Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) und Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) haben sich auf eine Teilung der Kosten aus der nationalen CO2-Bepreisung zwischen Vermietern und Mietern bei Wohngebäuden und auch bei Nichtwohngebäuden geeinigt. Ihr Stufenmodell ist jedoch suboptimal.
Seit 2021 wird in Deutschland ein Preis für die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen für fossile Brennstoffe bei den Inverkehrbringern erhoben. Aktuell gilt über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ein Preis von 30 Euro/t CO2. Er wird schrittweise auf 55 Euro/t bis zum Jahr 2025 und im Jahr 2026 auf bis 55…65 Euro/t steigen.
Für Endverbraucher liegen die Kosten allerdings höher, da die CO2-Bepreisung selbst zusätzlich mit der Mehrwertsteuer von 19 % belastet wird. Für Endverbraucher betragen damit die spezifischen CO2-Kosten im Jahr 2022 nicht 30 sondern 35,70 Euro/t (Kosten durch die CO2-Bepreisung für Erdgas, Heizöl und Flüssiggas für einen Musterhaushalt).
Aufteilung der CO2-Kosten vergrößert den Hebel im Gebäudebereich
Im Gebäudebereich soll die CO2-Bepreisung Vermieter motivieren, energetische Sanierungen ihrer Gebäude voranzutreiben und Mieter dazu, sparsam mit Energie umzugehen. Aktuell können Vermieter die Zusatzkosten für den CO2-Preis gänzlich an ihre Mieter weitergeben. Damit konnte der CO2-Preis bislang nicht die gewünschte klimapolitische Lenkungswirkung entfalten.
Die Notwendigkeit einer Aufteilung der Kosten der CO2-Bepreisung hatte zwar auch schon die Vorgängerregierung erkannt und nach langem Verzögern am Ende der Legislatur angestrebt, die Umsetzung wurde jedoch von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag torpediert. Dem will die Ampel-Koalition mit einer Aufteilung nach dem Stufenmodell für Wohngebäude nun abhelfen. Die Bundesregierung erfüllt damit einen Auftrag aus dem Ampel-Koalitionsvertrag:
„Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden, prüfen wir einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete. Im Zuge dessen wird die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen in diesem System aufgehen. Wir wollen eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits erreichen. Wir wollen zum 1. Juni 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen einführen, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.“
Die Eckpunkte der Einigung für das CO2-Kosten-Stufenmodell
Ziel ist, dass die Regelungen zur Aufteilung der Kosten aus der CO2-Bepreisung am 1. Januar 2023 in Kraft treten. In das Gesetz soll eine Evaluierungsklausel aufgenommen werden, die eine Evaluierung und eine Prüfung der Frage vorsieht, ob zwischenzeitlich – aufgrund einer Reform des Energieausweises – eine Umstellung auf ein Modell auf Grundlage von Energieausweisen möglich ist.
Wohngebäude / gemischte Nutzung
Mit dem Stufenmodell werden anhand der spezifischen CO2-Emissionen des vermieteten Gebäudes die produzierten CO2-Kosten künftig anteilig entsprechend der Verantwortungsbereiche zwischen Mietern und Vermietern umgelegt.
Je schlechter die Energiebilanz des jeweiligen Gebäudes, desto höher ist der zu tragende Kostenanteil für die Vermieter. Mit dem Stufenmodell wird die prozentuale Kostenbeteiligung der Vermieter und Mieter an den jährlichen CO2-Ausstoß des vermieteten Gebäudes pro m2 geknüpft. Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag von Habeck und Geywitz sieht die Einigung statt sieben nun zehn Stufen vor.
Bei Wohnungen mit einer besonders schlechten Energiebilanz von ≥ 52 kgCO2/(m2 ∙ a) übernehmen die Vermieter 90 % und die Mieter 10 % der CO2-Kosten. Wenn das Gebäude jedoch mindestens dem sehr effizienten Standard (EH 55) entspricht, müssen die Vermieter keine CO2-Kosten mehr tragen.
Das Stufenmodell gilt für alle Wohngebäude einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheimen und Gebäude mit gemischter Nutzung, in denen Brennstoffe genutzt werden, die unter das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) fallen. Ausnahmen kann es geben, wenn Vermieter, etwa bei denkmalgeschützten Gebäuden oder in Milieuschutzgebieten, keinen Beitrag zur energetischen Sanierung leisten können. Der erste Entwurf vom BMWK und BMWSB für das Stufenmodell sah vor, dass es für denkmalgeschützte Gebäude keine Sonderregelungen geben soll. Das wurde nun offensichtlich entschärft.
Die Festlegung der von den Parteien pro Wohneinheit zu tragenden CO2-Kosten erfolgt über die Heizkostenabrechnung. Den Vermietern werden mit der Brennstoffrechnung alle für die Berechnung erforderlichen Daten an die Hand gegeben, sodass sie die Verteilung der CO2-Kosten einfach ermitteln können, heißt es in einer gemeinsamen Pressemittelung der drei befassten Bundesministerien. Es erfolgt also keine Bewertung der energetischen Qualität des Gebäudes, sondern nur des realen (fossilen) Brennstoffverbrauchs.
Anmerkung der Redaktion: Bisher gehen aus einer Brennstoffabrechnung keine CO2-Kosten hervor. Bestenfalls ist es möglich, aufgrund der Brennstoffart und seiner verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen sowie der verbindlichen CO2-Bepreisung im BEHG bis einschließlich 2025 fiktive CO2-Kosten zu berechnen.
Nichtwohngebäude
Bei Nichtwohngebäuden, z. B. mit Gewerberäumen, soll eine 50 : 50-Aufteilung greifen. Die Mietparteien können, sofern sie handelseinig werden, einen Ausgleich zum Bespiel über die Mietkosten vereinbaren.
Perspektivisch soll das Stufenmodell auch auf Nichtwohngebäude angewendet werden. Aufgrund der Heterogenität dieser (u. a. Größe, Nutzungsarten, Verbrauch) fehlen laut Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium derzeit noch die erforderlichen Datengrundlagen, um eine valide Berechnung der Abstufungen für Nichtwohngebäude vornehmen zu können. Die Daten sollen in den kommenden zwei bis drei Jahren bereitgestellt werden.
Tücken eines CO2-Kosten-Stufenmodells
Ein Stufenmodell anstelle einer stetigen Funktion birgt Streitrisiken über die tatsächlich vorhandene Stufe. Das zeigen allein zahlreiche Gerichtsverfahren über die tatsächliche Größe einer Wohnung, die beheizte Fläche eines Gebäudes und der für die Verteilung der Heizkosten relevanten Fläche.
Berechnungsbeispiel für eine 100-m2-Wohnung: Angenommen wird, dass die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen am Ende der Stufe 5 bei 31,99 kg/(m2 ∙ a) liegen. Im Zeitraum 2023 bis 2026 (das ist der verbleibende Zeitraum, in dem das BEHG Planungssicherheit bei den CO2-Preisen bietet) summieren sich (ohne zwischenzeitliche Modernisierung und bei konstanten Brennstoffeinsatz) die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen auf 12,796 t. Die CO2-Kosten belaufen sich damit in diesen vier Jahren auf 761,36 Euro. Daraus ergibt sich bei einer
● Einstufung auf 31,99 kg/(m2 ∙ a): Der Vermieter zahlt 304,54 Euro (40 %) und der Mieter zahlt 452,86 Euro (60 %).
● Einstufung auf 32,01 kg/(m2 ∙ a): Der Vermieter und Mieter zahlen jeweils 380,92 Euro (50 %). Der Vermieter also 76,18 Euro mehr und der Mieter 76,18 Euro weniger als bei dem minimal geringeren CO2-Kennwert.
Da sich die Einteilung eines Gebäudes in eine Emissionsstufe aus mehreren Berechnungsgrößen jeweils mit einer Genauigkeit ergibt – der CO2-Kennwert von zwei unterschiedlichen aber gleich qualifizierten Personen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht identisch ermittelt werden (kann) – sind Auseinandersetzungen und unterschiedliche Ergebnisse durch eingeschaltete Gutachter oder Sachverständige abzusehen. Die Problematik trifft zwar auch ganz allgemein für eine stetige Funktion zu, dann ist aber der Streitwert weniger attraktiv bzw. existiert dieser auch schon heute im Rahmen der ganz normalen Heizkostenabrechnung.
Absurde Entwicklung durch Witterungseinfluss: Eine Stufeneinteilung bedeutet auch, dass die tatsächliche Witterung einen Einfluss auf diese hat. In einer kalten Heizperiode muss der Vermieter damit rechnen, dass die spezifischen Emissionen in einer höheren Stufe landen, dann muss er zusätzlich einen höheren Anteil tragen.
Umgekehrt müssen die Mieter in einer warmen Heizperiode damit rechnen, dass sie trotz des geringeren Verbrauchs durch den Wechsel in eine andere Stufe einen höheren Anteil an den CO2-Kosten bezahlen müssen. Im Grenzfall hat dann ein Mieter bei identischen Brennstoffpreisen trotz eines geringeren Verbrauchs höhere Heizkosten.
Außerdem sind bei einer Stufeneinteilung für den Vermieter insbesondere Maßnahmen zur Verminderung der verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen interessant, bei denen ein oder mehrere Stufensprünge sicher anzunehmen sind. Dies kann zu Fehloptimierungen oder unterlassenen Einsparmaßnahmen führen.
Fazit der TGA-Redaktion: Die vermeintlich einfache Zuordnung der CO2-Kosten in zehn Stufen kann in der Praxis zu Schwierigkeiten und Konflikten führen, die mit einer deutlich feineren oder stetigen Funktion einfach zu vermeiden sind. Gleichzeitig würde sich die Aufteilungsgerechtigkeit erhöhen und Fehloptimierungen könnten sich verhindern lassen.
Statements der Bundesminister
Geywitz: „Mieter tragen seit 2021 allein die Zusatzkosten für den CO2-Preis auf Heizöl und Erdgas. Das wird sich nun ändern. Wir schaffen mit dem nun vereinbarten Stufenmodell endlich eine faire Aufteilung der Kosten zwischen Vermietern und Mietern. Millionen Mieter werden damit gezielt entlastet. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass der CO2-Preis seine beabsichtigte klimapolitische Lenkungswirkung im Gebäudesektor entfalten kann.“
Habeck: „Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, eine Lösung zu finden, die sozial gerecht ist und künftig Mieter entlastet. Je schlechter ein Gebäude gedämmt ist, je älter zum Beispiel die Heizung oder die Fenster sind, umso höher sind die CO2-Kosten für Vermieter und umso größer die Entlastung für Mieter. Denn in diesen Fällen leidet der Mieter häufig unter hohen Energiekosten wegen schlechter Dämmung und Heizung, ohne aber selbst gut gegensteuern zu können. Umgekehrt kann ein Vermieter, der das Gebäude gut energetisch saniert hat, die Kosten auch umlegen. Denn dann sind beispielsweise Dach und Fenster gut gedämmt, sodass vor allem die Mieter durch ihr Verhalten noch dazu beitragen können, Energie einzusparen und so die Heizkosten zu reduzieren. Angesichts der Heterogenität von Nichtwohngebäuden werden wir hier zunächst eine 50/50-Aufteilung anwenden.“
Buschmann: „Mit dem Stufenmodell haben wir eine faire, bürokratiearme und zugleich wirksame Lösung vereinbart. Bei Wohngebäuden kommen wir zu einer fairen Kostenteilung, die sich an der Energiebilanz der Immobilie orientiert. Wir schaffen somit gerade dort Anreize, Gebäude energetisch zu sanieren, wo die Potenziale besonders groß sind und eine Sanierung machbar ist. Zugleich ist das Stufenmodell auch für private Vermieter, die etwa nur eine Immobilie vermieten, gut anwendbar. Für Nichtwohngebäude setzen wir sehr stark auf die Vertragsfreiheit. Die dort getroffene Lösung dient in erster Linie der Vermeidung von Bürokratie angesichts der extremen Vielgestaltigkeit der Nutzungen und ihrer Energieintensität. Die Gewerbemietparteien werden im Zusammenspiel mit Verhandlungen über gegebenenfalls erforderliche Mietanpassungen daher die für sie richtigen Lösungen finden.“ ■
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