Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Standpunkt

Die Gas- und Strompreisbremsen müssen korrigiert werden!

Fokussiert – stock.adobe.com

Mit den vom Bundeskabinett verabschiedeten Preisbremsen wird das Doppelwumms-Budget schnell aufgebraucht – zugunsten der Energieversorger und bisher sorglos Energie nutzenden Endkunden, aber nachteilig für Verbraucher, die bereits in der Vergangenheit sparen mussten, kritisieren Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff und Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow und zeigen, wie die Strompreisbremsen billiger und gerechter gemacht werden können:

Mit den Ausführungen in Energiekosten Details der Gaspreisbremse: Gaskosten 2023 im Einfamilienhaus und Details zur Strompreisbremse beim Heizen mit Wärmepumpen lassen sich die aktuell diskutierten Gas- und Strompreisbremsen für Haushaltskunden in vereinfachende Formeln umwandeln.

Sie gelten für den inzwischen als flächendeckend anzunehmenden Fall, dass die Bruttoarbeitspreise bei Gas über 0,12 Euro/kWh und bei Strom über 0,40 Euro/kWh liegen und für das gesamte Jahr 2023:

Erdgas
KG,23 = Q23 ∙ kG,23 + GPG,23   −   0,8 ∙ Q21 ∙ (kG,23 − 0,12 Euro/kWh)

Strom
KE,23 = W23 ∙ kE,23 + GPE,23   −   0,8 ∙ W21 ∙ (kE,23 − 0,40 Euro/kWh)

Q21 bzw. Q23 sind die Gasverbräuche in 2021 bzw. 2023 [in kWh/a], kG,23 ist der Gaspreis ab 01. Januar 2023 [in Euro/kWh] und GPG,23 der Grundpreis ab 01. Januar 2023 [in Euro/a]. Analoges gilt für den Strom mit angepassten Indizes („E“ statt „G“) und „W statt „Q“.

Wohin das Geld fließt

Der erste Teil links vom Gleichheitszeichen geht an den Energieversorger und entspricht dem Betrag, den der Energieversorger seinen Kunden ohne die Preisbremsen in Rechnung stellen würde. Der zweite Teil ist der Entlastungsbetrag, den der Energieversorger der Bundesrepublik Deutschland in Rechnung stellt und in ihrem Auftrag an den Energiekunden weiterreicht.

Das Problem ist, dass auf Basis dieser Formel die mit dem Doppelwumms zur Verfügung gestellten 200 Mrd. Euro schnell aufgebraucht sein werden. Das Geld fließt aber nicht zu den Menschen, die auf eine Entlastung angewiesen sind. Vielmehr sorgt es dafür, dass Energieversorger hohe Preise ohne Sorge vor einer Kündigungswelle aufrufen können und Endkunden, die in der Vergangenheit billige Energie sorglos verbraucht haben, nun einen hohen Entlastungsbetrag erhalten, während Endkunden, die bereits in der Vergangenheit sparen mussten, einen kleineren Entlastungsbetrag erhalten.

Der Referenzverbrauch Q21 ist den meisten Kunden von den Gas- und Stromversorgungsunternehmen mit Bezug auf Stand September 2022 schon vor dem finalen Gesetzesbeschluss mitgeteilt worden.

Zu kritisieren ist vor allem, dass kein Vergleich der künftigen Gas- und Stromverbräuche (die Preisbremsen sollen bis April 2024 gelten) mit vorhergehenden Verbrauchsabrechnungen vorgesehen ist. Für ein gerechtes Verfahren ist dies aber erforderlich und nur unter Berücksichtigung von Witterungskorrekturen für die Vergleichszeiträume, z. B. über Gradtagstunden bzw. mit den Heizgradstunden möglich. Weiterhin sind auch weitgehend gleiche Belegungen, vor allem in Mehrfamilienhäusern aber auch in Ein- und Zweifamilienhäusern zugrunde zu legen.

Auswertungen für die Heizgradstunden der letzten zwanzig Jahre in Mitteldeutschland zeigen, dass diese zwischen 42 kKh/a (2020) und 66 kKh/a (2010) schwanken. Alleine durch die Witterungseinflüsse ergeben sich also Schwankungen der abgerechneten Verbrauchswerte zwischen den Extremjahren um mehr als 50 % nach oben und um knapp 40 % nach unten.

In den Corona-Jahren 2020 und 2021 lagen die Heizgradstunden für den Standort Magdeburg bei G15,2020 = 42,2 kKh/a und bei G15,2021 = 53,1 kKh/a. Wird 2023 ein gleich warmes Jahr wie das Jahr 2020, ergäben sich hier allein schon dadurch Einsparungen von mehr als 20 % gegenüber dem Referenzjahrjahr 2021.

Die bessere Alternative

Besser, gerechter und einfacher wären die nachfolgenden Formeln ohne Bezug auf den Referenzverbrauch von 2021 (sonstige Formelzeichen siehe oben), sie gelten, wenn die Bruttoarbeitspreise bei Gas über 0,12 Euro/kWh und bei Strom über 0,40 Euro/kWh liegen und zur Vereinfachung für das gesamte Jahr 2023:

Gas
KG,23 = Q23 ∙ 0,8 ∙ 0,12 Euro/kWh + 0,2 ∙ Q23 ∙ kG,23 + GPG,23
         = Q23 ∙ (0,096 Euro/kWh + 0,2 ∙ kG,23) + GPG,23

Strom
KE,23 = W23 ∙ 0,8 ∙ 0,40 Euro/kWh + 0,2 ∙ W23 ∙ kE,23 + GPE,23
         = W23 ∙ (0,320 Euro/kWh + 0,2 · kE,23) + GPE,23

Mit diesem Vorschlag könnte man auf die Verbrauchsprognose für das Vorjahr verzichten und würde gleichzeitig ein Preis- und Einsparsignal setzen. Und es wäre alles überflüssig, was mit den Diskussionsbeispielen in den oben verlinkten Artikeln an Unstimmigkeiten beschrieben wird: Wechsel der Energieträger, Leerstand, Mieterwechsel, unterschiedliche Lebenssituationen, unterschiedliches Wetter.

Wir hoffen, dass die ursprünglichen Formeln der Kabinettsvorlagen in der Kalenderwoche 50 nicht vom Bundestag beschlossen werden, damit die Entlastungen die Energiekunden situationsgerecht erreichen.

Gaskosten für einen Haushaltskunden mit einer Jahresverbrauchsprognose im September 2022 von 20 000 kWh/a und einem Grundpreis von 50 Euro/a in Abhängigkeit vom Verbrauchsverhalten und vom Brutto-Arbeitspreis (Gastarif).

GV

Gaskosten für einen Haushaltskunden mit einer Jahresverbrauchsprognose im September 2022 von 20 000 kWh/a und einem Grundpreis von 50 Euro/a in Abhängigkeit vom Verbrauchsverhalten und vom Brutto-Arbeitspreis (Gastarif).

Falsche Marktsignale mit der Kabinettsvorlage

Um aufzuzeigen, wie falsch die Marktsignale mit den Formeln aus dem Kabinettsbeschluss für die Preisbremsen sind, wird das in den oben verlinkten Artikeln verwendete Beispiel hier noch einmal leicht verändert aufgegriffen. Mit dem Unterschied, dass sich die Gas-Verbrauchsprognose im September 2022 von Q21 = 20 000 kWh/a bei einem Nutzungsgrad eines NT-Heizkessels von 0,8 ergeben hätte. Die abgegebene Nutzwärme beträgt somit 16 000 kWh/a.

Weiterhin werden durch sparsames Nutzerverhalten in 2023 zusätzlich 2000 kWh/a an Nutzwärme eingespart. Ohne Heizungssanierung würden die Gaskosten damit ohne Gaspreisbremse 3550 Euro/a betragen. Mit der aktuell diskutierten Gaspreisbremse wären es 2270 Euro/a. Die Bundesrepublik Deutschland entlastet den Energiekunden um 1280 Euro.

Die Einfamilienhausbesitzer stehen jetzt vor der Entscheidung, ob sie als Fall 1 den NT-Kessel durch einen neuen Gas-Brennwertheizkessel mit einem Nutzungsgrad von 0,9 oder im Fall 2 doch besser durch eine Wärmepumpe mit einer Arbeitszahl von 3,2 ersetzen sollen. Als Gaspreis für das Jahr 2023 werden 0,20 Euro/kWh und als Strompreis 0,5 Euro/kWh angesetzt.

Einbau eines neuen Gas-Heizkessels

Im Sanierungsfall 1 mit der Gaspreisbremse nach derzeitigem Kabinettsvorschlag würde gegenüber der Jahresgasverbrauchsprognose im September 2022 von 20 000 kWh/a etwa 22 % an Endenergie (Gaszähler) Erdgas eingespart.

Die Gaskosten in 2023 ergeben sich zu 1881 Euro/a gegenüber Gesamtkosten von 3161 Euro/a ohne Gaspreisbremse. Mit Gaspreisbremse ergibt sich damit ein Amortisationsbeitrag von 2270 Euro − 1881 Euro = 389 Euro im Jahr 2023. Die Bundesrepublik Deutschland entlastet den Energiekunden um 1280 Euro.

Einbau einer Wärmepumpe

Würde der Einfamilienhausbesitzer eine Wärmepumpe einbauen (Fall 2), ergeben sich mit Strompreisbremse Energiekosten von 1788 Euro/a und ohne Strompreisbremse Energiekosten von 2188 Euro/a.

Zwei Hinweise zu Fall 2. Auf den Ansatz der Grundkosten wurde verzichtet, weil davon auszugehen ist, dass für den Haushaltsstrom der Anschluss ohnehin vorhanden ist. Darüber hinaus ist es spekulativ, wie der Versorger einen Stromverbrauch aus dem Vorjahr schätzen will, wenn es die Wärmepumpe noch gar nicht gab. Hier wurde angenommen, dass er aus dem alten Gasverbrauch und der Annahme von Effizienzwerten berechnet wird.

Die Energiekosten im Fall 2 lägen nur um knapp 100 Euro niedriger als beim Austausch des Gas-Heizkessels. Der Amortisationsbeitrag im Jahr 2023 beträgt 2270 Euro − 1788 Euro = 482 Euro. Die geringe Differenz zum Austausch des Gas-Heizkessels setzt auch unter Berücksichtigung der höchstmöglichen Förderzuschüsse keinen ausreichenden Anreiz für eine Modernisierung mit einer deutlich teureren Wärmepumpe!

Mit Strompreisbremse und unter den getroffenen Annahmen für die Prognose entlastet die Bundesrepublik Deutschland den Wärmepumpen-Modernisierer im Jahr 2023 bei den Energiekosten um 400 Euro. Sie zahlt 880 Euro weniger als beim weiteren Heizen mit Erdgas.

Höherer Anreiz mit dem Alternativvorschlag

Mit dem Alternativvorschlag ergeben sich für Fall 1 Gesamtkosten von 2166 Euro/a und im Fall 2 von 1838 Euro. Die Heizungsmodernisierung mit einer Wärmepumpe führt gegenüber dem Austausch des Gas-Heizkessels zu um 328 Euro/a geringeren Gesamtkosten, die noch wesentlich weiter sinken könnten. Beispielsweise, wenn zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage mit einem Deckungsanteil von 40 % Eigenstrom für die Wärmepumpe installiert würde und der Stromanbieter wie in der Vergangenheit einen gesonderten Wärmepumpenstromtarif von z. B. 0,30 Euro/kWh anbieten würde. Dann ergeben sich statt 1838 Euro/a nur noch 788 Euro/a Stromkosten für den Netzbezug.

Zum Stichtag 1. April 2022 weist der Monitoringbericht 2022 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts für den Abnahmefall Wärmepumpe im Mittel einen Bruttogesamtpreis von 25,07 Ct/kWh aus. Zum gleichen Stichtag lag der Durchschnittspreis für Haushaltskunden bei 36,06 Ct/kWh. Der Preisabstand von über 10 Ct/kWh ist in der Kabinettsvorlage unberücksichtigt geblieben. Zum Referenzstrompreis von 40 Ct/kWh für die Strompreisbremse ergibt sich für Haushaltsstrom eine Differenz von 3,94 Ct/kWh, bei Wärmepumpenstrom von 14,93 Ct/kWh. ■

Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow
lehrt Anlagentechnik und Energiekonzepte an der Hochschule Magdeburg-Stendal – Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit, www.bauwesen.hs-magdeburg.de

Jagnow

Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Wolfenbüttel, Fakultät Versorgungstechnik, d.wolff@ostfalia.de www.ostfalia.de

Wolff