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Standpunkt von Kati Jagnow und Dieter Wolff

Wärmewende kann eingeleitet werden

Kompakt informieren
■ Bei der Energiewende ist es wichtig, fossile Energieträger für die Hausheizung und für Wärmeanwendungen schnell zu ersetzen.
■ Eine Substitution von Erdgas und Heizöl auf der Basis grünen Wasserstoffs wäre zwar technisch möglich, ist aber unrealistisch.
■  Bei Fernwärme sind der Ausbau, der weitere Betrieb und ein Fuel-Switch kritisch zu hinterfragen.
■ Für die Wärmewende in Gebäuden bieten sich besonders Photovoltaik-Anlagen und elektrisch angetriebene Wärmepumpen an.


Das Ziel ist vorgegeben und wird allgemein akzeptiert: Zur Einhaltung der vor fünf Jahren mit dem Pariser Übereinkommen international vereinbarten Klimaziele und des damit noch verfügbaren Budgets an Treibhausgasemissionen als CO2-Äquivalent (CO2e) sind in Deutschland fossile Energieträger für die Hausheizung und für Wärmeanwendungen schnellstmöglich zu ersetzen.

Grünen Wasserstoff nicht verheizen

Das gilt auch für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie für heute und mittelfristig weitgehend fossil versorgte Nah- und Fernwärmenetze. Langfristig stehen nur noch Photovoltaik (PV) und Windkraft in einem auch für Deutschland ausreichenden Maße zur Verfügung. Grüner Wasserstoff muss weiter gefördert werden. Aber nicht für Gas-Heizungen und auch nicht für Nah- und Fernwärmesysteme.

Der beschleunigte Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf allen verfügbaren Dächern macht Sinn. Der Beschluss des Senats der Stadt Hamburg am 23. Dezember 2020 setzt hier einen Meilenstein: Photovoltaik auf jedes Neubaudach und auf jedes zu sanierende Dach.

Heizsysteme der Zukunft: Effizienzvergleich Wärmepumpe und Power-to-Gas.

Bundesverband Wärmepumpe

Heizsysteme der Zukunft: Effizienzvergleich Wärmepumpe und Power-to-Gas.

Fernwärme muss hinterfragt werden

Der „grüne“ Ausbau von Nah- und Fernwärme mit verschiedenen Wärme- und Abwärmequellen gehört jedoch auf den Prüfstand. Der gemittelte CO2-Emissionsfaktor der Fernwärme in Deutschland liegt bei energetischer Allokation bereits mit 246 gCO2e/kWhth höher als bei Erdgas. Und die Netzverluste steigen anteilig mit zunehmender Gebäudeeffizienz. Power2heat aus überschüssigem PV- und Windkraftstrom kann auch dezentral als Wärme in den Gebäuden und Wohnungen, für die PV-Dächer zukünftig obligatorisch gefordert werden, gespeichert werden. Beim Verteilen von Wärme aus Power-to-Heat über Fernwärmenetze treten unnötig hohe Verluste auf.

Mit PV- und Windkraftstrom hergestellter Wasserstoff und auf dieser Basis erzeugte synthetische Energieträger (Methan, synthetisches Heizöl: power2fuel, power2gas, power2liquid) würden als zukünftiger Ersatz für Erdgas- und Öl-Heizkessel sowie BHKW inklusive Brennstoffzellen in Gebäuden und in Fernheizzentralen wegen der Wirkungsgradverluste über die einzelnen Umwandlungsketten einen zwei- bis achtfach so hohen Ausbau an PV- und Windkraft-Leistung erfordern.

Wer dies einmal verstanden hat, kann den derzeitig von vielen Seiten geforderten Subventionen und Förderungen für Wärmenetze 4.0 und als Energieträgerersatz für Gas- und Öl-Heizkessel nicht zustimmen.

Wärmewende-Lösungen sind vorhanden

Wie erfrischend sind da einzelne Arbeiten, z. B. an der HTW Berlin, zu heute vorwiegend über Fernwärme oder Gas-Heizzentralen versorgte Plattenbauten, die zukünftig mit PV und Wärmepumpen bei hohem Eigenverbrauch und hohen Autarkiegraden durch Mieterstromnutzung problemlos versorgt werden könnten. www.bit.ly/tga1369 

Nachvollziehbar wird dies durch eine von den Autoren entwickelte Excel-Rechenhilfe für die energetische und die Emissions-Bilanzierung von Einfamilienhaus- und Mehrfamilienhaus-Typgebäuden des deutschen Gebäudebestands. Das Programm berechnet verschiedene Szenarien für die Zeiträume 2020, 2035 und 2050 mit unterschiedlichen Energieträgern für Wärme und Strom in Wohngebäuden unterschiedlicher Effizienzstandards. Die Rechenhilfe kann zusammen mit einer ausführlichen Programmbeschreibung kostenlos per E-Mail an d.wolff@ostfalia.de von den Autoren bezogen werden.


Budget an THG-Emissionen

Seit rund 14 Jahren ist bekannt, dass zur Begrenzung der Klimaerwärmung ein dazu ausschöpfbares, weltweites Treibhausgas-Budget minimal klein geworden ist. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen schreibt im Umweltgutachten 2020 „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“:

„Damit der Temperaturanstieg (mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 %) den Wert von 1,75 °C nicht übersteigt und damit deutlich unter 2 °C bleibt, dürfen weltweit ab dem Jahr 2018 nicht mehr als 800 Gigatonnen CO2 ausgestoßen werden […]. Legt man den deutschen Anteil an der Weltbevölkerung zugrunde und vernachlässigt die historischen Emissionen, beträgt das ab 2020 verbleibende CO2-Budget für Deutschland maximal 6,7 Gigatonnen CO2. Es bezieht sich auf eine maximale Erderwärmung von 1,75 °C mit einer 67%igen Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung. Das deutsche anteilige Budget mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, beträgt 4,2 Gigatonnen CO2 ab 2020.“

Zur Einordnung: Der CO2-Ausstoß Deutschlands lag bis 2019 je nach Berechnungsmethodik zwischen 0,8 und 0,9 Gigatonnen CO2/a.
 

Siehe auch: Wärmewende und Klimaneutralität: Was sich ändern muss

Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow
lehrt Anlagentechnik und Energiekonzepte an der Hochschule Magdeburg-Stendal – Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit, www.bauwesen.hs-magdeburg.de

Jagnow

Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff
Institut für energieoptimierte Systeme – EOS, Fakultät Versorgungstechnik, Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel, d.wolff@ostfalia.de, www.ostfalia.de

Wolff

Das Anfang 2020 mit verbesserten Förderbedingungen und erweiterten Fördertatbeständen neu in Kraft getretene Marktanreizprogramm (MAP) ist sehr schnell sehr gut angelaufen. Nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist von Januar bis Dezember für rund 334 000 Wärmeerzeuger eine Förderung beantragt worden. Im Vorjahreszeitraum waren es 67 600. Den größten Anteil bei der Förderanträgen 2020 hatten Wärmepumpen (143 600) vor Biomasse- (95 800) und Solarthermieanlagen (57 500). Zudem wurde in 37 300 Fällen die Förderung einer Gashybrid- oder Renewable-Ready-Anlage beantragt. Von der 280 800 Förderanträgen – diese können die Förderung für mehrere Wärmeerzeuger enthalten – wurden 39,6 % mit der neuen Austauschprämie für Öl-Heizungen gestellt. Anfang 2021 wurde der BAFA-Teil des Marktanreizprogramms in die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) überführt.

JV / Quelle: BAFA

Das Anfang 2020 mit verbesserten Förderbedingungen und erweiterten Fördertatbeständen neu in Kraft getretene Marktanreizprogramm (MAP) ist sehr schnell sehr gut angelaufen. Nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist von Januar bis Dezember für rund 334 000 Wärmeerzeuger eine Förderung beantragt worden. Im Vorjahreszeitraum waren es 67 600. Den größten Anteil bei der Förderanträgen 2020 hatten Wärmepumpen (143 600) vor Biomasse- (95 800) und Solarthermieanlagen (57 500). Zudem wurde in 37 300 Fällen die Förderung einer Gashybrid- oder Renewable-Ready-Anlage beantragt. Von der 280 800 Förderanträgen – diese können die Förderung für mehrere Wärmeerzeuger enthalten – wurden 39,6 % mit der neuen Austauschprämie für Öl-Heizungen gestellt. Anfang 2021 wurde der BAFA-Teil des Marktanreizprogramms in die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) überführt.