Wo steht Deutschland beim Klimaschutz? In einem Ende März 2024 veröffentlichten Kurzpapier hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) seine Berechnungen zum verbleibenden deutschen CO2-Budget aktualisiert. Es umfasst die Menge an CO2-Emissionen, die Deutschland bei einer international gerechten Verteilung des globalen Budgets aus dem Pariser Übereinkommen maximal noch ausstoßen dürfte. Für eine Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 °C ist dieses deutsche CO2-Budget inzwischen aufgebraucht. Es stellt sich nun die Frage nach dem Umgang damit.
Deutschland hat wichtige Fortschritte bei der Minderung der Treibhausgasemissionen und beim Klimaschutz erzielt. Nach Einschätzung des Umweltbundesamts (Projektionsdaten 2024) ist es möglich, das 2030-Ziel des nationalen Klimaschutzgesetzes einzuhalten. Dies wäre ein beachtlicher Erfolg. Zu einer ehrlichen Debatte gehört aber auch, dass dieser deutsche Beitrag dennoch oberhalb dessen liegt, was die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens erfordern würde. Die Politik drückt sich allerdings bisher vor einer Debatte über nationales ein nationales CO2- oder Treibhausgas-Budget. Obwohl schon in der Präambel im Ampel-Koalitionsvertrag hervorgehoben wird:
„Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität. Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. Es gilt, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen. Wir schaffen ein Regelwerk, das den Weg frei macht für Innovationen und Maßnahmen, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Wir bringen neues Tempo in die Energiewende, indem wir Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus dem Weg räumen. Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen und die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.“
„Wir werden mehr CO2 ausstoßen als uns zusteht“
SRU-Mitglied Prof. Dr. Wolfgang Lucht, Humboldt-Universität zu Berlin und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: „Das noch verbleibende CO2-Budget schmilzt rapide. Die Klimawissenschaft hat stets gewarnt, dass sich das Fenster schließt, in dem Deutschland einen angemessenen Beitrag leisten kann, ohne auf weitgehend spekulative Maßnahmen wie eine künftige Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre oder Budgetzukäufe im Ausland zurückzugreifen.
Inzwischen ist unausweichlich, dass wir mehr CO2 ausstoßen als uns zusteht, wenn wir unseren Anteil an der Weltbevölkerung zugrunde legen. Die Überschreitung dieses fairen deutschen Budgets für 1,5 °C muss daher umso mehr Ansporn sein, mit neuer Entschlossenheit an einer schnelleren Reduzierung der Emissionen zu arbeiten. Es wirft aber auch die Frage nach der Verantwortung für Schäden und Verluste aufgrund der Überschreitung auf.“
Deutschland verringert zu langsam
Konkret hat Deutschland seinen fairen Anteil an einem globalen CO2-Budget, mit dem die 1,5-°C-Grenze eingehalten werden kann, seit kurzem überschritten. Auch für eine Temperaturgrenze von 1,75 °C mit 67 % Wahrscheinlichkeit umfasst das maximale CO2-Budget für Deutschland nur noch 3900 Mio. t CO2. Würden die Emissionen für dieses Ziel ab heute linear auf null reduziert, müsste Deutschland spätestens 2037 CO2-neutral sein.
Laut Bundes-Klimaschutzgesetz sollen bis zum Jahr 2045 die Treibhausgasemissionen so weit gemindert werden, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Aus Sicht des SRU sollte sich die deutsche wie die internationale Klimapolitik weiterhin an der Einhaltung der 1,5-°C-Grenze orientieren, selbst wenn das hierfür verbleibende CO2-Budget auch auf globaler Ebene inzwischen sehr klein ist.
Die Berechnungen des SRU im Kurzpapier Wo stehen wir beim CO2-Budget? Eine Aktualisierung beruhen auf aktuellen Emissionsdaten sowie verbesserten wissenschaftlichen Analysen zum verbleibenden globalen CO2-Budget, die seit den letzten Veröffentlichungen des Weltklimarates erschienen sind. Sie verwenden ansonsten die gleiche Methodik wie die früheren Veröffentlichungen des Umweltrats zum CO2-Budget (SRU 2020 und SRU 2022), die ausführlicher auf Hintergründe des Berechnungsweges und weitere Zusammenhänge eingehen. ■
Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen / jv
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