Eine Studie analysiert anhand der Faktoren Klimaschutz und Nachhaltigkeit, welchen Beitrag die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung zum Erreichen des Klimaziels „Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045“ leisten kann.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Über die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (W-WRG) kann der Energiebedarf für die Lüftung deutlich gesenkt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Heizsysteme sind die Treibhausgasminderung sowie die Primärenergie- und Endenergieeinsparung im (heutigen) Bestand deutlich höher als im Neubau.
■ Ein W-WRG-Ausstattungsgrad im Gebäudebestand von 45 % im Jahr 2045 würde den nationalen Energiebedarf um 37 bis 42 TWh/a verringern und die nationale Heizkostenrechnung um 3,4 bis 5,7 Mrd. Euro/a senken.
■ Eine hohe Ausschöpfung des Einsparpotenzials durch W-WRG ist aus heutiger Sicht nur durch eine rechtzeitige Weichenstellung in der Energie- und Förderpolitik zu erreichen.
Die im Jahr 2022 im Auftrag des Bundesverbands für Wohnungslüftung (VfW) veröffentlichte „COP-Äquivalenzstudie“ des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG) hat für einen neuen Blickwinkel auf die Wohnungslüftung gesorgt. Die Berechnungen zeigten das hohe Energieeinsparpotenzial von Wohnraumlüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung und belegten die These, dass sich diese Technologie zu einem entscheidenden Faktor für die Wärmewende in Deutschland entwickelt hat und eine hocheffiziente Maßnahme zur Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten darstellt [1].
In einer Nachfolgestudie des ITG [2] wird anhand der Faktoren Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit neuen Berechnungen analysiert, welchen Beitrag die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (W-WRG) für das Erreichen der Klimaziele potenziell leisten kann.
Großer Hebel, bisher kaum genutzt
Laut Bundes-Klimaschutzgesetz muss im Gebäudesektor bis 2030 eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 35 Mio. t/a CO2-Äquivalent (CO2e) auf dann maximal 67 Mio. t CO2e erreicht werden. Gelingt es bis dahin, 10 % des Gebäudebestands mit W-WRG auszustatten, könnte laut der ITG-Nachfolgestudie die W-WRG über 5 % zur Minderung der CO2e-Emissionen beitragen.
Dafür wäre bis 2030 die Ausstattung von jährlich ca. 500 000 Wohnungen mit einer W-WRG notwendig. Der jährliche Ausstattungsgrad liegt allerdings nur bei rund 100 000 Wohnungen (Tendenz 2023: fallend). Auch im Neubau wird bisher nur etwa jede dritte fertiggestellte Wohnung (2022: 295 300 Wohnungen, davon 258 800 Neubauwohnungen in Wohngebäuden, davon 150 200 Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern) mit einer W-WRG ausgestattet.
W-WRG kann großen Zielbetrag leisten
Die ITG-Nachfolgestudie erweitert nun den Zeithorizont bis 2045 und auf einen dann 45%igen Ausstattungsgrad des Gebäudebestands. Auch wenn das im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebene Ziel – „Bis zum Jahr 2045 werden die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden.“ – dann schon erreicht sein soll, muss die Minderung auch durch konkrete Maßnahmen hinterlegt sein, denn klimaneutrale Energieträger wird es dann nach allen Prognosen nicht im Überfluss geben.
W-WRG würde bei einem 45%igen Ausstattungsgrad einen beeindruckenden Beitrag zur Zielerreichung leisten: Die Einsparung an Endenergie beträgt ca. 37 bis 42 TWh/a und vermeidet dabei Emissionen von 9 bis 11 Mio. t an CO2e/a und führt zu 3,4 bis 5,7 Mrd. Euro/a geringeren Heizkosten. Um die Energieeinsparung noch anschaulicher zu machen: Mit dem Äquivalent der Erzeugung von zwei bis drei Kohlekraftwerksblöcken könnten 520 000 bis 730 000 Heizungs-Wärmepumpen betrieben oder 2,2 bis 3,1 Mio. Elektroautos gefahren werden.
„Politik muss die Weichen stellen“
Der VfW weist allerdings darauf hin, dass diese Einsparszenarien nur bei entsprechenden politischen Weichenstellungen eintreten können und fordert: Zum einen muss eine verstärkte Berücksichtigung von W-WRG bei der Konzeptionierung von energieeffizienten und schadstofffreien Gebäuden, also im Gebäudeenergiegesetz (GEG) erfolgen. Zudem müsste es eine energetische Gleichstellung von Abwärmenutzung durch W-WRG mit der Nutzung regenerativer Energie geben und eine attraktivere Förderung von Lüftungssystemen mit WRG im Neubau und in der Sanierung etabliert werden.
Ralf Lottes, der Geschäftsführer des VfW, hält es für unerlässlich, die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste der durch Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung gewonnenen Wärme im Gebäudeenergiegesetz zu adressieren bzw. die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste über W-WRG zu reduzieren. Bei den marktführenden Systemen lasse sich im Neubau eine Reduktion von Treibhausgasen sowie von Primär- und Endenergieeinsatz für die Heizung um jeweils bis zu 69 % gegenüber der Fensterlüftung erzielen.
Entscheidend ist die Betriebsphase
Auch die Nachhaltigkeit der W-WRG nimmt die ITG-Nachfolgestudie unter die Lupe. Um die Nachhaltigkeit von Energiesparmaßnahmen noch genauer beurteilen zu können, rücken in hocheffizienten Gebäuden zunehmend Themen wie geeignete Anforderungskennwerte und die Ökobilanzierung in den Fokus. Diverse Studien haben dabei gezeigt, dass die Wahl des konkreten Lüftungssystems oder das Material der Lüftungsleitungen nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Entscheidend ist vielmehr die grundsätzliche Entscheidung des Bauherrn für eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Sie hat den ausschlaggebenden Einfluss auf die Senkung der Heizkosten. Dann spielen Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung bei der Ökobilanzierung eines Gebäudes eine tragende Rolle – und ermöglichen gleichzeitig die Umsetzung weiterer Ziele: Bauschadensfreiheit, Gesundheit, Hygiene, thermische Behaglichkeit und Schallschutz.
Die COP-Äquivalenzstudie [1] zeigt, dass Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung extrem effizient ist und Leistungszahlen (Verhältnis von eingesetzter elektrischer Energie zu rückgewonnener Heizenergie in der Heizperiode, Außentemperatur − 10 °C bis + 10 °C) von ca. 11 bis 25 erreicht. Heizungs-Wärmepumpen liegen in einer Größenordnung von 3 bis 6, was auch schon ein sehr gutes Verhältnis ist – die technisch realisierbare Grenze wird bei einer Jahresarbeitszahl von etwa 9,1 gesehen.
Wichtig für das gesamte Energiesystem: Die höchsten Leistungszahlen erreicht die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung bei niedrigen Außentemperaturen. Das macht sie zu einer hervorragenden Komplementärtechnologie der Wärmepumpe, die bei höheren Außentemperaturen effizienter ist. Durch den Einsatz von W-WRG kann das Stromnetz kleiner dimensioniert werden.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Wohnungslüftung
Literatur
[1] Kontrollierte Wohnungslüftung. Wärmerückgewinnung entlastet das Stromnetz. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA Fachplaner 08-2023
[2] Hartmann, T.; Hartmann, A.: Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie der Wärmewende – Klimaschutz und Nachhaltigkeit – 2. Kurzstudie. Dresden: ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden, Forschung und Anwendung, Mai 2023