Der Deutsche Verband Flüssiggas fordert im Rahmen des Heizungsgesetzes und des Wärmeplanungsgesetzes gleiche Startbedingungen für Stadt und Land. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass die Flüssiggaswirtschaft wirklich „gleiche Bedingungen“ will.
In einer Pressemitteilung vom 4. September 2023 mit dem Titel: „Flüssiggaswirtschaft fordert gleiche Startbedingungen für Stadt und Land“ schreibt der Deutsche Verband Flüssiggas (DVFG):
„Ungleicher könnten die Anforderungen nicht sein: Der Entwurf des Wärmeplanungsgesetzes legt fest, dass bestehende Wärmenetze ab dem 1. Januar 2030 lediglich zu einem Anteil von 30 % aus erneuerbaren Energien gespeist werden müssen. Der Entwurf des Heizungsgesetzes (Gebäudeenergiegesetz – GEG) dagegen verlangt von Hauseigentümern, die sich dezentral mit Wärme versorgen müssen, ab dem nächsten Heizungseinbau 65 % erneuerbare Energien zu nutzen – und das abhängig von der Gemeindegröße bereits ab 2026 bzw. 2028 [eigentlich müsste es heißen: „ab Mitte 2026 und ab Mitte 2028“, Anm. d. Red.]. Auf diese drohende Ungleichbehandlung von netzgebundenen und netzfernen, überwiegend ländlichen Räumen verweist Jobst-Dietrich Diercks, Vorsitzender des Deutschen Verbandes Flüssiggas e.V. (DVFG).
Mit höheren Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien und kürzeren Fristen für die Umrüstung würden die Menschen in netzfernen, überwiegend ländlichen Räumen bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung schwerer belastet als die Betreiber der Wärmenetze und deren Kunden in den Städten. Deshalb müsse bei der Verzahnung von Heizungsgesetz und kommunaler Wärmeplanung dringend nachgebessert werden.
„Nötig sind gleiche Startbedingungen für Stadt und Land zunächst bei der Frage, welcher Anteil erneuerbarer Energien zu leisten ist. Ferner ist nicht einzusehen, warum die Netzbetreiber erst ab 2030 ‚liefern‘ sollen, die privaten Hauseigentümer in den ländlichen Räumen aber schon Jahre zuvor. Die Synchronisierung der Fristen und des Anteils erneuerbarer Energie ist zwingend geboten“, fordert Jobst-Dietrich Diercks vor der Verabschiedung des GEG im Deutschen Bundestag. Unter den Hauseigentümern in den ländlichen Räumen – vielfach Nutzer von Flüssiggas (LPG) – werde eine Wärmewende zu ungleichen Bedingungen in Stadt und Land nicht auf die erforderliche Akzeptanz stoßen.“
Wichtiger Einwand oder nur ein Störfeuer?
In Wirklichkeit dürfte sich die Flüssiggaswirtschaft hauptsächlich um ihr eigenes Geschäftsmodell sorgen, denn den Energieträger Flüssiggas durch eine anteilige Substitution mit erneuerbaren Energien preislich konkurrenzfähig zu anderen Erfüllungsoptionen zu halten, ist (wie auch bei den Energieträgern Erdgas und Heizöl) eine vielschichtige und große Herausforderung.
Die Einordnung der beiden Gesetzesvorhaben durch den DVFG greift sich willkürlich einzelne Daten ohne den Zusammenhang vollständig abzubilden heraus. Denn eigentlich sehen die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG-Novelle) und der Regierungsentwurf für das Wärmeplanungsgesetz (WPG) beim „Liefern sollen“ eher das Gegenteil der DVFG-Argumentation vor:
Heute mit LPG – also fossilem Flüssiggas betriebene Heizungsanlagen – trifft bei ihrem Weiterbetrieb auch über 2030 (solange die maximale Betriebsdauer für einen Wärmeerzeuger nicht greift) hinaus keine Pflicht, erneuerbare Energien anteilig einzusetzen. Bei leitungsgebundener Wärmelieferung ist dies mit einem Pflichtanteil von 30 % bei bestehenden Anschlüssen über das WPG vorgesehen. Dies ist aber eine Anforderung die die Wärmenetzbetreiber und nicht die Anschlussnehmer erfüllen müssen.
In Städten greifen die GEG-65-%-EE-Anforderungen in der Regel vor den „ländlichen Räumen“, wenn die Fristen im WPG ausgeschöpft werden. In nicht städtischen Gemeinden über 100 000 Einwohnern wird es meistens unterschiedliche Wärmeversorgungsgebiete geben. Warum die überall eingeforderte frühere Planungssicherheit hier ein Nachteil sein soll, erschließt sich nicht, denn die Ausweisung von Wärmeversorgungsgebiete wird ja nicht insgeheim sondern öffentlich ablaufen, sodass jeder Heizungseigentümer mit viel Vorauf individuell reagieren kann.
GEG/WPG-Verzahnung verschiebt 65-%-Pflicht
Vorausgesetzt, die GEG-Novelle wird auf Basis der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie vom 05. Juli 2023 beschlossen, gilt: Wer ab 2024 eine Flüssiggas-Heizung einbaut, darf lange unter der für leitungsgebundene Wärmenetze im WPG aufgestellten 30-%-Anforderung des bleiben. Vorgesehen ist:
Wird eine Öl- oder Gas-Heizung eingebaut, bevor für das Grundstück die Kommunale Wärmeplanung offiziell vorliegt, besteht für diese die Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien erst ab dem 1. Januar 2029. Der verpflichtende Mindestanteil im Brennstoff an flüssiger oder gasförmiger Biomasse bzw. Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten beträgt dann zunächst 15 %, ab dem 1. Januar 2035 mindestens 30 % und ab dem 1. Januar 2040 mindestens 60 % („EE-Hochlauf“). 65 % EE sind terminlich gar nicht adressiert, allerdings müssen es 100 % EE ab 2045 sein.
Hier ist eine wichtige Differenzierung zu beachten: Wie bei der leitungsgebundenen Wärme das WPG sieht das GEG beim „EE-Hochlauf“ eine Quote im Brennstoff vor. Das bedeutet, dass keine Verrechnung mit anderen anteiligen Erfüllungsoptionen möglich ist. Wer hingegen ab 2024 auf eine 65-%-EE-Flüssiggas-Heizung setzt, kann auch andere Maßnahmen in einem 65-%-EE-Nachweis berücksichtigen, beispielsweise eine thermische Solaranlage oder eine Trinkwasser-Wärmepumpe.
Was „gleiche Bedingungen“ bedeuten würden
Gleiche Bedingungen zwischen leitungsgebundener Wärme und individuell erzeugter Wärme würde es geben, wenn man den über dem heutigen Stand hinausgehenden verpflichtenden Anteil bei leitungsgebundener Wärme auch auf andere Energieträger überträgt. Dann müssten Erdgas, Heizöl und Flüssiggas für alle Kunden eine EE-Quote aufweisen – grob abgeschätzt würde sie im Jahr 2030 schon über 10 % liegen.
Ob die Branchen diese Quote dann wettbewerbsfähig abbilden könnten, muss hier offen bleiben. Letztendlich ist aber ein Hochlauf auf 100 % EE bis zum 31. Dezember 2044 erforderlich und dies wird nur mit einer langfristig angelegten Transformation gelingen.
Richtig ist: Liegt eine Wärmeplanung „amtlich“ vor oder spätestens nach den im WPG vorgesehenen Fristen in 2026 bzw. 2028 muss jede neu eingebaute Heizung die 65-%-EE-Pflicht im Sinne des GEG erfüllen. Das gilt dann prinzipiell auch für den Anschluss an ein Wärmenetz. Für neue Wärmenetze gilt schon ab 2024 eine 65-%-Pflicht für den Wärmenetzbetreiber. Für den Anschluss an ein bestehendes Wärmenetz sieht das GEG vor, dass dann im Regelfall bis zum 1. Januar 2029 ein Pflichtanteil von 50 % aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme „anzustreben“ ist. Es gibt allerdings auch schwammige „Verlängerungsoptionen“ im Gesetzestext. ■
Quelle: DVFG-Pressemittelung, Entwürfe für die GEG-Novelle und das WPG / jv
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