Wird Raumwärme künftig auch mit dezentralen Wasserstoff-Heizungen oder hauptsächlich elektrisch erzeugt? Das wird nicht nur in Deutschland entschieden, denn auch für die Erzeugung von Wasserstoff wird viel Strom benötigt.
Was würde es bedeuten, wenn Haushalte und der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) im Jahr 2045 Wasserstoff in einem Umfang von 179 TWh/a nachfragen, sich also in diesem Anwendungsbereich die Erdgasnachfrage gegenüber dem Jahr 2023 nur halbiert hat? Dies nimmt ein DVGW-Szenario an und gibt für das Jahr 2045 einen Wasserstoffbedarf inklusive Industrie (208 TWh/a) aber ohne Verkehr und mit einem sehr geringen Volumen für den Umwandlungssektor (11 statt 166 TWh) von insgesamt 398 TWh/a vor.
Zunächst einmal würde die hohe Wasserstoffnachfrage für Niedertemperaturwärme bedeuten, dass sich in Haushalten und GHD die direkte Elektrifizierung der Wärmebereitstellung aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht durchsetzen konnte. Im Prinzip impliziert die Annahme, dass hierzulande am Hauseingang Strom im Verhältnis zu Gas für jedermann erkennbar dauerhaft sehr teuer ist. Warum das günstige Gas dann nicht zur Stromerzeugung eingesetzt wird, muss hier offen bleiben. Zwischen Stromerzeugung und -verbrauch liegen allerdings mindestens noch die Transport- und Verteilnetze.
Strombedarf für Wasserstoff
Fakt ist: Irgendwo auf der Welt müsste der Wasserstoff für den im DVGW-Szenario vorgegebenen Bedarf produziert werden. Im Jahr 2045 müsste zumindest der deutsche Bedarf nach heutigem Stand und angekündigten Kriterien insbesondere über die Wasserelektrolyse mit klimaneutral erzeugtem Strom gedeckt werden. Die Grafik verdeutlicht, was das überschlägig bedeuten würde. Sie zeigt zunächst mit gelben Kugeln, wie viel Strom 2023 weltweit verbraucht wurde, Deutschlands Anteil der gelben Kugel hat einen roten Rand. Deutschlands Anteil an der Weltbevölkerung, wenn diese ebenfalls durch die gelben Kugeln repräsentiert wird, ist rot eingerahmt.
Die zusätzlichen grünen Kugeln repräsentieren die Stromnachfrage im Jahr 2045, wenn man einen Wirkungsgrad (Wasserstoff zu Strombedarf) für das Gesamtsystem von 0,63 annimmt. Es ist gut möglich, dass 2045 auch etwas höhere Wirkungsgrade im Mittel erreicht werden, allerdings ist auch in beachtlichem Umfang Energie für den Wasserstofftransport erforderlich. Der wurde in der Grafik nicht berücksichtigt. Mit den getroffenen Annahmen würde sich der weltweite Stromverbrauch um mehr als den heutigen Stromverbrauch von Deutschland erhöhen.
Könnte es sein, dass nur hierzulande günstige Bedingungen für eine hohe Wasserstoffnachfrage existieren? Wohl kaum. Und der Sektor Verkehr ist noch gar nicht berücksichtigt. Bei einer Übertragung des DVGW-Szenarios auf Länder mit ebenfalls hohem Gas-Heizungsanteil würden noch viele Reihen mit grünen Kugeln folgen. Das legt allerdings nahe, dass das DVGW-Szenario eher nicht eintreten wird (kann). Oder?
Zum DVGW-Szenario
Der DVGW hat vom EWI (Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln) abschätzen lassen, in welche Höhe künftig die Wasserstoffnetz-Netznutzungsentgelte liegen können. Dafür hat der DVGW ein Szenario für den künftigen Einsatz von Wasserstoff in Deutschland vorgegeben.
In dem DVGW-Szenario würde sowohl in der Industrie als auch in der Gebäudewärme bis 2045 relativ viel klimaneutraler Wasserstoff eingesetzt. Die Wasserstoffnachfrage würde im Jahr 2045 bei insgesamt 398 TWh liegen, wovon 179 TWh/a in Haushalten und dem Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) entsteht.
Die Wasserstoffnachfrage ordnet sich am oberen Ende der Klimaneutralitätsszenarien ein und liegt für „Haushalte und GHD“ deutlich über allen anderen Klimaneutralitätsszenarien. Im DVGW-Szenario werden zwei Drittel der Gasanschlüsse in Haushalten und Gewerbe auf Wasserstoff umgestellt, die Gasnachfrage sinkt insgesamt durch zusätzliche Effizienzgewinne um 50 %.
Durch die vorgegebene hohe Nachfrage und die weiterhin hohe Anschlussdichte verteilen sich die unvermeidbaren Transformationskosten auf eine große Gasmenge, sodass sich am Ende Wasserstoffnetz-Netznutzungsentgelte ergeben, die zumindest die Gas-Wirtschaft für akzeptabel hält. In Kapitel 4 der Studie Abschätzung zukünftiger Wasserstoffnetznutzungsentgelte gibt das EWI mit einem Was-wäre-wenn-Einblick auch eine Einordnung, die die hohe Unsicherheit durch eine statische Szenario-Festlegung verdeutlicht. ■
Quelle: EWI / jv
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