Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) rät der neuen Bundesregierung, die CO2-Bepreisung schon ab 2022 bis 2025 jedes Jahr um 30 Euro/t zu erhöhen. Die Energiepreise würde deutlich steigen. Richtig aufgeklärte Wärmekunden können trotzdem von dem Vorschlag profitieren.
Das mühsam im Herbst 2019 innerhalb der GroKo als wichtiger Bestandteil des Klimapakets (Klimaschutzprogramm 2030) ausgehandelte Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) mit einer nationalen verbrennungsbezogenen CO2-Bepreisung fossiler von Kraft- und Brennstoffe für den Verkehrs- und Gebäudesektor wurde zwischen der Ausfertigung des Gesetzes und seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt am 19. Dezember 2019 bereits inhaltlich überholt:
Bund und Länder hatten sich am 18. Dezember 2019 im Vermittlungsausschuss darauf geeinigt, die Preise für Emissionszertifikate von 2021 bis 2025 neu festzulegen: Statt der vom Bundestag beschlossenen 10 Euro/a sollte der CO2-Preis ab Januar 2021 zunächst 25 Euro/tCO2 betragen, und dann Schrittweise auf 55 Euro/tCO2 im Jahr 2025 steigen. Für das Jahr 2026 hatte der Vermittlungsausschuss einen Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro/tCO2 vorgeschlagen. Bereits einen Tag später hatte der Bundestag das Vermittlungsergebnis angenommen, der allerdings erst mit einer Änderung des BEHG vom 03. November 2020 umgesetzt wurde.
Die nationale CO2-Bepreisung hat drei Konstruktionsfehler
Doch auch mit der leicht höheren CO2-Bepreisung wurden drei Konstruktionsfehler nicht beseitigt: Für eine Lenkungswirkung ist sie bis 2026 zumindest im Gebäudebereich deutlich zu niedrig, die Niedrigpreis-Eingewöhnungsphase birgt die Gefahr, dass auch danach wegen einer andauernden Nichteinhaltung der Minderungsziele keine freie Preisbildung über Auktionen möglich ist und die diffuse Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung beschränkt die Motivation der Kraft- und Brennstoffkäufer zu handeln.
Nun hat der Bundesverband Erneuerbare Energie als Bestandteil des „Sofortprogramm des BEE für einen Neustart beim Klimaschutz“ eine Neuausrichtung der CO2-Bepreisung vorgeschlagen. Sie umfasst 5 der „36 Maßnahmen für die ersten 100 Tage der neuen Legislaturperiode“ aus dem Sofortprogramm.
Im Mittelpunkt stehen dabei drei Punkte:
● „Im Jahr 2022 muss der CO2-Preis im Gebäudewärme- und Verkehrsbereich im BEHG sofort auf 60 Euro/tCO2 (statt wie bisher vorgesehen auf 30 Euro/tCO2) angehoben werden.“
● „Darüber hinaus muss festgelegt werden, dass der CO2-Festpreis im BEHG jedes Jahr um 30 Euro/tCO2 ansteigt, sodass der Festpreis im Jahr 2025, dem letzten Jahr der Einführungsphase, 150 Euro/tCO2 betragen wird.“
● Die Einnahmen aus CO2-Bepreisung sollten in Form eines für den Endverbraucher wirksamen und sichtbaren Rückverteilungsmechanismus erstattet werden.
Preissignal für einen Drei-Personen-Musterhaushalt
Was das konkret für Energieverbraucher bedeuten würde, zeigt das BEE-Papier nicht auf. Nimmt man einen Drei-Personen-Musterhaushalt mit einer Erdgas-Abnahmemenge von 20 000 kWh/a (bezogen auf den Heizwert) an, verursacht dieser verbrennungsbezogen CO2-Emissionen von 4,032 t/a. Im August kostete Erdgas 6,28 Ct/kWh (Verivox-Energiekostenindex inkl. MwSt. und CO2-Preis). Verändert man nur die CO2-Bepreisung ergibt sich:
2022: Erdgas verteuert sich nach aktuellem BEHG (30 Euro/tCO2) auf 6,40 Ct/kWh. Mit dem BEE-Vorschlag (60 Euro/tCO2) wären es 7,12 Ct/kWh. Bei einer konstanten Abnahme von 20 000 kWh/a würde die Energierechnung zum Heizen um 143,49 Euro höher ausfallen.
2025: Erdgas verteuert sich nach aktuellem BEHG (55 Euro/tCO2 in 2025) „nur“ auf 7,00 Ct/kWh. Mit dem BEE-Vorschlag (150 Euro/tCO2) wären es 9,28 Ct/kWh; bei einer Abnahme von weiterhin 20 000 kWh/a würde die Energierechnung zum Heizen um 455,82 Euro höher ausfallen. Erdgas würde sich damit von 2021 bis 2025 allein aufgrund der CO2-Bepreisung um 11,5 % (aktuelles BEHG) bzw. 47,8 % (BEE-Vorschlag) verteuern.
Heizt der Drei-Personen-Musterhaushalt mit identischem Verbrauch mit zu 100 % fossilem Heizöl (1991 l/a) fällt die Differenz aufgrund der höheren CO2-Emissionen von 5,328 t/a noch deutlicher aus. Vergleichsbasis ist ein Heizölpreis von 0,681 Euro/l im August 2021.
2022: Heizöl verteuert sich nach aktuellem BEHG (30 Euro/tCO2) auf 0,697 Euro/l Mit dem BEE-Vorschlag (60 Euro/tCO2) wären es 0,792 Euro/l. Bei einer konstanten Abnahme von 1991 l/a würde die Energierechnung zum Heizen um 190,21 Euro höher ausfallen.
2025: Heizöl verteuert sich nach aktuellem BEHG (55 Euro/tCO2) auf 0,777 Euro/l Mit dem BEE-Vorschlag (150 Euro/tCO2) wären es 1,079 Euro/l. Bei einer konstanten Abnahme von 1991 l/a würde die Energierechnung zum Heizen um 602,33 Euro höher ausfallen. Heizöl würde sich damit von 2021 bis 2025 allein aufgrund der CO2-Bepreisung um 14,0 % (aktuelles BEHG) bzw. 58,5 % (BEE-Vorschlag) verteuern.
Sichtbare Rückverteilung könnten Einsparmaßnahmen anregen
Die erheblich unterschiedlichen prozentualen Preissteigerungen zeigen, dass die CO2-Bepreisung nach aktuellem BEHG nur in geringem Maße geeignet ist, Energiekunden zu Energieeinsparmaßnahmen zu motivieren. Der BEE-Vorschlag mit signifikant höheren prozentualen Preissteigerungen ist dafür erheblich besser geeignet.
Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen im BEE-Vorschlag in Form eines für den Endverbraucher wirksamen und sichtbaren Rückverteilungsmechanismus erstattet werden. Weitere Ausführungen gibt es dazu nicht, häufig wird aber ein Pauschalbetrag pro Kopf favorisiert. Da es sich um einen durchschnittlichen Musterhaushalt handelt, würde er näherungsweise seine gesamten Kosten aus der CO2-Bepreisung, jedoch nicht die auf den CO2-Preis zusätzlich zu entrichtende MwSt. erstattet bekommen.
Beim Erdgaskunden würde sich die „sichtbare“ Rückerstattung in den vier Jahren von 2022 bis 2025 auf rund 1423 Euro (addierte CO2-Kosten vor Mehrwertsteuer) belaufen. Beim aktuellen BEHG gibt es für den Gebäudebereich keine direkt sichtbare Rückerstattung, die Minderung der EEG-Umlage dürfte allgemein nur wenigen Verbrauchern und die absolute Höhe über die eigene Stromrechnung nahezu keinem Verbraucher bekannt sein.
Addiert man die Energiekosten von 2022 bis 2025 inklusive CO2-Bepreisung und Mehrwertsteuer und zieht die Rückvergütung ab, ergibt sich im BEE-Vorschlag für den Musterhaushalt trotz höherer CO2-Bepreisung ein Kostenvorteil von rund 200 Euro. Der Vorteil steigt mit einer Verringerung des Energieverbrauchs. Bei einem Einsparerfolg von 10 % wären es 855 Euro (BEE-Vorschlag plus Pauschalbetrag pro Kopf gegenüber aktuellem BEHG) die kostenneutral als Investition zur Verfügung stehen, bei 20 % wären es rund 1511 Euro. Da es sich nur um einen Zeitraum von 4 Jahren handelt, sind die Summen beachtlich. Verlängert man den Zeitraum, werden die Summen und die Vorteile des BEE-Vorschlags immer größer, insbesondere, wenn sich ab 2026/27 die CO2-Kosten in beiden Modellen in der Handelsphase (Versteigerung der Emissionszertifikate) wieder annähern. Weiter verstärken ließe sich der Effekt, wenn auch die auf die CO2-Bepreisung zu entrichtende Mehrwertsteuer für den Pauschalbetrag pro Kopf zur Verfügung steht.
Das Beispiel zeigt, dass die Motivation für Energieeinsparmaßnahmen durch ein deutliches Preissignal, eine sichtbare Rückvergütung und eine Aufklärung der Energiekunden ungleich höher als mit der bisherigen Vorgehensweise bei der CO2-Bepreisung gestalten werden kann. Zudem hat eine Pro-Kopf-Pauschale eine soziale Komponente.
Die Beispielrechnung hat allerdings einen „Schönheitsfehler“. Sie impliziert, dass nur eine kleine Zahl der Energiekunden Energieeinsparmaßnahmen durchführt oder auf erneuerbare Energien oder Wärmepumpen umsteigt. Mit einer höheren Realisierungsquote sinken die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung und es gibt etwas weniger Geld zur Rückverteilung.
Die BEE-Argumentation für eine Anpassung der CO2-Bepreisung:
„Mit dem nationalen Emissionshandel (nEHS) werden seit dem 01. Januar 2021 erstmals sämtliche energiebedingten Emissionen außerhalb des europäischen Emissionshandels und damit auch die Emissionen des Gebäudewärme- und Verkehrssektors bepreist. Eine CO2-Bepreisung ist eine gut wirksame ökonomische Maßnahme, die gewährleistet, dass sich Preissignale für saubere Technologien entfalten können.
Ohne CO2-Bepreisung oder mit einer zu niedrigen CO2-Bepreisung findet eine Marktverzerrung zugunsten klimaschädigender Technologien statt. Bislang wurden in wissenschaftlichen Untersuchungen die CO2-Vermeidungskosten für das bisherige THG-Minderungsziel der Bundesregierung von minus 55 Prozent im Zieljahr 2030 berechnet.
Für dieses Minderungsziel liegen die CO2-Vermeidungskosten bei etwa 125 bis 180 Euro/Tonne (nominale Preise) in den Nicht-ETS Sektoren (Wärme und Verkehr). Die Studien zeigen damit, dass der im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) beschlossene CO2-Preispfad mit einem Preiskorridor von 55 bis 65 Euro/Tonne im Jahr 2026 schon jetzt nicht ausreicht, um das alte Klimaschutzziel umzusetzen. Auch internationale Studien stützen diese Bewertung.
Mit dem angepassten Klimaschutzgesetz wird die THG-Reduktion bis 2030 auf 65 Prozent angehoben. Dafür müssen zusätzlich 105 Mio. Tonnen Treibhausgase vermieden werden. Erste wissenschaftliche Berechnungen zeigen, dass dafür ein kontinuierlicher Anstieg des CO2-Preises auf 300 Euro (nominal) pro Tonne bis 2030 erforderlich ist, um die zusätzliche THG-Minderung zu erreichen.
Darüber hinaus könnte ein zu langsam zunehmender CO2-Preispfad zu sprunghaften Preiserhöhungen bis 2030 führen, wenn zu niedrige CO2-Preise keine ausreichende Lenkungswirkung erzielen. Folglich müssen für die zusätzliche Reduktion der genannten CO2-Menge die marktbasierten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasemissionen weiter angeschärft werden. Eine Weiterentwicklung der nationalen CO2-Bepreisung ist daher ein geeignetes Instrument, um für zukunftsfähig Klimaschutztechnologien einen fairen Markt zu schaffen, die kurzfristig in den ersten 100 Tagen durch eine Novellierung des BEHG umsetzbar ist.“ ■