„Der Klimaschutz kann nicht auf die Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff für alle Anwendungsoptionen warten. Bei der Gebäudewärme ist deshalb ein geordneter Ausstieg aus der Erdgas-Heizung erforderlich.“
Versorgungssicherheit, verlässliche Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Das hatte sich die GroKo als zentrale Orientierung ihrer Energiepolitik in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ebenso: „Wir werden Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen.“ Denn Erdgas sollte bei dem Zieldreieck eine tragende Rolle einnehmen.
Umweltverträglich ist Erdgas höchstens, wenn man es nicht als Erdgas, sondern dekarbonisiert nutzt. Und Erdgasanwendungen in der TGA sind nicht umweltfreundlich. Erdgas ist bestenfalls weniger umweltschädlich als andere fossile Energieträger. Allerdings ist auch dies umstritten. Dahin ist auch die verlässliche Bezahlbarkeit – immerhin gibt es schon zwei Entlastungspakete, u. a. mit Heizkostenzuschüssen und Energiepreispauschale. Mehr als die Hälfte der Wohnungen wird mit Erdgas warm.
Der Fokus war nicht sicher, sondern billig
Die Versorgungssicherheit hat bereits letztes Jahr einen Knacks bekommen, bei niedrigsten Füllständen der Gasspeicher wurden ab Mai 2021 die Sorgenfalten immer tiefer. Zwar hält Russland auch während des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine bestehende Gaslieferverträge ein, Versorgungssicherheit wird von der Politik und von Gaskunden aber anders definiert. Mitschuld trägt die Politik: Alternative Importwege in ausreichendem Umfang existieren nicht, Mindestfüllstände der Gasspeicher werden erst jetzt festgeschrieben.
Insgesamt war der Fokus bei Erdgas nicht verlässliche Bezahlbarkeit, sondern billig. Mit einer über LNG-Terminals gesicherten Versorgung hätte Erdgas schon lange einen höheren Preis gehabt und die Wärmewende weniger ausgebremst. Deutschland hat keine LNG-Terminals, weil sie inklusive der Integration in die Infrastruktur nicht privatwirtschaftlich zu betreiben. Und es wurde billige Energie mit niedrigen Energiekosten gleichgesetzt. Diese Kopplung trifft jedoch nur für wenige Prozesse zu. Den Gebäudesektor und das Baugeschehen haben künstlich billig gehaltene Energieträger hingegen falsch ausgerichtet, gedeckt von einem Gesetzgeber, der untätig die wahren Kosten verschleiert.
LNG: Unsichere Versorgungssicherheit
Schwerer wiegt: Auch LNG-Terminals hätten die Versorgungssicherheit nur mit einem Kurswechsel in der Vergangenheit erhöht. Erst die Bereitschaft zu höheren Kosten durch entsprechende Lieferverträge hätte die Abhängigkeit von Russland verringert. Robert Habeck musste erkennen, dass auch in der Not ein dickes Scheckbuch kurzfristig nicht ausreicht. Freie LNG-Kapazitäten sind derzeit rar. Und dies zeigt, wie empfindlich auch die LNG-Versorgung bei hoher Nachfrage ist: Eine länger andauernde Störung bei nur einem der wenigen Lieferanten hätte erhebliche Konsequenzen.
Umweltverträglichkeit soll künftig mit dem Ersatz von Erdgas durch klimaneutralen Wasserstoff, auf Sicht nur durch grünen Wasserstoff erreicht werden. Nachhaltigkeit und echte Versorgungssicherheit für den in die EU importierten Teil wird es nur mit verbindlichen Abnahmegarantien und einer großen Zahl an Lieferländern in unterschiedlichen Regionen ohne Konzentration auf die besten Standorte geben. Kurzfristig günstiger Wasserstoff in großen Mengen ist mit diesen Prämissen unrealistisch.
Da der Klimaschutz nicht auf die Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff für alle Anwendungsoptionen warten kann (das gilt auch für Biomethan), muss sich jetzt die Erkenntnis durchsetzen: Bei der Gebäudewärme ist ein geordneter Ausstieg aus der Erdgas-Heizung erforderlich.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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