Nichts ist so beständig wie der Wandel? Das gilt in jedem Fall für den Einsatz von Kältemitteln – u. a. in der Kälte-Klima-Wärmepumpen-Branche. Nach der Novelle der F-Gase-Verordnung stehen nun weitreichende Konsequenzen für den Markt an. Im Vorfeld hatten viele Anwendungsbereiche aus ihrer Sicht gewichtige Vorbehalte angemeldet. Sind diese Sorgen angebracht? Ein Überblick zu dem, was auf uns alle zukommt.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Bei genauerem Hinsehen löst sich der Dschungel an Vorschriften der Novelle der neuen F-Gase-Verordnung weitgehend auf.
■ Es ist zu erwarten, dass Kältemaschinen mit bislang verwendeten HFKW-Standardkältemitteln wie R410A nach und nach durch Lösungen ersetzt werden, in denen HFKW-Kältemittel mit niedrigem GWP wie R32 oder natürliche Kältemittel wie R290 oder HFKW/HFO-Blends verwendet werden.
■ Die großen Hersteller der Kälte-Klima-Wärmepumpen-Branche werden dafür sorgen, dass zu jedem Zeitpunkt Produkte gemäß der F-Gase-Verordnung zur Verfügung stehen.
Die F-Gase-Verordnung ist eine europäische Regelung, die darauf abzielt, den Einsatz fluorierter Treibhausgase (F-Gase) zu reduzieren. F-Gase sind künstlich hergestellte Gase, die in verschiedenen Anwendungen wie Klimaanlagen, Kühlschränken und Schaumstoffen verwendet werden. Die generelle Herausforderung bei ihrer Verwendung: Gelangen F-Gase in die Umwelt, haben sie einen Treibhauseffekt.
Dieser Treibhauseffekt wird als Global Warming Potential (GWP) beziffert und beträgt bei R410A beispielsweise 2088 (nach dem Vierten Sachstandsbericht der IPCC, „Weltklimarat“). Das heißt: Eine Tonne R410A hat einen 2088-fach höheren Treibhauseffekt als eine Tonne CO2. In der Klima- und Kältebranche ist das seit jeher kaum ein Thema. Das liegt an extrem geringen Leckageraten der Anlagen und Produkte sowie am besonders hohen Ausbildungsstandard in der Branche.
Hierzu kann der VDKF eine beeindruckende Analyse von 238 000 Kälte- und Klimaanlagen bei rund 54 000 Betreibern vorlegen. Demnach liegt die durchschnittliche jährliche Kältemittel-Leckagerate von Kälte- und Klimaanlagen in Deutschland inklusive Havarien aktuell bei 1,12 % – ein Beleg dafür, dass Hersteller, Anlagenbauer und Betreiber größten Wert auf die Dichtheit von Anlagen legen. Dennoch geht es darum, auch denkbare mögliche Risiken bei der Verwendung von F-Gasen in allen Bereichen zu minimieren.
Die EU-Verordnung zu F-Gasen wurde deswegen in den letzten Jahren mehrmals geändert, um die (potenziellen) Treibhausgasemissionen der F-Gase weiter zu verringern. Die wichtigsten Änderungen beinhalten eine schrittweise Reduzierung der dem Markt zur Verfügung stehenden Menge an F-Gasen, noch strengere Vorschriften für die Dichtheit von Klima- und Kälteanlagen sowie die Einführung von Zertifikaten für Experten, die mit F-Gasen arbeiten. Diese Änderungen sollen dazu beitragen, den Klimawandel zu begrenzen und ab 2050 ein treibhausgasneutrales Wirtschaften der Europäischen Union zu ermöglichen.
Lagen in den letzten Jahren teils Forderungen des Umweltausschusses im EU-Parlament auf dem Tisch, die mit dem heutigen technischen Wissen kaum umsetzbar gewesen wären, können alle Marktbeteiligten nun verbindlich und sicher auf dem Boden der Vorschriften der neuen F-Gase-Verordnung planen. Dennoch stellen die Änderungen die gesamte Branche vor neue Herausforderungen. Dies gilt nicht nur für die Hersteller, sondern vor allem auch für TGA-Planer und die Kälte-Klima-Wärmepumpen-Handwerke.
Alle F-Gase-Verwender in einem Boot
Wichtig zu wissen ist, dass die F-Gase-Verordnung nicht nur Kältemittel und nicht nur die Kälte-Klima-Wärmepumpen-Branche, sondern alle fluorierten, synthetischen Gase für verschiedenste Anwendungen betrifft, zum Beispiel auch pharmazeutische Treibmittel. Größtenteils eingeführt wurden die betroffenen F-Gase mit dem Phase-out der ozonschädlichen Gase in den 1990er-Jahren. Die teilfluorierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) hatten und haben den Vorteil, dass sie nicht die Ozonschicht abbauen.
Neben den sehr guten thermophysikalischen Eigenschaften zeichnen sich die HFKW durch einen sicheren Umgang mit den Gasen aus. Ein Großteil der HFKW-Kältemittel Reinstoffe und Mischungen (Blends) fallen unter die Kategorie A1 (nicht brennbar, nicht toxisch). Erkauft wurden diese Vorteile mit einem teils hohen Treibhausgas-Äquivalent (GWP). Durch den Klimawandel gerieten deshalb die HFKW in den Fokus des Gesetzgebers.
2015 wurde erstmals ein Quotenmechanismus für das Inverkehrbringen von F-Gase auf den Weg gebracht. Die Gewichtung dieser Quoten ist das jeweilige CO2-Äquivalent des Kältemittels. Dies hatte zur Folge, dass quasi automatisch Kältemittel mit einem geringeren GWP im Vorteil waren. Diese Quoten werden in einem 3-Jahres-Rhythmus immer weiter gesenkt – bis im Jahr 2050 der HFKW-Ausstieg komplett abgeschlossen sein soll. Wichtig: Es gibt nur eine europaweit geltende Quote – sie wird nicht nach den Mitgliedstaaten, den Anwendungsgebieten oder den F-Gasen untergliedert.
Mit der am 11. März 2024 in Kraft getretenen Novelle der F-Gase-Verordnung sind die Quoten deutlich reduziert worden – von rund 80 Mio. t aktuell bis auf 42 Mio. Tonnen im Jahr 2025. Kältemittel wie R404A mit einem GWP von 3900 oder R410A mit einem GWP von 2088 geraten dadurch unter Druck. Um für die nachgefragte Menge an Kältemaschinen die erforderliche Menge an Kältemitteln zur Verfügung stellen zu können, müssen die Hersteller auf Kältemittel mit einem geringeren GWP ausweichen. Und dies muss aufgrund des notwendigen Entwicklungsvorlaufs strategische vorbereitet werden.
Inverkehrbringungsverbote und Verwendungsbeschränkungen
Zusätzlich zum Quotenmechanismus hat die Novelle die Anforderungen an Dichtheitskontrollen verschärft und es werden weitere Zertifizierungen für Fachhandwerker, die mit Kältemittel umgehen, festgeschrieben. Zudem: Für Neuanlagen wurden für die EU Inverkehrbringungsverbote erlassen, die in verschiedenen Anlagenkategorien bezogen auf die Anlagenleistung eine GWP-Obergrenze beinhalten. Und auch bei Anlagen im Bestand definiert die neue F-Gase-Verordnung Verwendungsbeschränkungen, bis wann Kältemittel mit einem bestimmten GWP als Frischware oder recycelt eingesetzt werden dürfen.
Das Resultat: Die Marktteilnehmer sind verunsichert, was künftig noch möglich bzw. erlaubt ist und was nicht. „Diese Verunsicherung ist nachvollziehbar, wird aber im Laufe dieses Jahres durch die klaren Informationen seitens der Hersteller weichen“, so Michael Lechte, Manager Produktmarketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems. „Im gesamten F-Gase-Transformationsprozess spielt R32 eine wichtige Rolle. Denn anhand der jeweiligen GWP-Obergrenzen bei Inverkehrbringungsverboten lässt sich erkennen, dass diese den Einsatz von R32 berücksichtigen. Dies gilt auch mit Sicherheit noch in 10 Jahren.
Dadurch hat die Branche jetzt weitere Planungssicherheit. Hersteller wie Mitsubishi Electric werden ihr Produktprogramm genau anhand der Inverkehrbringungsverbote ausrichten und zum jeweiligen Zeitpunkt ausschließlich solche Produkte im Portfolio haben, die alle Gesetze voll umfänglich erfüllen. Umfassende Trainings- und Schulungsaktivitäten für das Fachhandwerk und Fachplaner sind bereits gestartet.“
Auf welche Bedingungen muss sich die Branche einstellen? Hierzu eine Übersicht nach den gängigen Produktclustern:
Chiller bzw. Kaltwassersätze
Bei Chillern bis 12 kW Leistung wird ab dem 1. Januar 2027 die GWP-Obergrenze für die verwendeten Kältemittel 150 betragen. Das bedeutet faktisch den Einsatz von natürlichen Kältemitteln wie z. B. R290 (Propan) oder HFKW/HFO-Blends mit einem GWP unter 150 und damit einhergehend die Implementierung notwendiger Sicherheitskonzepte bei der Geräteaufstellung.
Ein Großteil der Chiller arbeitet luftgekühlt in Außenaufstellung mit einem geschlossenen Kältekreislauf. Schärfere Sicherheitsauflagen betreffen dann beispielsweise die Aufstellung in der Nähe von Lichtschächten, da sich hier das A3-Kältemittel R290 bei einer eventuellen Leckage konzentrieren könnte.
Ab 12 kW Leistung gilt ebenfalls ab dem 1. Januar 2027 eine GWP-Obergrenze von 750. Der nächste Schritt erfolgt mit dem 1. Januar 2032, ab dem keine F-Gase mehr in neu im Markt platzierten Chillern bis 12 kW Leistung eingesetzt werden dürfen.
Hinsichtlich Service und Wartung von Chillern gilt für den Einsatz von Kältemittel-Frischware, dass ab dem 1. Januar 2025 nur noch Kältemittel mit einem GWP von maximal 2500 verwendet werden darf. Bei recycelten Kältemitteln gelten dagegen bis zum 1. Januar 2030 keine GWP-Limits und anschließend ebenfalls eine GWP-Obergrenze von 2500. Wichtig: Der Einsatz von frischem Kältemittel wird ab dem 1. Januar 2032 ausschließlich für stationäre Kälteanlagen, aber nicht für Chiller, auf einen GWP von maximal 750 beschränkt.
Die EU-Kommission wird dabei ständig die Verfügbarkeit der benötigten Kältemittel prüfen. Sollte die Produktion recycelter Kältemittel nicht ausreichen, können Verbote von Frischware bis zu vier Jahre ausgesetzt werden.
Monoblock-Wärmepumpen / Rooftops
Bei bereits werkseitig geschlossenen Systemen (Kältekreisläufen), also beispielsweise Monoblock- oder Groß-Wärmepumpen und Rooftop-Einheiten, gilt ab 50 kW Leistung beim Inverkehrbringen ab dem 1. Januar 2027 eine GWP-Obergrenze von 150. Dies betrifft ab dem 1. Januar 2030 auch Anlagen oberhalb von 50 kW Leistung. Im nächsten Schritt gilt dann ab dem 1. Januar 2032, dass keine F-Gase mehr in dieser Anlagenkategorie bis 12 kW Leistung eingesetzt werden dürfen – außer es müssen bestimmte Sicherheitsanforderungen erfüllt werden, die sich ansonsten nicht umsetzen lassen.
VRF-Anlagen / City Multi / Mr. Slim
Bei VRF-Anlagen über 12 kW Leistung wird der GWP ebenfalls ab dem 1. Januar 2027 auf maximal 750 begrenzt. Hier werden sich sicherlich alle Hersteller auf das Kältemittel R32 (GWP 675) ausrichten. Ab dem 1. Januar 2033 sinkt die GWP-Obergrenze dann auf 150. Lechte: „Diesen Zeitraum von fast zehn Jahren wird Mitsubishi Electric nutzen, um zuverlässige und sichere Anlagentechnik zu entwickeln, die über einen längeren Zeitraum parallel zu unseren Produkten mit dem Kältemittel R32 angeboten werden wird.“
Als Alternative kann in diesem Anlagenbereich zudem auf ein Hybrid-VRF-System gesetzt werden. Das „City Multi Hybrid VRF“-System bietet eine weltweit einzigartige Lösung, die die Stärken eines direktverdampfenden mit denen eines wassergeführten Systems kombiniert – mit hoher Energieeffizienz, individuellem Komfort und deutlich reduzierter Kältemittelfüllmenge. Es ist nicht nur eine zukunftsfähige Lösung im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten, wassergeführte Systeme einfach und modular zu planen.
So können mit dem Hybrid-VRF-System der R2-Serie beispielsweise sämtliche angeschlossenen Innengeräte unabhängig voneinander im Heiz- oder Kühlmodus betrieben werden. Lechte: „Ein Beispiel könnte auch hier das Kältemittel R290 sein, welches dann in vergleichsweise geringer Menge nur zwischen Außengerät und dem Hybrid-BC-Controller zirkuliert. Wir haben schon immer betont, dass diese Lösung nicht nur hocheffizient und umweltschonend, sondern auch äußerst flexibel ist und quasi mit jedem beliebigen Kältemittel betrieben werden kann. Auch hier werden wir entsprechende Lösungen anbieten können.“
Split-Wärmepumpen und Klimageräte
Auch bei Single-Split-Systemen unter 3 kg Füllmenge findet zum 1. Januar 2025 der klassische Wechsel von R410A zu R32 durch eine GWP-Obergrenze von 750 statt.
Bei Split-Wärmepumpen wird nach Luft/Wasser- und Luft/Luft-Anlagen unterschieden: Ab 12 kW Leistung müssen Luft/Wasser-Wärmepumpen ab dem 1. Januar 2027 und Luft/Luft-Wärmepumpen ab dem 1. Januar 2029 die GWP-Obergrenze von 150 einhalten. Für Luft/Luft-Wärmepumpen über 12 kW Leistung gilt ab dem 1. Januar 2029 eine GWP-Obergrenze von 750 und ab dem 1. Januar 2033 eine GWP-Obergrenze von 150. Ab dem 1. Januar 2035 dürfen in den EU-Markt Split(DX)-Wärmepumpen und Klimageräte mit F-Gasen nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.
Hinsichtlich Service und Wartung gilt bis zum 1. Januar 2026 kein GWP-Limit. Ab dann greift für den Einsatz von frischem Kältemittel ein GWP-Limit von 2500. Dies gilt für die Verwendung von recyceltem Kältemittel ab dem 1. Januar 2032.
Im nächsten Teil unserer Serie zur Novelle der F-Gase-Verordnung und PFAS stehen praktische Fragen und Antworten zu den Themen im Mittelpunkt.
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Literatur
[1] Verordnung (EU) 2024/573 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Februar 2024 über fluorierte Treibhausgase, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 517/2014, Amtsblatt der Europäischen Union vom 20. Februar 2024, Serie L Download der F-Gase-Verordnung auf eur-lex.europa.eu
[2] Schellhorn, Martin: F-Gase-Phase-down, Teil 2. Konsequenzen aus der neuen F-Gase-Verordnung – FAQ. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA+E 05-2024
[3] Schellhorn, Martin: F-Gase-Phase-down, Teil 3. F-Gase-Verordnung: Und was ist bei einem PFAS-Verbot?. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA+E 06-2024
Im Kontext:
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