Einen Tag nach dem Bundestag hat am 25. Juni 2021 auch der Bundesrat der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG-Novelle) zugestimmt. Das neue Ziel – Klimaneutralität 2045 – wird nun Gesetz.
Zumindest die Geschwindigkeit war beachtlich: Nur 57 Tage nach dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts haben Bundestag und Bundesrat der KSG-Novelle zugestimmt. Das Gesetz wird nun dem Bundepräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Danach kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden und am Folgetag in Kraft treten. In der TGA-Branche war die Ankündigung der Bundesregierung, das Bundes-Klimaschutzgesetz noch vor der Bundestagswahl 2021 zu novellieren angesichts eines engen Terminplans belächelt worden…
Ob bzw. wie lange die Novelle Bestand haben wird, bleibt allerdings tatsächlich abzuwarten. Auf der einen Seite gibt es Stimmen, die die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts als nicht erfüllt betrachten. Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die die Leitlinien ganz anders interpretieren und auch Alternativen sehe. Von sich aus überprüft das Bundesverfassungsgericht die Umsetzung seiner Beschlüsse nicht, es ist aber nach zahlreichen Ankündigungen zu erwarten, dass es erneut angerufen wird.
Strengere Klimaschutzziele
Das „Erstes Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes“ (KSG) sieht vor, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 mindestens 65 % weniger Treibhausgase als im Jahr 1990 ausstößt. Bisher hat das KSG nur eine Minderung von mindestens 55 % vorgegeben. Bis 2040 sollen die CO2-Emissionen um 88 % verringert werden.
Im Jahr 2045 und damit fünf Jahre früher als im bisherigen Klimaschutzgesetz soll Deutschland klimaneutral sein. Es muss dann also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgasemissionen und deren Abbau erreichen. Nach dem Jahr 2050 soll Deutschland mehr Treibhausgase in natürlichen Senken einbinden als es ausstößt.
Das Gesetz betont den Beitrag natürlicher Ökosysteme zum Klimaschutz. Wälder und Moore sind Kohlenstoffspeicher, sogenannte natürliche Senken. Sie seien wichtig, um unvermeidbare Restemissionen von Treibhausgasen zu binden, so die Gesetzesbegründung. Vorgesehen sind deshalb konkrete Zielvorgaben, um die CO2-Bindungswirkung derartiger Speicher zu verbessern.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 zu regeln. Mit Beschluss vom 24. März 2021 (veröffentlicht am 29. April 2021) hat es entschieden, dass die maßgeblichen Vorgaben des bisherigen Klimaschutzgesetzes mit den Grundrechten unvereinbar sind, soweit eine solche Fortschreibung fehlt. Das Gericht hatte eine Frist zur Umsetzung der Entscheidung bis zum 31. Dezember 2022 gesetzt.
Mit der Novelle sehen Bundesregierung und Gesetzgeber auch die Klimaziele der EU umgesetzt. Diese sind zwar noch nicht formal beschlossen, aber bereits ausgehandelt. Die Regelungen in der bisherigen Fassung des Gesetzes bauten noch auf den alten, niedrigeren Zielen der EU auf. So stehen etwa die ab 2050 vorgesehenen negativen Emissionsmengen bereits im Einklang mit den zu erwartenden europäischen Vorgaben.
Eine Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes hätte also auch ohne den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zeitnah erfolgen müssen.
Kaum Wirkung vor 2030
Allerdings: Die jetzt erfolgte KSG-Novelle ist eine eigenwillige Interpretation des Klimaurteils: Weiterhin wird bis 2030 ein großer Teil des Deutschland nach unterschiedlichen Methoden noch zustehenden CO2-Budgets aufgezehrt. Nimmt man für die nicht festgelegten Werte in Bild 2 jeweils eine lineare Entwicklung an, genehmigt das aktuelle Bundes-Klimaschutzgesetz im Zeitraum 2020 bis 2030 den Ausstoß von 7448 Mio. t CO2-Äquivalent (CO2e).
Mit der gleichen Vorgehensweise sind es laut KSG-Novelle 7011 Mio. t CO2e. Die Differenz entspricht 80,4 % der nach bisherigem KSG für das Jahr 2030 maximalen Jahresemissionsmengen aller Sektoren. Die Erhöhung der Minderung von 55 auf 65 % ist somit ein Scheinriese, sie verlegt das bisherige Mengenziel um weniger als zehn Monate nach vorne. Mehr Generationengerechtigkeit verspricht das nicht.
Das Vorziehen der Klimaneutralität auf das Jahr 2045 ist also weniger ein neues oder ambitionierteres Ziel, sondern eine notwendige Konsequenz aus den viel zu hohen Treibhausgasemissionen bis 2030. Allerdings wird das wohl bei weitem nicht ausreichen, um einen gerechten Beitrag zum Erreichen der 2015 in Paris vereinbarten Klimaziele zu leisten. ■
Siehe auch: KSG-Novelle ohne den Gebäudesektor