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CO2-Bepreisung

Lässt sich 2027 ein CO2-Preis­schock beim Heizen verhindern?

Was bedeutet ein Anstieg des CO2-Preises in Höhe von 10 Euro/tCO2?

Agora Energiewende, CC BY 4.0

Was bedeutet ein Anstieg des CO2-Preises in Höhe von 10 Euro/tCO2?

Der Preis für den CO2-Ausstoß fossiler Brennstoffe für Gebäude und Verkehr sollen sich ab 2027 über den europäischen Emissionshandel (ETS II) abbilden. Dieser löst die aktuell in Deutschland geltenden CO2-Festpreise ab. Agora Energiewende hat ein Konzept vorgelegt, mit dem sich beim Übergang vom nationalen zum europäischen CO2-Preis sprunghafte Anstiege der Tank- und Heizkosten vermeiden und Entlastungen finanzieren lassen.

Eine sprunghafte Verteuerung von Benzin um 38 Ct/l, von Erdgas um 3 Ct/kWh – rund 600 Euro/a bei einem im Einfamilienhaus typischen Gasbezug von 20 000 kWh/a – und von Heizöl um fast 43 Ct/l ab dem Jahr 2027 würde wohl ein politisches Beben auslösen, auch wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Bürger zurückfließen. Es besteht also Handlungsbedarf. Europaweit. Denn viele EU-Mitgliedstaaten haben bisher keine nationale CO2-Bepreisung, hier wären die Preissprünge also noch etwa 30 % höher...

Hintergrund ist, dass ab 2027 eine CO2-Obergrenze die angebotene Zertifikatemenge für den CO2-Ausstoß von Verkehr und Gebäuden im europäischen Emissionshandel (ETS II) bestimmt. In Deutschland würde der ETS II die im Jahr 2021 gestartete nationale CO2-Bepreisung über das Brennstoff­emissions­handels­gesetz (BEHG) mit zurzeit marktfern niedrigen Festpreisen ablösen. Die CO2-Obergrenze im ETS II ist an den EU-Klimazielen ausgerichtet.

Eine Analyse von Agora Energiewende zeigt nun, dass durch den Wechsel von einem preis- zu einem mengengesteuerten Marktinstrument zusätzlicher Handlungsbedarf entsteht. Denn künftig wird der CO2-Preis im Verkehrs- und Gebäudebereich maßgeblich durch die Nachfrage nach fossilen Energieträgern in diesen Sektoren bestimmt: Je höher die Nachfrage bis zur Einführung noch ist, desto höher fallen auch die Preise im ETS II aus.

Agora Energiewende schlägt Drei-Punkte-Konzept vor

Aufgrund der Klimaschutzverfehlungen im Gebäude- und Verkehrsbereich – die der Projektionsbericht der Bundesregierung bis 2030 auf 200 Mio. t CO2 beziffert, birgt die Einführung des ETS II das Risiko sprunghafter Preisanstiege von Treibstoff- und Heizkosten. Um einen sozialverträglichen Übergang mit moderater Preisentwicklung zu gewährleisten, schlägt Agora Energiewende in einem Drei-Punkte-Konzept vor, den Preispfad für den nationalen Brennstoffemissionshandel anzupassen, die sozialgerechte Rückverteilung der zusätzlichen Einnahmen sicherzustellen und die Emissionsmenge durch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich zu senken.

„Ein gut gestalteter Übergang zum europäischen Emissionshandel ETS II schützt Verbraucher vor einem sprunghaften Anstieg ihrer Tank- und Heizrechnungen“, sagt Simon Müller, Direktor der Deutschlandarbeit von Agora Energiewende. „Jüngste Studien zeigen, dass ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen die Preise 2027 auf mehr als 200 Euro/tCO2 springen könnten.

Das würde zum Jahresanfang 2027 Steigerungen von 38 Ct/l Benzin und rund 3 Ct/kWh Erdgas gegenüber 2026 bedeuten. Es braucht jetzt ein durchdachtes Konzept, das auch Maßnahmen für den sozialen Ausgleich enthält. Ansonsten landet die Last letztlich bei den Verbrauchern. Ein sozialverträglicher Übergang ist zentral für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen.“

Vorlaufende Anpassung des nationalen CO2-Preispfads…

Der Vorschlag von Agora Energiewende, der in Kooperation mit Agora Verkehrswende entstanden ist, sieht zum einen vor, den Preispfad des nationalen Emissionshandels anzupassen. Um das Risiko sprunghaft höherer Preise abzumildern, soll die moderate Erhöhung der national geltenden CO2-Preise früher beginnen und gleichzeitig ein Rückverteilungsmechanismus in Kraft treten. Zunächst bedeutet das eine Anhebung des CO2-Festpreises auf 60 Euro/tCO2 ab 2024 – was beim derzeitigen Benzinpreis von 1,90 Euro/l einem Anstieg von etwa 4 % beziehungsweise um 8,5 Ct/l entspricht.

… und Rückverteilung der Mehreinnahmen

Allein im Jahr 2024 würden so Mehreinnahmen von rund 6,6 Mrd. Euro entstehen – pro Bundesbürger stünden damit rund 80 Euro für eine Entlastung zur Verfügung. Darüber lasse sich sicherstellen, dass die Maßnahme sozialverträglich ist. Bis eine Rückverteilung über ein Klimageld für alle Bürger wirksam werden kann, könnten Entlastungen etwa über die Senkung der Stromsteuer auf das europarechtlich vorgeschriebene Minimum von 0,1 Ct/kWh erfolgen.

Exkurs: Aktuell beträgt die Stromsteuer für Privatkunden 2,05 Ct/kWh (netto). Inklusive 19 % MwSt. würde die Entlastung dann maximal 2,32 Ct/kWh betragen. Der typische Stromverbrauch in einem Haushalt ohne elektrische Heizsysteme variiert allerdings deutlich mit der Personengröße. Bei einem mittleren Energieverbrauch liegt er für nur eine Person im Einfamilienhaus bei 2600 kWh/a, was eine Entlastung über die Stromsteuer von 60,32 Euro/(a ∙ Kopf) ergeben würde. In der gleichen Effizienzbewertung liegt der Energieverbrauch in einer Wohnung im Mehrfamilienhaus mit 4 Personen bei 3000 kWh/a. Hier würde die Entlastung über die Stromsteuer nur 17,40 Euro/(a ∙ Kopf) betragen.

Handelsphase von 2026 auf 2025 vorziehen

Zum anderen, so der Agora-Vorschlag, sollte der Einstieg in die Handelsphase von 2026 auf 2025 vorgezogen werden. Dadurch würden CO2-Zertifikate bereits ein Jahr früher in Auktionen versteigert, statt wie aktuell zu einem Festpreis angeboten. Dies ermöglicht eine Vorbereitung der marktbasierten Preisbildung im ETS II. Ein Preiskorridor von 60 bis 80 Euro/tCO2 im Jahr 2025 beziehungsweise 90 bis 110 Euro/tCO2 im Jahr 2026 soll auch hier einen sprunghaften Anstieg verhindern.

CO2-Preispfad im BEHG nach den Plänen der Bundesregierung.

Agora Energiewende, CC BY 4.0

CO2-Preispfad im BEHG nach den Plänen der Bundesregierung.

Die daraus entstehenden Mehreinnahmen ermöglichen Pro-Kopf-Entlastungen zwischen 49 und 152 Euro im Jahr 2026 und zwischen 94 und 192 Euro im Jahr 2027. Die vorgeschlagenen Preiskorridore sind vorbehaltlich der Klimaschutzanstrengungen Deutschlands: Sollte der Projektionsbericht der Bundesregierung eine Überschreitung der nach den europäischen Klimazielen zulässigen Emissionsmenge ausweisen, sieht das Agora-Konzept eine Erhöhung der Obergrenze des Preiskorridors um 10 Euro/tCO2 vor. Entsprechend höher fallen dann die Mehreinnahmen für Entlastungen und Rückverteilung aus der CO2-Bepreisung aus.

Klimaschutzinstrumente funktionieren am besten im Mix

„Damit die CO2-Preise ihre volle Klimaschutzwirkung entfalten können, sollte die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbrauchern den Umstieg auf die klimafreundliche Alternative erleichtern“, sagt Müller. Ansonsten seien die Möglichkeiten der Menschen, auf den ansteigenden CO2-Preis zu reagieren, begrenzt. „Wir müssen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen auf einen klugen Mix setzen, der den Klimaschutz stärkt und zugleich soziale Belastungen abfedert.“

Es erfordere zusätzliche Anstrengungen, um die Lücke zum Erreichen der Klimaziele im Gebäude- und Verkehrsbereich zu schließen, mahnt Müller. Zum Beispiel beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder bei der Etablierung neuer Optionen für eine einfache Finanzierung der energetischen Sanierung oder des Heizungstauschs.

Bundesrepublik trägt auch eine europäische Verantwortung

Ein höherer nationaler CO2-Preis könne zusammen mit gezielten Klimaschutzmaßnahmen früher zu Emissionsreduktionen in Deutschland führen – und damit dazu beitragen, die Zertifikatspreise ab 2027 europaweit niedriger zu halten, so Müller. Deutschland, Frankreich und Italien sind für mehr als die Hälfte der ETS-II-Emissionen verantwortlich, Deutschland allein für fast ein Viertel. „Die Bundesrepublik trägt auch eine europäische Verantwortung für wirksamen und europaweit sozialen Klimaschutz“, erklärt Müller.

Anteil der vom ETS II erfassten Emissionen (2016 bis 2018) nach Mitgliedsstaat.

Agora Energiewende, CC BY 4.0

Anteil der vom ETS II erfassten Emissionen (2016 bis 2018) nach Mitgliedsstaat.

Die Analyse „Der CO2-Preis für Gebäude und Verkehr – Ein Konzept für den Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel“ beschreibt das Drei-Punkte-Konzept im Detail mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen. Die 51-seitige Publikation steht kostenlos als PDF-Download zur Verfügung.

Verbraucher können auf die steigenden CO2-Preise reagieren, indem sie bei der Gebäudeheizung und Trinkwassererwärmung und beim Verkehr auf Systeme umsteigen, in den keine fossilen Energieträger (Erdgas, Flüssiggas, Heizöl sowie Diesel und Benzin) verwendet werden und Möglichkeiten zum Energieeinsparen genutzt werden. ■
Quelle: Agora Energiewende / jv; für alle Abbildungen mit „CC BY 4.0“ im ©-Hinweis gilt die Creative Commons Lizenz CC BY (Namensnennung).

Der Artikel gehört zur TGA+E-Themenseite CO2-Bepreisung

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