Ein forcierter Umstieg von Gas-Heizungen auf Wärmepumpen reduziert nicht nur die Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen. Gesamtwirtschaftlich gesehen könnten – je nach Höhe des Gaspreises – sogar Kosten eingespart werden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Der Wärmepumpe-Photovoltaik-Kombination gehört die Zukunft. Das ist schon länger klar. Auch der parallele Zubau ist sinnvoll. „Eine wichtige Rolle für einen beschleunigten Umstieg auf Wärmepumpen spielt die Erhöhung der erneuerbaren Stromerzeugung“, so Studienautor Wolf-Peter Schill vom DIW Berlin. „Insbesondere der Ausbau der Photovoltaik kann die wachsende Stromnachfrage befriedigen, denn die Kapazitäten der Windkraft dürften im betrachteten Zeitraum nicht beliebig steigerbar sein.“
Derzeit wird rund die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland mit Erdgas beheizt. Bei Neubauten ist die Wärmepumpe aber auf dem Vormarsch – im vergangenen Jahr wurde für fast die Hälfte der neuen Wohnungen eine Wärmepumpe als primäres Heizsystem installiert. Damit stieg die Zahl der Wärmepumpen-Installationen bis zum Jahreswechsel 2021/22 auf rund 1,4 Millionen.
Szenarien mit 1,7 bis 7,5 Mio. Wärmepumpen bis 2030
Mit einem Open-Source-Stromsektorenmodell haben die DIW-Ökonomen Schill, Alexander Roth, Carlos Gaete-Morales, Adeline Guéret, Dana Kirchem und Martin Kittel in verschiedenen Szenarien für das Jahr 2030 durchgerechnet, wie sich der Stromsektor und die Kosten für den Ausbau von Wärmepumpen entwickeln.
Im ambitioniertesten Szenario würden dann insgesamt rund 7,5 Mio. Wärmepumpen knapp ein Viertel der gesamten Raumwärme und des Warmwassers liefern. Dafür würde der Gesamtstromverbrauch gegenüber einem Referenzszenario mit 1,7 Mio. Wärmepumpen um 9 % steigen. Setzt man dabei auf Solarenergie, müssten die Photovoltaik-Kapazitäten um knapp ein Viertel ausgeweitet werden. Im Gegenzug könnte Erdgas im Umfang von 15 % der russischen Importe des Jahres 2021 eingespart werden (der Anteil der russischen Gaslieferungen lag in der Vergangenheit im Mittel bei 55 %). Bisher wird mit dem Wärmepumpen-Rollout häufig ein Ziel von 6 Mio. Wärmepumpen bis 2030 verknüpft.
In allen Szenarien wird gemäß dem Ziel der Ampel-Koalition ein Anteil erneuerbarer Energien von 80 % am Stromverbrauch erreicht. Dies schließt den Stromverbrauch von Elektrofahrzeugen sowie Elektrolyse-Wasserstoff mit ein. Der zusätzliche Strombedarf der Wärmepumpen muss dabei in allen Szenarien im Verlauf eines Jahres vollständig durch ein zusätzliches Angebot an erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Gas-Heizung nur mit niedrigem Gaspreis günstiger
In der Modellierung stehen die Effekte eines Wärmepumpen-Ausbaus auf den Stromsektor und damit auch die Stromerzeugungskosten im Vordergrund. Ergänzt man diese um die erforderlichen Investitionskosten für die Wärmepumpen sowie um die eingesparten Kosten für Erdgas in den wegfallenden Gasheizungen, kann ein Gesamtkosteneffekt abgeschätzt werden. Die DIW-Forscher gehen in der Studie vereinfachend davon aus, dass jede zusätzliche Wärmepumpe ein erdgasbasiertes Heizungssystem ersetzt.
Dabei zeigt sich: Je höher der Preis für Erdgas, desto lohnender ist eine Umstellung auf Wärmepumpen. Ergeben sich bei einem Importpreis für Erdgas von 30 Euro/MWh und einem CO2-Preis von 130 Euro/tCO2 noch geringfügig höhere gesamtwirtschaftliche Kosten für Wärmepumpen, sind diese bei einem Erdgaspreis von 60 Euro/MWh bereits deutlich niedriger als bei Erdgas-Heizungen. Zuletzt lag der Erdgaspreis teils deutlich über diesem Wert und dürfte angesichts der geopolitischen Lage dauerhaft höher bleiben, als er es in den vergangenen Jahren war.
Fehlende Produktionskapazitäten und Fachkräfte
Um den Umstieg zu unterstützen, sehen die Studienautoren die Politik in der Verantwortung. „So sollten künftig etwa Abgaben und Umlagen auf Stromtarife so gestaltet werden, dass sie dem Ausbau von Wärmepumpen nicht im Wege stehen“, empfiehlt Studienautor Roth.
Von großer Bedeutung ist es den Wissenschaftlern zufolge auch, Produktionskapazitäten für Wärmepumpen zu erweitern, mehr Fachkräfte auszubilden, finanzielle Förderprogramme anzuschieben, und die Energieeffizienz im Gebäudebestand deutlich zu steigern.
„Ein koordiniertes Bündel von Maßnahmen für den Umstieg auf Wärmepumpen würde die Importabhängigkeit von Erdgas erheblich reduzieren, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten und wichtige industriepolitische Impulse setzen“, bilanziert Roth.
Die Studie ist in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Kopernikus-Projekt Ariadne entstanden und im DIW Wochenbericht 22/2022 veröffentlicht worden. ■
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