge und nicht als Brennstoff hergestellt wird, hat einen einfachen Grund: Er ist teurer. Und blauer Wasserstoff würde ihn zwar sauberer aber noch teurer machen – ohne Aussicht auf sinkende Kosten.

Zu den Wasserstoffkosten hat Greenpeace Energy im Dezember 2020 eine Studie vorgestellt: Im Vergleich möglicher Wasserstoff-Ausbaupfade erwies sich erneuerbar produzierter Wasserstoff in Verbindung mit einem schnellen Erneuerbaren-Zubau als die deutlich günstigste Variante: Die Kosten für grünen Wasserstoff sinken von 44,50 Euro/MW im Jahr 2025 bis 2040 auf 7,20 Euro/MWh. Viel schlechter schneidet blauer Wasserstoff ab, er wäre 2025 schon rund ein Drittel und 2040 sogar elfmal teurer als grüner Wasserstoff. Und nutzbare CCS-Kapazitäten vor 2030 sind für deutsche Produzenten nicht in Sicht.

Auf blauen Wasserstoff zu setzen, ist nicht sinnvoll

Es ist also nicht sinnvoll, jenseits industrieller Prozesse auf blauen Wasserstoff in einer relevanten Größenordnung zu setzen, auch nicht als Import. Sinnvoll ist es, Wasserstoff gleich grün zu produzieren und grün zu denken. Für den nationalen Anteil wird man dabei immer zu einem Ergebnis kommen: Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung muss deutlich zulegen und der Strom muss vorrangig direkt genutzt werden – zur Raumheizung in der Regel über Wärmepumpen.

Dass über grünen Wasserstoff in den nächsten Jahren vorhandene Gas-Heizungen kontinuierlich und kostengünstig flächendeckend dekarbonisiert werden, ist unrealistisch. Technisch wäre es möglich – in der Industrie sowie im Luft-, Schiffs- und Schwerlastverkehr gibt es jedoch kaum andere Optionen als Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe aus Wasserstoff. Für den Klimaschutz ist aber das Handeln in den nächsten 10 bis 15 Jahren entscheidend. Das sollten wir als Branche immer bedenken, wenn wir Kunden beraten.

Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de

Alle TGAkommentare finden Sie im TGAdossier TGA-Leitartikel.