Wie kann der Akku im Elektroauto in Kombination mit einer Photovoltaik-Anlage sinnvoll als Stromspeicher zu Hause genutzt werden? Dieser Frage gehen BMW und E.on aktuell in der Praxis nach.
Bei der Entwicklung von Elektroautos sind die Branche und die Standardisierung falsch abgebogen. Die elektrische Infrastruktur der allermeisten in Europa verkauften BEV (Battery Electric Vehicle) ist nur für das Laden, aber nicht für das Entladen nach außen konzipiert (unidirektionales Laden). Bidirektionales Laden – also wenn elektrische Energie nicht allein in Richtung des Fahrzeug-Akkus, sondern bei Bedarf auch wieder ins (Haus)Netz zurückgespeist werden kann – ist bisher in Deutschland im großen Stil nur eine Fiktion.
Vielleicht wird der Wunschtraum aber schon bald Realität. Eine Realität, in der Elektroautos weniger als Problem, sondern vielmehr als Lösung großer Herausforderungen für das Stromsystem im Zuge der Energiewende gesehen werden. Dafür gibt es mehrere Ansätze, einer ist der Einsatz von bidirektionalem Laden bei Privathaushalten und Teil des großangelegten Projekts „Bidirektionales Lademanagement“ (BDL) von BMW und seinen Projektpartnern. Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter der Trägerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
„Integrierte Energielösungen für das Zuhause der Zukunft“
Ziel des Projekts ist es, gleichzeitig eine möglichst umfassende Nutzung regenerativ erzeugter Energie zu fördern und die Versorgungssicherheit zu steigern – was durch eine ganzheitliche Verknüpfung von Fahrzeugen, Ladeinfrastruktur und Stromnetzen erfolgen soll. Denn es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten für bidirektionales Laden, beispielsweise tarifoptimiertes Laden / Entladen, Notstromversorgung, Intraday-Handel, Day-ahead-Handel, Bereitstellung von Primärregelleistung, lokale Netzdienstleistung, Redispatch, Bereitstellung von Blindleistung, Spitzenlastkappung, mobile Powerbox und wie im Teilprojekt mit E.on die Eigenverbrauchserhöhung.
Filip Thon, CEO von E.on Energie Deutschland: „Es ist ein wichtiger Schritt für die Energiewende, auch die im E-Auto vorhandene Akkukapazität im Rahmen eines ganzheitlichen Energiemanagements zu nutzen. Wir sind überzeugt, dass bidirektionales Laden künftig eine bedeutende Rolle für unsere Kunden spielen wird, und freuen uns, die Technik gemeinsam mit BMW intensiv zu erproben. Wir erwarten wertvolle Erkenntnisse für künftige Produkte im Sinne integrierter Energielösungen für das Zuhause der Zukunft.“
Familien testen die Technik im Alltag
Gemessen an den hohen Erwartungen und der Bedeutung für das Stromsystem fällt der Praxistext zunächst recht bescheiden aus: Zwei Familien im Münchner Umland testen aktuell das bidirektionale Laden in ihrem Lebensalltag. Dazu wurden entsprechende Ladelösungen und Steuerungsboxen von E.on in den beiden Haushalten installiert sowie speziell ausgerüstete BMW-i3-Fahrzeuge ausgeliefert. Ein Expertenteam begleitet das Projekt durch kontinuierliche Datenauswertung und eine ständige Optimierung.
Die bidirektionale Ladetechnologie selbst wird in dem Projekt allerdings anhand von 50 BMW-i3-Elektroautos unter Realbedingungen schon seit 2021 zusammen mit dem Industriepartner Kostal getestet. Mit 30 BMW i3 mit Rückspeisefunktion werden potenzielle Anwendungen bei Gewerbe- und Industriebetrieben getestet, 20 BMW i3 mit Rückspeisefunktion sind in Privathaushalten im Einsatz.
Sonnenstrom aus dem Fahrzeug-Akku im Haus nutzen
Im Rahmen des Pilotprojekts zur Eigenverbrauchserhöhung untersuchen die Partner das Zusammenspiel des Elektroauto-Akkus mit Photovoltaik-Anlagen. Die Grundfunktion ist sehr einfach: Bei Sonnenschein wird überschüssiger Solarstrom in den Fahrzeug-Akku geladen und kann bei Bedarf wieder aus der Batterie heraus ins Haus fließen, um dort verbraucht zu werden.
Statt den überschüssigen Sonnenstrom ins Netz einzuspeisen, können Kunden mit dieser Lösung einen größeren Anteil der Energie für die eigene Wohnung nutzen. Durch die Einbeziehung des Fahrzeug-Akkus steigt also die Unabhängigkeit vom Netzbezug und die Photovoltaik-Anlage kann sich noch schneller rentieren. Der Hochlauf der Elektromobilität sorgt zudem für einen starken Zuwachs an Speicherkapazität für diesen Einsatz.
Allerdings entstehen bei den Lade- und Entladevorgängen auch Umwandlungsverluste, die berücksichtigt werden müssen. Zudem wird der Fahrzeug-Akku anders und häufiger als bei reinem Fahrbetrieb genutzt.
Ein weiterer Aspekt des Forschungsprojekts ist perspektivisch die Nutzung des Elektroauto-Akkus im Hinblick auf flexible Stromtarife. Beide Modellanwendungen leisten auch einen Beitrag zur Entlastung der Stromnetze – deshalb ist zum Beispiel der Verteilnetzbetreiber Bayernwerk Partner des BMW-Projekts. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch intelligente Messsysteme und damit der Smart-Meter-Rollout.
Kundenfreundliche Steuerung
„Besonders wichtig ist uns die Kundenfreundlichkeit der Anwendung. Deshalb erfolgt die Steuerung der Lade- und Entladevorgänge automatisch und intelligent durch eigens entwickelte Soft- und Hardware. Zentral ist dabei die vom E.on-Tochterunternehmen gridX entwickelte ‚GridBox‘ mit entsprechender intelligenter Software. Die Nutzer machen Zielvorgaben und legen etwa fest, welche Mindestmenge im Akku des E-Autos verbleiben soll“, erklärt Mark Ritzmann, Managing Director bei E.on Group Innovation.
Im Projektverlauf werden die eingesetzten Lösungen mit Blick auf künftige konkrete Privatkundenprodukte optimiert. Ein bidirektionales Ladesystem könnte nicht nur Heimspeicher für Photovoltaik-Anlagen ergänzen, sondern auch bei älteren Photovoltaik-Anlagen zum Einsatz kommen, bei denen eine Heimspeichernachrüstung sehr aufwendig wäre. ■
Quelle: E.on / jv
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