Das Gebäudeenergiegesetz lässt ab 2024 auch im Neubau reine Gas-Heizungen zu, wenn sie mit mindestens 65 % „Grüngas“ betrieben werden. Doch solche Tarife sind bisher kaum verfügbar und aus mehreren Gründen teuer.
Die ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tretende Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG 2024) soll den Weg für mehr erneuerbare Energien beim Heizen ebnen. Nach langem Gezerre sind dabei auch weiterhin reine Gas-Heizungen weiter zulässig. Allerdings müssen sie im Neubau in Neubaugebieten mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. Konkret nennt das Gesetz dazu Biomasse sowie grünen oder blauen Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate („EE-Gas“).
Diese Anforderung kann bei öffentlich versorgten Gas-Heizungen bilanziell erfüllt werden. Das EE-Gas wird also nicht tatsächlich geliefert, sondern nach dem Massebilanzsystem an anderer Stelle eingespeist / verwendet. Nur, wo gibt es Tarife, die diese Kriterien erfüllen?
„65-%-Ökogas-Tarife sind jedoch Mangelware“
„Wenn Gas-Heizungen weiter eingebaut werden dürfen, dann muss ihr klimabewusster Betrieb erleichtert werden“, fordert Florian Henle, Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers Polarstern. Entsprechende Ökogas-Tarife sind jedoch Mangelware. Einer der Anbieter ist Polarstern. Das Unternehmen bietet seit 2011 Ökogas ausschließlich aus 100 % Biomethan und ist damit bis heute ein Vorreiter im Energiemarkt.
Insgesamt stellen noch immer Klimatarife, bei denen Erdgas verkauft und die Emissionen lediglich kompensiert werden, die Mehrheit (61 %) der Ökogasangebote. Das hat eine Analyse von Polarstern zu den Gasangeboten in den 15 größten Städten Deutschlands im November 2023 ergeben. Weitere 30 % der Angebote sind Beimischprodukte mit einem Erdgasanteil von meist 80 % und mehr. Weder Klimatarife noch diese Beimischprodukte erfüllen die Kriterien des GEG. Weniger als eine Handvoll Ökogastarife beinhaltet bisher ausreichend erneuerbare Energien.
Wenn man das GEG genau betrachtet, würde auch die Verfügbarkeit von 65-%-EE-Gastarifen nicht unbedingt die Nachfrage erfüllen. Typischerweise wird im Neubau die 65-%-EE-Pflicht über eine Kombination mehrerer Erfüllungsoptionen erfüllt, beispielsweise über Solarthermie oder die Nutzung einer Trinkwasser-Wärmepumpe. Im Gasbezug sinkt dann der individuelle Grüngas-Pflichtanteil und aufgrund der Preissituation und der knappen Verfügbarkeit dürfte sich die Nachfrage in die Richtung fein abgestufter EE- Anteile entwickeln.
Biogasmangel fängt schon bei der Erzeugung an
In Deutschland gibt es rund 9600 Biogasanlagen. 2023 wird nach Prognosen mit einem Nettozubau von 33 Anlagen, das Wachstum so gering sein wie noch nie. Hinzu kommt, dass nur ein Bruchteil von knapp 2,5 % der Biogasanlagen in Form von Biomethan ins Gasnetz einspeist. Auch hier stagniert der Zubau seit dem EEG 2014, das einen harten Einschnitt für die Biomethanbranche brachte.
„Für die klimabewusste Versorgung von Gas-Heizungen brauchen wir dringend mehr Biogas, das heißt mehr Biogasanlagen und mehr Anlagen, die das erzeugte Gas dann auch aufbereitet zu Biomethan ins Gasnetz einspeisen und die nicht nur zur Vor-Ort-Verstromung geplant werden“, fordert Zoltan Elek, Geschäftsführer des führenden deutschen Biomethanhandelsunternehmens Landwärme. Die LW Beteiligungs GmbH, eine Gesellschaft des Gründers der Landwärme GmbH hält 49 % der Anteile an der Polarstern GmbH.
Die derzeit höheren Kosten seien zum großen Teil auf die erhöhte Nachfrage bei geringem Angebot zurückzuführen und auch weiterhin begründet durch die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs.
Künftig könnte sich der Mangel sogar noch verschärfen: Was wohl im Jahr 2029 beim EE-Hochlauf passiert?
Auch bei Biomethan auf Importe angewiesen
Elek: „Um die aktuelle Nachfrage nach Biomethan in Deutschland zu decken, sind wir auch auf Biomethananlagen in europäischen Nachbarländern angewiesen. Zugleich müssen wir Biogas und Biomethan als Energiequelle sinnvoll auch in den deutschen Energiemarkt integrieren. Deutschland muss den EU-Plänen Rechnung tragen und die Produktion dringend vorantreiben. Beschleunigte Genehmigungsverfahren und leicht zugängliche Förderprogramme mit wenig bürokratischem Aufwand würden den Hochlauf ankurbeln.“
Die EU sieht nämlich mit ihrem REPowerEU-Plan einen Hochlauf der Biomethanerzeugung in Europa auf 35 Mrd. m3/a (ca. 350 TWh/a) vor. Das ist eine Verzehnfachung der aktuellen Produktion. Auf Deutschland fielen umgerechnet etwa 100 TWh/a – bei einer aktuellen Erzeugung von etwa 11 TWh/a Biomethan. Biogas und Biomethan sind ferner auch im Sinne der benötigen Flexibilitäten und der Energiespeicherung ein zentraler Pfeiler der Energiewende und der Versorgungssicherheit.
Neben der Marktsituation erschwere die Bürokratie aktuell die Wettbewerbsfähigkeit von Ökogasprodukten, berichtet Henle. „Obwohl wir 100 % Ökogas komplett aus erneuerbaren Ressourcen anbieten, zertifiziert durch den TÜV Nord, müssen wir die CO2-Abgaben zahlen.“ Die Zertifizierung von nachhaltigem Biogas, wie es in der Biomasseverordnung definiert ist und auf welches die CO2-Abgabe verweist, sei nicht auf wettbewerbsfähige Biogasangebote für Endverbraucher ausgerichtet. Das benachteilige klimabewusste Angebote und müsse dringend korrigiert werden.
Die beschränkte Verfügbarkeit wird allerdings auch künftig den Markt bestimmen, zumal (verflüssigtes) Biomethan zurzeit auch im Schwerlastverkehr stärker nachgefragt wird.
Wasserstoff als Alternative?
Auch Wasserstoff ist für die Erfüllung der GEG-Kriterien beim Betrieb einer nach GEG zu 65-%-EE verpflichten Gas-Heizung als Erfüllung zugelassen. Bis es hier jedoch ein wettbewerbsfähiges Angebot gibt, vergehen noch viele Jahre. Polarstern selbst betreibt mit seiner Tochter, der Green Hydrogen Esslingen, einen der wenigen Elektrolyseure, der bereits zur Wärmeversorgung von Haushalten genutzt wird. Der hier erzeugte grüne Wasserstoff wird dazu ins lokale Gasnetz eingespeist und die Abwärme der Elektrolyse direkt zur Wärmeversorgung der Haushalte im Quartier genutzt.
Das GEG macht in § 71k Absatz 1 jedoch mit dem „H2-ready-Privileg“ eine Ausnahme für Gas-Heizungen, die für den Betrieb mit reinem Wasserstoff umgerüstet werden können (100-%-H2-ready), sofern die örtliche Wärmeplanung ein Wasserstoffnetz vorsieht und der Netzbetreiber rechtzeitig einen verbindlichen Plan für die Umstellung auf den neuen Energieträger bis spätestens Ende 2044 vorgelegt hat. In diesem Fall müssen beim Einbau von 100-%-H2-ready-Gas-Heizungen keine weiteren Vorgaben zur Nutzung von 65 % erneuerbarer Energie erfüllt werden, allein die Geräteeigenschaft ist dann eine der pauschalen 65-%-EE-Erfüllungsoptionen. ■
Quellen: Polarstern, GEG 2024 / jv
„65 % Biomethan, wenn es Kunden explizit wollen“
Ein anderer Blickwinkel auf 65-%-EE-Gastarife zeigt eine Presseinformation der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW):
„Das novellierte GEG definiert Erfüllungsoptionen, die in § 71 definiert werden. Eine davon ist die 65%ige Beimischung von Biomethan zum Erdgas. Diese Option bietet Stadtwerken eine Möglichkeit, ein entsprechendes Produkt anzubieten.
‚Wenn Kunden explizit einen Einbau von Gasheizungen wünschen, und das auch im Neubaugebiet, können Stadtwerke ein Produkt anbieten, das den Einbau von Gasheizungen weiterhin ermöglicht. Die ASEW kann hierbei helfen, dieses Produkt gesetzeskonform zu gestalten‘, ist Kara Hoffmann, Gruppenleitern Ökoenergie-Produkte bei der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) überzeugt. ‚Gerade im Privatkundenbereich ist Biomethan nach bestimmten Regelungen der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung eine Option – wenn auch mittel- und vor allem langfristig tatsächlich nicht-thermische Wärmeerzeugung die Regel-Heizalternative sein soll. Biomethan stellt aber bis dahin eine hinreichend erprobte Übergangslösung dar.‘
[…]
Zugegeben: Mit dieser Option [Anm. d. Red.: Biomethan] können sich nicht alle Klimabewegten gut anfreunden, doch manchem Kunden, der bislang neueren Heizungslösungen reserviert gegenübersteht, könnte damit eine klimaschonendere Option schmackhaft gemacht werden. Dieses Kundensegment könnten etwa Stadtwerke mit einem entsprechenden Biogastarif mit 65 % Biomethanbeimischung bedienen. Gerade lokale Stadtwerke haben sich in den vergangenen Jahren deutlich im Geschäftsfeld Biomethan etabliert. ‚Der Vorteil liegt hierbei klar in der regionalen Verankerung. Denn wer anders als ein seit oft über 100 Jahren vor Ort fest verankertes Unternehmen kann die regionalen Gegebenheiten realistisch genug einschätzen, um Biomethan zum Erfolg zu verhelfen?‘
Die ASEW unterstützt die Stadtwerkewelt dabei intensiv. Neben grundlegenden Informationen etwa auch zur konkreten Konzipierung von Biomethanprodukten für Endkunden helfen wir bei der Produkt-Implementierung sowie parallel auch bei der Beschaffung von Biomethanmengen von Produzenten oder Händlerinnen. […]“
Im Kontext:
Ab 2024 liefert Viessmann 100-%-H2-ready-Gas-Heizungen
In Brief rät der Politik: Beim grünen Wasserstoff ehrlich machen
Wohnungsneubau mit Gas-Heizung: Nur noch ein Nachhall
Bis 2030 kein Wasserstoff zur Erzeugung von Raumwärme
Sind Gas-Heizungen mit 65 % Erneuerbaren realistisch?
Mit Biomethan statt Erdgas heizen: wirtschaftliche Sackgasse