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Energiewende

Taxonomie: Gaswirtschaft glaubt nicht zeitnah an Wasserstoff

Der von der Gaswirtschaft immer wieder angeführte fuel switch bei Erdgas ist im Wärmemarkt für die nächsten 15 Jahre unrealistisch.

weisesicht – stock.adobe.com

Der von der Gaswirtschaft immer wieder angeführte fuel switch bei Erdgas ist im Wärmemarkt für die nächsten 15 Jahre unrealistisch.

Der am 2. Februar 2022 von der EU-Kommission angenommene Rechtsakt zur EU-Taxonomie definiert neue Erdgaskraftwerke unter Bedingungen als nachhaltig. Das Handeln rund um die umstrittene Einstufung offenbart, dass die Gaswirtschaft und Berlin nicht an die zeitnahe Verfügbarkeit grüner Gase glauben.

Schon die Vorgeschichte hat ein wenig Geschichte geschrieben: Rund zwei Stunden vor dem Jahreswechsel 2021/22 hatte die EU-Kommissionen im Rahmen der EU-Taxonomie für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten ihren Vorschlag zur Abstimmung innerhalb der EU-Kommission für die technischen Überprüfungskriterien in bestimmten Energiesektoren, darunter Kernkraftwerke und Gaskraftwerke, zur Kenntnis und kurzfristigen Stellungnahme an die Mitgliedstaaten versendet.

Es folgte aufgeregte Kritik in und aus allen Richtungen. In der Stellungnahme der Bundesregierung heißt es u.a. zu Gaskraftwerken:

„Die beim Fuel Switch verlangten Zwischenschritte mit Beimischungsquoten dekarbonisierter Gase von 30 % bis 2026 und 55 % bis 2030 sind nicht realistisch zu erreichen. In der Markthochlaufphase mit knappen Verfügbarkeiten können die Zwischenschritte die Umstellung auf erneuerbaren Wasserstoff in anderen Sektoren (insbesondere Industrie) behindern. Daher sollten Zwischenschritte ausgespart und der Fuel Switch ab 2036 flexibel ermöglicht werden.“

Vollständiger fuel switch bis 2036 ist sehr ambitioniert

Das ist ziemlich deckungsgleich mit der Position des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der nach der Annahme des Rechtsakts zur EU-Taxonomie erklärt hat: „Eine [..] Verbesserung stellt die Streichung der ursprünglich geforderten unrealistischen Wasserstoffanteile für die Jahre 2026 und 2030 dar. Auch dafür hatte sich der BDEW ausgesprochen. Die Anforderungen sind hier jedoch weiterhin sehr ambitioniert, vor allem der vollständige fuel switch zum 01.01.2036 auf erneuerbare und dekarbonisierte Gase als Brennstoff.“

Die EU-Kommission hat zwar in dem Vorgang nicht die Verwendung von Wasserstoff in den Zwischenschritten 2026 und 2030 gefordert, die BDEW-Stellungnahme zeigt aber: Die Gaswirtschaft geht nicht davon aus, dass zu diesen Zeitpunkten genügend „low-carbon gases“ (so die eigentliche Vorgabe in der EU-Vorschrift) zur Verfügung stehen, um nach den Taxonomie-Regularien errichtete Gas-Kraftwerke gesichert zu versorgen. Und dabei wurde noch nicht einmal das Argument „zu annehmbaren Kosten“ bemüht.

fuel switch im Wärmemarkt bis 2036 ist eine Fantasie

Wenn aber „low-carbon gases“ – erneuerbare oder [zertifiziert] kohlenstoffarme Gase, z. B. Biomethan und Wasserstoff; im noch nicht verabschiedeten „Gaspaket“ sind sie als Gase, die 70 % weniger Treibhausgase als herkömmliches Erdgas verursachen, also auch blauer Wasserstoff, definiert – auch bis 2036 nur „sehr ambitioniert“ für den bevorzugten Einsatz in wenigen Gaskraftwerken zur Verfügung stehen, ist der von der Gaswirtschaft immer wieder angeführte fuel switch im Wärmemarkt aus heutiger Sicht eine Fantasie.

Parallel zur Veröffentlichung des von der EU-Kommission vorgelegten ergänzenden delegierten Taxonomie-Rechtsakts hat der DVGW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gerald Linke erklärt: Die Gasinfrastruktur „wird zukünftig über klimaneutrale Gase ohne große Eingriffe leicht klimaneutral gestaltet werden können.“ Das ist zwar technisch nicht falsch, „zukünftig“ liegt jedoch für den Energieträger Erdgas offensichtlich in einem Zeitfenster, das für die Dekarbonisierung im Wärmemarkt viel zu weit von den im Bundes-Klimaschutzgesetz gesetzlich festgeschriebenen Erfordernissen entfernt liegt. In der Konsequenz wird das die Heizungs-Wärmepumpe noch mehr in den Fokus schieben. ■

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